# taz.de -- USA streiten mit Nachbarn: Mexiko will keinen Genmais aus dem Norden | |
> Das Land muss ein Importverbot zurücknehmen. Nun strebt die | |
> Regierungschefin ein Anbauverbot des manipulierten Getreides an. | |
Bild: Indigene demonstrierten im Januar in Mexiko City für den Schutz heimisch… | |
Berlin taz | Ohne Mais geht in [1][Mexiko] nichts. „Sin maíz no hay país“… | |
„Ohne Mais gibt es kein Land“, heißt eine Parole, die sich die | |
kleinbäuerlichen und indigenen Bewegungen schon lange auf die Fahnen | |
geschrieben haben. Und es gibt genug gute Gründe dafür: Mexiko ist das | |
Ursprungsland des Mais, seit Jahrtausenden ernähren sich die | |
Mexikaner*innen mit dem Getreide. Es vergeht kaum ein Tag, an dem | |
Tortillas, Tamales oder Pozole nicht auf dem Esstisch stehen. Die Fladen, | |
Teigtaschen und Suppen zählen zu den wichtigsten Nahrungsmitteln Mexikos. | |
Nun hat Mexikos Präsidentin [2][Claudia Sheinbaum] die alte Parole der | |
Kleinbäuer*innen und Indigenen aufgegriffen, um für eine ungewöhnliche | |
Reform zu werben. Die Staatschefin will das Verbot des Anbaus von genetisch | |
manipuliertem Mais in der Verfassung festschreiben. „Mais ist ein Element | |
nationaler Identität, dessen Aussaat frei von genetischer Manipulation sein | |
muss“, soll demnach künftig in der Verfassung stehen. Bei der Kultivierung | |
der Pflanze müsse besonderer Wert auf ökologisch sinnvolle Technologien | |
gelegt werden, erklärte die Politikerin der linken Morena-Partei vergangene | |
Woche. Die 59 endemischen Maissorten müssten durch die Verfassung vor dem | |
Aussterben geschützt werden. | |
Mit diesen Vorschlägen reagierte Sheinbaum auf das Urteil eines | |
Schiedsgerichts, das im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen Mexiko, | |
Kanada und den USA (USMCA) geschaffen wurde. Das Gremium hatte vergangenen | |
Dezember entschieden, dass die mexikanische Regierung ein von ihr verfügtes | |
Importverbot für Genmais ab dem 4. Februar wieder aufheben muss und | |
US-Firmen die umstrittene Ware wieder als Lebensmittel in das Nachbarland | |
exportieren dürfen. | |
Sheinbaums Vorgänger und Parteifreund Andrés Manuel López Obrador hatte die | |
Einfuhr von Genmais aus den Vereinigten Staaten für den menschlichen | |
Verzehr 2023 verbieten lassen. Zudem wies er staatliche Stellen an, auf | |
jegliche Nutzung von Genmais und Glyphosat in öffentlichen Programmen zu | |
verzichten. Das manipulierte Korn gefährde die Gesundheit und zerstöre die | |
Vielfalt einheimischer Pflanzen. Mit Blick auf Glyphosat, das beim | |
Genmais-Anbau zur Abwendung von Plagen verwendet wird, verwies sie die | |
Regierung auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO stuft das | |
Herbizid seit 2015 als wahrscheinlich krebserregend ein. Glyphosat schade | |
zudem der Umwelt sowie Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und | |
Säugetieren, so López Obrador. | |
## USA und Kanada klagten gegen Importverbot | |
Die US- und die kanadische Regierung wollten sich mit dem Verbot nicht | |
abfinden. Sie klagten vor der USMCA-Schiedskommission und bekamen nun | |
Recht. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass das Importverbot nicht | |
wissenschaftlich fundiert sei und den freien Marktzugang beeinträchtige, | |
den das Land durch den Handelsvertrag garantieren müsse. „Mexiko ist in | |
seinen Risikoeinschätzungen nicht nach internationalen Standards | |
vorgegangen“, hieß es im Abschlussbericht, der am 20. Dezember | |
veröffentlicht wurde. | |
Sheinbaum reagierte versöhnlich. Man werde das Urteil akzeptieren, erklärte | |
sie. Ihre Regierung werde aber Wege suchen, um die Gesundheit und die | |
Biodiversität zu schützen. Aktivist*innen bezweifeln jedoch, dass die | |
Verfassungsreform hierfür ausreichend ist. Die Kampagne „Sin maíz no hay | |
país“ kritisiert, dass in dem Vorschlag nur vom Anbau in Mexiko die Rede | |
sei, nicht aber vom Import. Das sei ein großer Rückschritt gegenüber López | |
Obrador, der den Konsum einbezogen hatte. „Für das Schiedsgericht und die | |
US-Regierung war das Anbauverbot in Mexiko nie das Problem“, erläuterte | |
Kampagnensprecher David Rivero Fragoso auf einer Veranstaltung an der | |
Universität UNAM in Mexiko-Stadt. Der Vorwurf: Sheinbaum wolle Konflikte | |
mit Washington vermeiden. | |
US-Unternehmen dürften sich jedoch weniger Sorgen über den Verkauf ihres | |
umstrittenen Getreides für den Konsum machen. Schließlich exportieren sie | |
vor allem gelben Mais, der als Viehfutter verwendet wird, während die | |
Mexikaner*innen die weißen Körner für ihre Tortillas und andere | |
Lebensmittel selbst anbauen. | |
Wenn jedoch der Schutz der mexikanischen Bevölkerung vor Genmais | |
Verfassungsrang bekommt und öffentliche Stellen sowie | |
Agrar-Produzent*innen ihn nicht mehr kaufen, träfe das die Hersteller | |
aus dem Norden erheblich. Mexiko ist derzeit der größte Abnehmer des meist | |
genetisch modifizierten US-Maises. Etwa fünf Milliarden Dollar nehmen | |
US-Firmen jährlich durch diese Exporte in das Nachbarland ein. | |
## Aktivist*innen freuen sich über Erfolg | |
Für Mexikos kleinbäuerliche und indigene Bewegungen ist das Vorgehen der | |
Morena-Regierung trotz der Kritik ein großer Erfolg. Seit das Land nach dem | |
Inkrafttreten des Freihandelsvertrags 1994 mit billigem und | |
genmanipuliertem Mais aus den USA überschwemmt wurde, kämpfen sie für einen | |
restriktiven Umgang mit den Einfuhren. Einen Schritt sind sie nun weiter: | |
Angesichts der großen Mehrheit, über die Morena und ihre Alliierten im | |
Kongress und im Senat verfügt, dürfte die Verfassungsreform in beiden | |
Häusern durchgehen. Da [3][Sheinbaums] Partei auch 23 der insgesamt 32 | |
Landesparlamente dominiert, wird sie auch dort die nötige Zustimmung | |
erhalten. | |
2 Feb 2025 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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