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# taz.de -- Weidel-Musk-Talk auf X: Kommunisten-Hitler und Mars-Besiedlung
> Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, hat Alice Weidel und der AfD in
> einem X-Talk eine Bühne geboten. Es wurde das erwartete Bullshit-Bingo.
Bild: Versucht nach dem Wahlsieg Trumps vermehrt, disruptiv in liberalen Demokr…
Berlin taz | Die Karte für das Bullshit-Bingo war recht schnell gefüllt:
[1][Hitler ein Kommunist], der die gesamte Deutsche Industrie verstaatlicht
habe, Angela Merkel sei eine grüne Kanzlerin gewesen, die Deutschlands
Rückgrat gebrochen habe, Antisemitismus sei etwas Linkes, in Deutschland
lerne man in den Schulen nur Genderstudies und überhaupt – der „Woke Mind
Virus“ greife hierzulande besonders schlimm um sich.
Bereits der Titel des X-Talks zwischen dem Tech-Oligarchen Elon Musk und
der AfD-Chefin Alice Weidel war eine Lüge – angekündigt war „ein Gespräch
mit der führenden Kandidatin für das Kanzleramt.“ Danach wurde es nicht
viel besser: Ins Gespräch stieg Musk ebenfalls damit ein, dass Weidel die
aussichtsreichste Kandidatin im Rennen um die Kanzlerschaft sei – obwohl
die extrem rechte Partei nach elf Jahren Radikalisierung bislang ohne
jegliche Koalitionsoptionen ist und mit unter 20 Prozent deutlich hinter
der CDU liegt.
Es folgte eine Dauerwerbesendung für die AfD, in der die
autoritär-nationalradikale Partei durch den reichsten Mann der Welt eine
Bühne gebaut bekam, um sich selbst zu verharmlosen. Weidel spulte in etwas
holprigem Schul-Englisch ihre Standardpunkte ab, offenbar ohne sich gut auf
das Gespräch vorbereitet zu haben. Die Folge waren zahlreiche Verdrehungen,
Halbwahrheiten und rechte Verschwörungsideologie zum Impfen und zur
Energiepolitik. Natürlich kam Musk auch auf seinen Lieblingsfeind George
Soros zu sprechen, ein beliebtes Ziel antisemitischer
Verschwörungserzählungen.
Kritische Nachfragen gab es erwartungsgemäß keine – dafür umso mehr
[2][Geschichtsrevisionismus] wie die [3][schmerzfreien Umdeutungsversuche
zu Hitler]. Entsprechenden Zitate verbreitete Musk im Anschluss an das
Gespräch als X-Posts. Das Interesse am Livestream blieb wohl trotzdem unter
den Erwartungen zurück: Im Maximum verfolgten um die 200.000 X-Accounts das
Gespräch. Eine Lanz-Sendung hat deutlich mehr Quote – und sicherlich
weniger Bots.
## Weidel kriecht vor Musk
Unangenehm anzusehen war insbesondere, wie sich Weidel vor dem
Tech-Milliardär in den Staub warf: Sie kicherte über seine Witze und fragte
ihn anbiedernd nach seinen Mars-Plänen. Schon vor dem Gespräch hatte sie
sich per Videobotschaft für dessen Wahlaufruf bedankt, den Musk zuletzt
auch [4][im Springer-Blatt Welt platzierte] und im Gespräch mit Weidel nun
erneuerte.
Diese bauchpinselte Musk dafür, dass er sich für die Meinungsfreiheit
einsetze – wohlgemerkt, nachdem dieser die Community-Regeln seiner
Social-Media-Plattform geschleift und unzählige Accounts von Neonazis und
Rechtsextremen reaktiviert hat. Die Hassrede ist auf X seither regelrecht
explodiert.
Weidels Unterwürfigkeit gipfelte darin, dass sie sich überschwänglich dafür
bedankte, dass sie Musk noch eine Frage zur Besiedelung des Mars stellen
durfte. Nach einer nicht enden wollenden Science-Fiction-Abhandlung fragte
Weidel noch: „Do you believe in god“ – „glaubst du an Gott?“. Er sei …
nicht sicher, antwortete Musk, er glaube an die Physik, gleichwohl sei
möglich, dass es irgendeine höhere Entität gäbe.
Weidel antwortete mit starkem deutschen Akzent: „Same here, I’m also still
on a search, i don't know what to believe.“ („Geht mir genau so, ich bin
auch noch auf der Suche, ich weiß nicht, was ich glauben soll.“) An einer
Stelle erklärte Musk, dass beim Raketenbauen kritisches Feedback wichtig
sei. „Yes“, war Weidels weniger kritische Antwort. Musk äffte sie nach:
„Yes, Yes, Yes“ und lachte darüber. Dann lachte auch Weidel. Ein Moment,
der zur Definition des Wortes „[5][Cringe]“ im Duden stehen könnte.
## Beobachter für den Digital-Services-Act
Mitleid ist angebracht für die bis zu [6][150 EU-Offiziellen, die das
Gespräch verfolgen mussten], um zu prüfen, dass Musk nicht gegen den
Digital-Services-Act der EU verstößt – etwa, indem er die Algorithmen
frisiert. Nach einem moralischen Totalausfall von Facebook-Gründer Mark
Zuckerberg stehen Social-Media-Plattformen unter besonderer Beobachtung.
Auch der Bundestag prüft bereits, [7][ob Musks Wahlkampfhilfe eine illegale
Parteienspende sein könnte].
Das Clowneske des Gesprächs hätte fast lustig sein können, wenn es nicht
auch bitterernst wäre: Hier greift der reichste Mann der Welt erneut massiv
in die Innenpolitik einer liberalen Demokratie ein, um autoritäre und
rechtsextreme Gruppen zu pushen. Zuerst tat Musk es in den USA, dann in
Brasilien, dann in England, jetzt tut er es in Deutschland. Man darf davon
ausgehen, dass es nicht die letzte Intervention Musks war. Nach dem von ihm
mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützten Trump-Wahlsieg hat Musk
offenbar Geschmack daran gefunden, auch andere autoritäre Formierungen zu
stärken.
## Der globale Oligarch
Die Soziologen Caroline Amlinger und Oliver Nachtwey nannten ihn in der
[8][FAZ jüngst den ersten globalen Oligarchen], weil er durch den Kauf von
Twitter einen Hebel habe, „um auch in andere politische Systeme disruptiv
einzugreifen“. Das habe sich etwa bei den pogromartigen Krawallen in
mehreren englischen Städten im letzten Jahr gezeigt, vor denen Musk
rassistisch agitierte und Desinformationen verbreitete.
Ideologisch sei Musk dabei in den letzten Jahren nach verschiedenen
Triggern, vor allem seit Corona-Beschränkungen während der Pandemie vom
politisch liberalen zum autoritären Agitator geworden – vor allem, weil
egalitäre Diversitätsforderungen die Leistungsgerechtigkeit bedrohten.
Seine disruptive Rebellion gegen die liberale Demokratie stammten dabei aus
einer radikalisierten kalifornischen Ideologie, in der Technologie die Welt
verbessern und den Einzelnen befreien soll.
Hinzu kommt sicher eine gute Portion ökonomischer Eigennutz, etwa wenn Musk
im Auftrag von Trump bald Behörden zurechtstutzen darf, die seinen Firmen
etwa Umweltregulierungen auferlegten.
## Fremdscham auch von rechts
In Weidels rechter Bubble kam das Gespräch allerdings nicht bei allen gut
an: Nach dem Ende des Talks dauerte es keine zwanzig Minuten, bis etwa
Weidels politische Feinde die zahlreichen peinlichen Momente ansprachen,
wiederum auf X: Ihr gerade ausgetretener Intimfeind Dirk Spaniel schrieb:
„Das Gespräch Musk/Weidel hat heute allen, die es verstanden haben, die
Augen geöffnet, wer da Kanzler werden will … Schade um die Chance.“
Und auch der völkische Aktivist Philipp Stein fällte ein vernichtendes
Urteil: „Dieses Gespräch kann sich niemand anhören, der noch bei Verstand
ist“. Bei den Völkischen mit stramm anti-amerikanischer Haltung dürfte das
anbiedernde Gespräch also eher für Fremdscham gesorgt haben. Und vermutlich
hat sich Weidel am Ende einen Gefallen damit getan, dass sie es war, die
das Gespräch nach 75 Minuten etwas abrupt abwürgte.
9 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.geschichte-statt-mythen.de/klassische-mythen/linke-nationalsozi…
[2] /AfD-und-Erinnerungskultur/!6058203
[3] https://www.geschichte-statt-mythen.de/klassische-mythen/linke-nationalsozi…
[4] /Musks-AfD-Wahlempfehlung-in-der-Welt/!6056513
[5] /Jugendwort-des-Jahres-2021/!5810402
[6] https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_10056…
[7] /Rechter-Wahlkampf-auf-X/!6061001
[8] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/elon-musk-der-chef-verstaer…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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