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# taz.de -- Soziologe Andrej Holm über Wohnpolitik: „Der Mietendeckel ist no…
> Ein bundesweiter Mietendeckel wäre verfassungsrechtlich machbar, sagt der
> Stadtsoziologe Andrej Holm. In Hamburg stellt er seine neue Publikation
> vor.
Bild: In Berlin ist der Mietendeckel Dauerthema: Demonstration am Potsdamer Pla…
taz: Herr Holm, ist die Forderung nach einem von der Politik beschlossenen
Mietendeckel nicht vollkommen hoffnungslos?
Andrej Holm: Ich habe mir kürzlich die Wahlkampfpositionen vor der letzten
Bundestagswahl 2021 angesehen: Auch die Partei des amtierenden
Bundeskanzlers forderte damals einen mehrjährigen Mietenstopp. Ein
bundesweiter Mietendeckel ist keine unrealistische Forderung, sondern vor
allem eine notwendige Maßnahme. Die Neubauziele werden regelmäßig verfehlt,
die Zahl der Sozialwohnungen schmilzt unvermindert ab und die
Mietpreisbremse konnte die Eskalation der Wiedervermietungsmieten nicht
verhindern. Ein bundesweiter Mietendeckel kann dieses Vakuum an
zielführenden Maßnahmen füllen und wäre sofort wirksam. Es lohnt sich also,
für die entsprechenden politischen Mehrheiten zu mobilisieren.
taz: Ist die Forderung nicht aber hoffnungslos, weil das
Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig
erklärt hatte?
Holm: Das Argument, Maßnahmen gegen steigende Mietpreise seien
verfassungswidrig, ist eine ritualisierte Reaktion der Immobilienlobby auf
fast alle mietenpolitischen Reformvorschläge. Gegen einen bundesweiten
Mietendeckel zieht das Argument jedoch nicht: Das Gericht hatte den
Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt, weil das Land Berlin nicht
zuständig war. Die Verantwortung beim Mietrecht liegt nicht bei
Landesregierungen, sondern beim Bund. Ein bundesweiter Mietendeckel wäre in
dieser Hinsicht also verfassungskonform.
taz: Würde ein bundesweiter Mietendeckel dann jede Mietwohnung in
Deutschland zu einem festen Quadratmeterpreis deckeln?
Holm: Der Mietendeckel wäre ein bundesweites Instrument zur regional
abgestuften Begrenzung der Miethöhe. Je angespannter die Marktlage, desto
strenger sollen die Auflagen des Mietendeckels greifen. Die Basis für die
Festlegung von Kappungsgrenzen des Mietendeckels soll die Gesamtheit der
lokal tatsächlich gezahlten Mieten sein und nicht nur die Mieten, die in
den vergangenen vier oder sechs Jahren abgeschlossenen oder erhöht wurden,
wie es bei den Mietspiegelerhebungen üblich ist. Neu am
Mietendeckelvorschlag ist auch, dass neben den Gebieten mit angespanntem
Wohnungsmarkt auch eine Gebietskategorie „Wohnungsnotlage“ eingeführt
werden soll, um dort ein zeitlich befristetes Mietenmoratorium zu
ermöglichen.
taz: Ein Mietendeckel ändert nichts daran, dass in den Ballungszentren
Wohnungen fehlen. Das Problem lässt sich durch einen Mietendeckel nicht
lösen, oder?
Holm: Ein Regenschirm schützt vor Regen, aber schafft keinen Sonnenschein.
So ist das auch beim [1][Mietendeckel]: Er soll Mietpreise kappen, aber ist
natürlich keine universale Antwort auf alle mietenpolitischen Probleme.
taz: Wenn Vermieter:innen weniger Miete kassieren, werden sie kaum mehr
die für die Klimapolitik notwendige [2][energetische Sanierung] wuppen
können oder wollen. Da rollt dann direkt die nächste große Aufgabe auf die
Politik zu?
Holm: Dafür werden wir sicherlich andere Instrumente brauchen, etwa
öffentliche Investitionsprogramme oder sinnvolle Formen der Umverteilung.
Diese Instrumente sind aber ohnehin notwendig, denn auch ohne Mietendeckel
wird bislang nicht ausreichend energetisch saniert. Ein Mietendeckel könnte
aber die Akzeptanz der Mieter:innen für energetische Maßnahmen erhöhen,
weil Modernisierungen dann nicht mehr zu Mietsteigerungen führen.
taz: Gerade wird um die Fortsetzung der [3][Mietpreisbremse] gerungen, mit
Chancen auf eine Verlängerung. Müsste das nicht erst in Angriff genommen
werden?
Holm: Seit 2015 gibt es die Mietpreisbremse und sie hat die Erhöhung von
Mieten offensichtlich nicht wirksam begrenzt: Angebotsmieten sind massiv
gestiegen, Bestandsmieten steigen weiter, vor allem Haushalte mit mittleren
und kleinen Einkommen haben Mietbelastungsquoten von [4][über 30 Prozent].
Alle, die es mit der sozialen Wohnversorgung wirklich ernst meinen, kommen
um einen Mietendeckel nicht umhin.
8 Jan 2025
## LINKS
[1] /Mietendeckel/!t5567229
[2] /Energetische-Sanierung/!t5424124
[3] /Mietpreisbremse/!t5014932
[4] /Studie-Paritaetischer-Wohlfahrtsverband/!6051376
## AUTOREN
André Zuschlag
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