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# taz.de -- Wer wird Landwirtschaftsminister?: Söders Bock als Gärtner
> Der CSU-Chef will am liebsten Günther Felßner zum nächsten
> Bundesagrarminister machen. Doch der Bauernlobbyist ist ein verurteilter
> Umweltsünder.
Bild: Großbauer, Umweltsünder und bald vielleicht Minister: Günther Felßner
Grünen-Politiker haben bei der Grünen Woche in Berlin traditionell einen
schweren Stand. Vor allem, wenn sie wie Cem Özdemir gerade
Bundeslandwirtschaftsminister sind, müssen sie sich auf der weltgrößten
Landwirtschaftsmesse stets der scharfen Kritik von Bauern stellen. Die
meisten Landwirte wählen eben lieber CDU oder CSU. Özdemir wird auch bei
der diesjährigen Ausgabe der Messe vom 17. bis 26. Januar wieder hören: Die
Grünen hätten doch keine Ahnung von der Landwirtschaft und wollten die
heimische Branche mit immer mehr Umweltgesetzen abwürgen.
Den künftigen Landwirtschaftsminister werden die Agrarunternehmer
wahrscheinlich viel freundlicher empfangen. Denn falls die Union die
Bundestagswahl gewinnt, könnte ein CSU-Politiker, Bauer und
Landwirtschaftslobbyist das Ressort leiten.
Schon im Oktober hat CSU-Chef Markus Söder das Ministerium für seine Partei
beansprucht und im November gesagt: Günther Felßner, Präsident des
Bayerischen Bauernverbands und Vizechef des Deutschen Bauernbands, ist „für
uns auch gesetzt als Minister“. Die Christsozialen haben schon oft das
Ministerium geführt, und Söders Anspruch ist so deutlich, dass es möglichen
Koalitionspartnern schwerfallen wird, ihn zu übergehen. CDU und CSU sind
[1][in Umfragen] derzeit mit rund 30 Prozent die stärkste Kraft.
Doch Günther Felßner ist umstritten. Das Amtsgericht Hersbruck verurteilte
den Milchbauern aus Franken 2018 zu einer Geldstrafe über 90 Tagessätze à
80 Euro wegen Boden- und Gewässerverunreinigung. Damals war er noch
Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes. Das Urteil und der
dazugehörige Strafbefehl liegen der taz vor.
## „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft
Mindestens seit Mitte 2011 war laut Strafbefehl Abwasser aus Futtersilos
von Felßners Betrieb über Rohre auf ein benachbartes Waldstück und in einen
Bach geflossen. Dies habe dazu geführt, dass „der Boden sowie das
Hangwasser und lokal das obere Grundwasser“ unter anderem mit Fäkalkeimen
und Nährstoffen wie Phosphor und Ammonium belastet waren. Wenn zu viel
Nährstoffe in einem Gewässer sind, kann das zum Beispiel ein Fischsterben
verursachen. Zudem können sie das ökologische Gleichgewicht im Boden
zerstören.
Das Fehlverhalten des Diplom-Agraringenieurs war kein einmaliger
Ausrutscher. Schon 2015 hatte das Landratsamt Nürnberger Land dem
Strafbefehl zufolge den Bauern aufgefordert, das Abwasserproblem zu lösen.
Stattdessen habe er im Mai 2016 ein weiteres Silo gebaut, das genauso
umweltschädlich entwässert wurde. „Sie nahmen dabei die Verunreinigung des
Bodens sowie des Grundwassers und die Gefahr der Schädigung des
Baumbestandes zumindest billigend in Kauf“, heißt es im Strafbefehl für
Felßner.
Nach langem Abstreiten schloss der Bauernfunktionär schließlich einen
„Deal“ mit Staatsanwaltschaft und Gericht: Er akzeptierte einen
Schuldspruch und bekam dafür eine niedrigere Strafe, als die
Staatsanwaltschaft ursprünglich gefordert hatte. Gerade so niedrig, dass
die Sanktion [2][nicht in seinem Führungszeugnis] auftaucht.
Sein Schuldeingeständnis ist bis heute aber allenfalls halbherzig: „Das war
ein Fehler, der in der Bewirtschaftung meines Hofes passiert ist – ein
formaler Fehler“, sagt der 58-Jährige der taz. „Ein Umweltschaden, in dem
Sinn, dass der Bach, das Grundwasser oder irgendwas Schaden genommen hätte,
den gab es nicht“, ergänzt er, obwohl er sich laut Strafbefehl der
„Bodenverunreinigung in Tateinheit mit Gewässerverunreinigung“ schuldig
gemacht hat.
## Gegen Umweltauflagen
Auch deswegen sagt Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen
Naturschutzrings: „Felßner ist ein rotes Tuch für die Umweltbewegung. Wir
haben schon den Eindruck, dass hier schlimmstenfalls der Bock zum Gärtner
gemacht wird.“ Schöne hat die Sorge, dass Felßner „sich eigentlich nicht
der weitergehenden Verantwortung des Landwirtschaftsressorts bewusst ist.
Das merkt man an seinem persönlichen Fehlverhalten.“ Man sollte jedem
Menschen eine zweite Chance geben, aber Felßners „Umweltsünden“ wögen
schwer. „Minister müssen ihr Amt abgeben wegen ungleich unrelevanterer
Verfehlungen.“
Die Landwirtschaft verursachte 2023 inklusive der Emissionen aus Böden und
Maschinen rund 14 Prozent der Treibhausgase in Deutschland, gibt das
Umweltbundesamt an. Exkremente des Viehs und zu viel Dünger verschmutzen
das Grundwasser. Und die Branche ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass
immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben.
Karl Bär, Obmann der Grünen im Bundestags-Agrarausschuss, sagt: „Wer ein
bisschen an Umweltschutz interessiert ist und sauberes Wasser zum Beispiel
möchte, sollte nicht CDU/CSU wählen.“ Die Botschaft von Felßners
Nominierung sei, dass der Union „Umweltschutz ganz offen nichts mehr wert
ist“.
Tatsächlich hat Felßner mehrfach gefordert, [3][Umweltauflagen für die
jährlich rund 55 Milliarden Euro EU-Agrarsubventionen abzubauen]. Für ihn
ist der Job der Bauern – Produktion und Verkauf von Nahrungsmitteln – eine
„öffentliche Leistung“, für die es Geld vom Staat geben sollte.
## „Zölibat fürs Ministeramt“
Dass ihm Umwelt nicht so wichtig sei, weist Felßner zurück. Er habe in
seiner Zeit beim Bauernverband zahlreiche Umweltprojekte auf die Beine
gestellt und mit Umweltverbänden zusammengearbeitet. Dass Landwirtschaft
und Umwelt „untrennbar“ zusammengehören, wenn es um Nachhaltigkeit geht,
sei für ihn unbestritten.
Die Organisation LobbyControl allerdings sieht bei Felßner einen
Interessenkonflikt: „Man muss sich fragen, ob ein Herr Felßner wirklich
unabhängig agieren kann, wenn er Landwirtschaftsminister ist“, sagt
Christina Deckwirth von LobbyControl. Die Frage sei, ob der bisherige
Lobbyist die verschiedenen Interessen im Bereich Landwirtschaft ausgewogen
vertreten könne. „Gerade auch, wenn er in der Vergangenheit Umweltregeln
nicht besonders gut eingehalten hat“. Das Ministerium müsse sich ja nicht
nur um die Anliegen der Bauern, sondern auch um die der Umwelt und
Verbraucher kümmern.
Der Bauernfunktionär selbst beteuert, er würde als Minister klar
unterscheiden können zwischen seinem Staatsamt und seiner früheren
Verbandsarbeit. Als Minister würde er auch alle anderen Ämter aufgeben,
verspricht Felßner. Er wisse noch nicht, ob er seinen Bauernhof behalten
könnte, für den er allein an EU-Agrarsubventionen im Haushaltsjahr 2023
rund 58.000 Euro bekam. „Alles, was eine Interessenkollision bedeuten
würde, möchte ich ausschließen. Das ist so eine Art Zölibat fürs
Ministeramt“, sagt der CSU-Politiker.
Christina Deckwirth weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Union
sehr scharf die Berufung von Patrick Graichen und Jennifer Morgan auf
Staatssekretärsposten in zwei von den Grünen geführten Bundesministerien
kritisiert habe. Graichen war Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende
gewesen, bevor er ins Wirtschafts- und Klimaministerium wechselte. Morgan
kam von Greenpeace ins Auswärtige Amt. „Das kann man durchaus kritisch
bewerten, aber es ist eben ein Unterschied, ob diese Personen sich für die
handfesten wirtschaftlichen Interessen einer Branche oder für ideelle
Themen wie etwa Umwelt- und Klimafragen einsetzen“, sagt Deckwirth. Anders
als Graichen und Morgan würde Felßner auch nicht nur Staatssekretär,
sondern Minister. „Er soll ja wirklich die zentrale Person zum Thema
Landwirtschaft werden in der Bundesregierung.“
## Kein Durchschnittsbauer
Diese Person gilt selbst innerhalb des sowieso schon kampflustigen
Bauernverbands als Hardliner. Bei den Bauernprotesten vor einem Jahr drohte
Felßner zum Beispiel: „Und wenn es sein muss, [4][werden wir Deutschland im
Januar mit anderen zusammen lahmlegen].“
Dirk Wiese, für Ernährung und Landwirtschaft zuständiger Vizechef der
SPD-Bundestagsfraktion, sagt deshalb: „Es wäre besser, jemanden zu haben,
der weniger polarisiert.“ Felßner antwortet, mit seiner „Lahmlegen“-Droh…
habe er nur sagen wollen: „Wenn die Bauern aufhören zu arbeiten und es
nichts mehr zu essen gibt, dann läuft das Land nicht mehr.“
Günther Felßners Betrieb ist für bayerische Verhältnisse
überdurchschnittlich groß: Er hat nach [5][Angaben des Bauernverbands]
einen Hof mit 160 Hektar Agrarfläche, 80 Kühen, 20 Hektar Wald und einer
Photovoltaikanlage. Das sind rund [6][80 Prozent mehr Milchkühe] und
[7][über 4-mal so viel Agrarfläche], wie der durchschnittliche Bauer im
Freistaat hat.
Ja, sein Betrieb sei groß, so Felßner. Aber er komme aus einer Region mit
besonders kleinen Höfen. Auch die habe er im Bauernverband schon immer
vertreten. „Ich bin ein Fan der kleinen Höfe.“
18 Jan 2025
## LINKS
[1] https://dawum.de/Bundestag/
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/bzrg/BJNR002430971.html
[3] https://www.wochenblatt-dlv.de/politik/felssner-fordert-gloez-klotzen-kleck…
[4] https://www.landundforst.de/politik/bauernpraesident-felssner-droht-deutsch…
[5] https://www.bauernverband.de/fileadmin/user_upload/dbv/der-verband/Praeside…
[6] https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/informationen/stati…
[7] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forst…
## AUTOREN
Jost Maurin
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