# taz.de -- Bundesparteitag der Linkspartei: Linkspartei wittert Morgenluft | |
> Die Linke zeigt sich optimistisch, den Wiedereinzug in den Bundestag zu | |
> schaffen. Im Zentrum ihres Wahlprogramms steht die soziale Gerechtigkeit. | |
Bild: Projekt „Silberlocke“: die Direktkandidaten Gregor Gysi, Bodo Ramelow… | |
Berlin taz | Heidi Reichinnek schließt ihre Rede mit einem Zitat von Rio | |
Reiser: „Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten.“ Bis vor | |
Kurzem wäre der Satz noch als eine jener Durchhalteparolen rübergekommen, | |
von denen es auf Parteitagen der Linken in den vergangenen Jahren schon so | |
viele gegeben hat. Doch das ist diesmal anders auf dem außerordentlichen | |
Bundesparteitag am Samstag in Berlin. | |
„Ich erlebe unsere Partei so befreit, so engagiert, so kämpferisch wie | |
schon lange nicht mehr“, ruft die 36-jährige Spitzenkandidatin für die | |
Bundestagswahl zum Abschluss in den Saal – und muss dabei nicht einmal | |
flunkern. „Es ist so ein Feuer in diesem Laden!“ | |
Das wirkt auf den ersten Blick erstaunlich. In fünf Wochen wird gewählt und | |
in der Sonntagsfrage steht die Linkspartei nach wie vor wie eingemauert nur | |
zwischen 3 und 4 Prozent. Aber Panik ist nicht die Stimmung in der Partei, | |
die sich vielmehr im Aufbruch sieht. | |
Das liegt an einem bemerkenswerten Mitgliederzuwachs: Rund 17.000 | |
Neuzugänge verzeichnet die Linke seit Anfang vergangenen Jahres, also seit | |
der [1][Abspaltung von Sahra Wagenknecht und ihrem „linkskonservativen“ | |
Anhang]. Austritte und Todesfälle gegengerechnet bedeutet das einen | |
Nettosteigerung von vorher rund 50.000 auf nun mehr als 60.000 Mitglieder. | |
Auf dem Parteitag lässt sich die Veränderung ablesen: Das | |
Durchschnittsalter der 500 Delegierten liegt bei nur 43 Jahren – so jung | |
war die Linke noch nie. | |
## Gesittete Diskussionen | |
Das alleine erklärt noch nicht die gute Stimmung in der „Station“, einem | |
zur Eventlocation umgebauten früheren Postbahnhof. Hinzu kommt: Auch das | |
Diskussionsklima hat sich verändert. Es wirkt nicht mehr so toxisch wie zu | |
früheren Zeiten, wo die verschiedenen Strömungen sich lieber selbst | |
zerfleischten als den politischen Gegner. | |
Mehr als 550 Änderungsanträge zum Bundestagswahlprogramm hatte es im | |
Vorfeld des Parteitags gegeben, davon blieben keine 50 übrig, über die | |
schließlich abgestimmt wurde – nach sachlicher Diskussion und ohne | |
irgendwelche hitzigen unerbittlichen Wortgefechte. | |
Nicht einmal der [2][Umgang mit dem Ukrainekrieg] sorgte für größeren | |
Streit: Mehrere Anträge, die darauf abzielten, den Überfall Russlands zu | |
relativieren oder sich gegen Sanktionen gegen Putins Autokratie | |
auszusprechen, wurden jeweils mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. | |
„Wir brauchen im Moment in der Ukraine mehr Diplomatie und nicht mehr | |
Waffen“, sagte der Co-Parteivorsitzende Jan van Aken. Genauso wahr jedoch | |
sei: „Ohne Freiheit und Demokratie in der Ukraine wird es auch keinen | |
Frieden geben.“ Die Linke lasse die Menschen in der Ukraine nicht im Stich. | |
Das sei der Unterschied zu „den Kremlparteien wie BSW und AfD“. Die Linke | |
sei „die Partei für den Frieden [3][ohne dieses verräterische ‚Ja, aber�… | |
## Gegen den Zeitgeist | |
Im Zentrum des Programms steht die soziale Gerechtigkeit. Mit einem | |
bundesweiten Mietendeckel, der Abschaffung der Mehrwertsteuer auf | |
Grundnahrungs- und Hygieneartikel, der Rückkehr zum 9-Euro-Ticket, einem | |
Klimageld, einem gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro und noch einigem mehr | |
will die Partei die Lebenssituation für die Mehrheit der Bevölkerung | |
verbessern. Mehrere Tausend Euro im Jahr würden Schlecht- bis | |
Normalverdiener die Verwirklichung der linken Pläne bringen, hat die Partei | |
errechnet. | |
Steuersenkungen für die große Masse stehen dabei Steuererhöhungen für | |
Wohlhabende gegenüber. Die Zeichen der Zeit – mit der [4][Aussicht auf eine | |
Kanzlerschaft von Friedrich Merz] – weisen in eine andere Richtung: auf | |
eine weitere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach | |
oben. Doch Aufgabe einer linken Opposition, so sagte Gregor Gysi in seiner | |
Parteitagsrede, sei es, „den Zeitgeist zu verändern“. | |
Der 77-jährige Gysi ist zusammen mit dem 68-jährigen Bodo Ramelow und dem | |
66-jährigen Dietmar Bartsch ein weiterer Grund für die zuversichtliche | |
Stimmung auf dem Parteitag. Denn das Altvorderentrio im Rentenalter hat | |
sich [5][auf die „Mission Silberlocke“ begeben]. Sie wollen mithelfen, der | |
Linken mindestens drei Grundmandate zu verschaffen. Die würden der Partei | |
selbst bei einem Scheitern an der Fünfprozenthürde den Wiedereinzug ins | |
Parlament sichern. | |
Chancen, einen Wahlkreis zu gewinnen, rechnet sich die Linke auch noch für | |
die Parteivorsitzende Ines Schwerdtner in Berlin-Lichtenberg und den | |
Bundestagsgruppenvorsitzenden Sören Pellmann in Leipzig-Süd aus. Die | |
Aussicht, dass er als Alterspräsident endlich einmal ohne Zeitbegrenzung | |
eine Rede im Bundestag halten könne, würde ihn schon enorm reizen, | |
frotzelte Gysi. | |
„Wir kommen sicher in den Bundestag“, rief Parteichefin Schwerdtner unter | |
großem Jubel in die Halle. Sicher ist das keineswegs. Aber es sieht auch | |
nicht mehr ganz so düster aus wie noch vor einiger Zeit. Die Linkspartei | |
schöpft wieder Mut. | |
19 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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