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# taz.de -- Künstler über US-Nachrichten: „Die Handgranate im System“
> Worte sind bei diesen Moderationen egal. Der Künstler Heiner Franzen
> beobachtet in seinen Videoprojekten das populistische Script in
> US-Nachrichten.
Bild: Endlich Ruhe: Schweigende US-Nachrichtenmoderatoren bei „Anchors“ von…
taz: Heiner Franzen, seit Jahren beobachten Sie das Auftreten von
US-Nachrichtenmoderator:innen. Wie war es nach Donald Trumps
[1][neuerlichem Wahlsieg?]
Heiner Franzen: Vielleicht gab es eine Schrecksekunde, auf CNN etwa. Aber
dann hat man sofort weitergequatscht. Die Obsession für Trump darf ja nicht
verschwinden, das ist das Geschäftsmodell. Wenn man sich durch die
Nachrichtenportale klickt, fällt sein Name meistens nach den ersten fünf
Sekunden.
Die Blöße, einfach mal innezuhalten, können sich die Moderatoren auf keinem
News-Kanal geben. Sie stellen sich gegenseitig unter totale Beobachtung,
macht man eine Pause, wird das beim Konkurrenzsender sofort ausgenutzt.
taz: Für Ihr Videoprojekt „Anchors“ schneiden Sie Clips von
US-Nachrichtensprecher:innen in dem Moment, in dem sie schweigen, sei es
wegen einer Störung oder weil sie gerade Gäste diskutieren lassen. Warum?
Franzen: Mich interessiert, was mit Präsenz in einem elektronischen Medium
geschieht. Schweigen meidet das Medium eigentlich. Die Leute schalten nach
sieben Sekunden Ruhe auf einen anderen Sender, besagt eine Regel. Wir gehen
immer mehr ins Digitale. Präsenz aber passiert im analogen Raum, etwa im
Theater. Dort kann bei Stille oder Leere auf der Bühne eine Spiegelung mit
dem Publikum entstehen. Gibt es auch solch eine Identifikation mit dem
Geschehen im Digitalen, frage ich mich.
taz: Wofür steht das steinerne Gesicht von Liz Wheeler, die Sie im Video
porträtieren?
Franzen: Liz Wheeler moderiert beim [2][One America News Network,] das ist
politisch noch weiter rechts als Fox News. Intelligente Frau. Sie hält
Monologe in meisterlicher Geschwindigkeit und kann sich gut artikulieren.
Indem sie irgendwelche Behauptungen aufstellt oder ablenkende Fakten
einwirft, nimmt sie ihre Gesprächspartner richtig auseinander. Dabei guckt
sie immer so starr in die Kamera mit dem von ihr selbst modulierten
Gesicht.
taz: Ist Liz Wheeler vielleicht KI-generiert?
Franzen: Ja, die KI könnte all das, was auf den Sendern passiert,
übernehmen: Vorhandenes einfach nur addieren. Was die KI aber noch nicht
kann, ist subtrahieren und Leere schaffen. Der französische Essayist Émile
Chartier hat mal gesagt: „Kein Satz kann den Satz sichern, der folgt.“ Eine
formalistische Theorie, in der Ungewissheit zur Existenz gehört. In den
Medien erleben wir gerade etwas Unlebendiges, nämlich den Versuch,
Wahrheiten herzustellen.
taz: Warum schalten Sie bei der Recherche den Ton ab?
Franzen: Was sich inhaltlich in den meisten Sendungen abspielt, ist
vorhersagbar, man muss gar nicht zuhören: Ein Gast wird mit einer Lüge
konfrontiert, windet sich raus und redet rein, bis der entnervte Moderator
ihn aus dem Bild nimmt – und ihn gleich für die nächste Sendung wieder
einlädt. Solch einem Script folgen Anderson Cooper oder Joy Reid auf CNN
ständig.
taz: Sie überlegen, Fox-News-Moderator Jesse Watters sei eine sardonische
Figur, ein Mephisto.
Franzen: Oder ein [3][Batman-Joker.] Ein Interview mit dem Premierminister
von Ontario, Kanada, leitete Watters neulich so ein: „Die Tatsache, dass
sie (die Kanadier) nicht wollen, dass wir sie erobern, weckt in mir den
Wunsch, einzumarschieren. Ich möchte meinen imperialistischen Durst
stillen.“ Von rechts bis links nehmen das alle wörtlich.
Das funktioniert, weil sich jeder auf seine Mimik einen eigenen Reim machen
kann: leichtes Grinsen, unbewegliches Gesicht, kaum ein Blinzeln. Damit ist
er die Handgranate im System. Als dramatische Figur ist das interessanter,
als ein Guter zu sein, der was aufbauen will. Auch Trump zitiert gerne mal
Bösewichte aus Filmen.
18 Jan 2025
## LINKS
[1] /Wie-er-die-US-Wahl-gewann/!6048033
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[3] /Comic-Verfilmung-Joker/!5628582
## AUTOREN
Sophie Jung
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