# taz.de -- Trumps Wahlkampf: Der Mega-MAGA-Medienmacher | |
> Der rechte Verschwörungserzähler Tucker Carlson verlor seinen Job als | |
> Fox-News-Moderator. Doch sein Einfluss auf die Republikaner ist so groß | |
> wie nie. | |
Bild: Trump-Freund Tucker Carlson spricht während der Turning Point Action Con… | |
Es gab im aktuellen US-Wahlkampf drei Momente innerhalb weniger Tage, in | |
denen der Einfluss, den der rechte Verschwörungsgläubige und | |
Ex-Fox-News-Moderator Tucker Carlson noch immer auf Donald Trump und die | |
Republikanische Partei hat, besonders deutlich wurde. Und die andeuten, | |
welche Rolle er im Falle eines Trump-Siegs am 5. November spielen könnte. | |
Am 13. Juli, nur Stunden nach dem versuchten Attentat auf Trump in | |
Pennsylvania, war es Carlson, der dafür sorgte, dass der parteilose Robert | |
F. Kennedy Jr. seine Kandidatur für das Weiße Haus zurückzog und nun Trump | |
unterstützt. Er startete [1][laut Vanity Fair ] einen gemeinsamen Chat mit | |
Trump und Kennedy, am selben Abend telefonierten die beiden Kandidaten. | |
Sechs Wochen später schied Kennedy aus. | |
Kennedys Unterstützung war alles andere als selbstverständlich, er und | |
Trump hatten sich in der Vergangenheit gegenseitig scharf kritisiert und | |
beleidigt. Doch in den vergangenen Jahren fiel der einstige Demokrat | |
Kennedy eher durch Verschwörungsmythen und Impfgegnertum auf – was Trump | |
Stimmen hätten kosten können. | |
Zwei Tage später, am 15. Juli, kündigte Trump [2][sein Running Mate an: JD | |
Vance], einen ultrakonservativen Populisten, der auf rechtsradikalen | |
Onlineplattformen gefeiert wird. Auch das war alles andere als | |
selbstverständlich. Vance hatte Trump mit Hitler verglichen, er nannte ihn | |
öffentlich einen „Idioten“. Ein erfahrener Politiker ist er auch nicht: | |
Erst seit 2023 sitzt der 40-Jährige im Senat, sein erstes Amt. | |
Schon wieder spielte Carlson dabei eine entscheidende Rolle: Dass Vance’ | |
Name für die Nominierung als Vizekandidat überhaupt im Spiel war, hat er | |
auch ihm zu verdanken: Zwischen 2018 und 2023 war Vance 46 Mal bei „Tucker | |
Carlson Tonight“, Carlsons Flaggschiff-Sendung auf Fox News, zu Gast. Und | |
als Carlson hörte, dass Trump wegen der Nominierung unentschieden sei, rief | |
er ihn an mit einer „apokalyptischen Warnung“, [3][wie die New York Times | |
berichtet]. Er sagte, dass man Vance’ Konkurrenten Marco Rubio nicht | |
vertrauen könne und seine Ernennung dazu führen könnte, dass der „Deep | |
State“ Trump töte. | |
Der dritte Moment ereignete sich am 18. Juli: Tucker Carlson hielt eine | |
Keynote-Rede beim republikanischen Parteitag in Milwaukee, wo er davor | |
warnte, wie das Land in Tyrannei verfallen würde, sollte Trump die Wahl | |
nicht gewinnen – zu tobendem Applaus und Standing Ovations. Fast als wäre | |
er der eigentliche Star des Kongresses. | |
Für Carlson stellen diese drei Schlüsselmomente nichts Geringeres als einen | |
Coup dar. Denn sie zeigen, welche Macht er mehr als ein Jahr nach seinem | |
Rauswurf von Fox News noch hat, nachdem viele ihn als politische Kraft | |
abgeschrieben hatten. | |
1969 geboren, fing Carlson seine Medienkarriere in den Nullerjahren als | |
politischer Kommentator bei CNN an, bevor er zu MSNBC wechselte. 2010 | |
gründete er „The Daily Caller“ mit – eine einflussreiche, rechte | |
Nachrichtenseite, die immer wieder durch Falschinformationen auffällt. Doch | |
es war vor allem die Talkshow „Tucker Carlson Tonight“ bei Fox News, die | |
ihn zum Star machte. Die Sendung, die er von 2016 bis 2023 moderierte, war | |
die meistgeschaute Nachrichtensendung in der Geschichte des US-Fernsehens. | |
Zum Höhepunkt schalteten rund 4,5 Millionen Menschen ein. | |
Carlson nutzte diese Reichweite, um rechtsextreme Narrative wie die Idee | |
eines „großen Austauschs“ zu verbreiten – eine rassistische | |
Verschwörungserzählung, nach der die „weiße Rasse“ durch Migration | |
ausgelöscht werden soll. Die sonstigen Feindbilder: die Demokraten, | |
Hollywood, LGBTQ-Menschen, der „Deep State“, die „Black Lives | |
Matter“-Bewegung und viele andere. | |
„Er kann rechtsradikale Konzepte und Verschwörungserzählungen für ein | |
Mainstream-Publikum gut übersetzen“, erklärt die Rechtsextremismus-Expertin | |
Hannah Gais vom Southern Poverty Law Center zur taz. „Und er kann die | |
Ängste und Paranoia der Online-Alt-Right auch im Fernsehen vermitteln.“ | |
Carlson wurde ab 2016 zum mächtigsten Medienmacher der US-Rechten. Er | |
setzte deren politische Agenda, beeinflusste Vorwahlen und Kabinettsposten | |
und lieferte die Talking Points der MAGA-Bewegung um Trump. Carlson wurde | |
zu Trumps medialem Verteidiger während seiner ersten Amtszeit, auch wenn er | |
persönlich oft auf Distanz zu ihm ging und in privaten Nachrichten, die | |
durch einen Rechtsstreit öffentlich wurden, schrieb, dass er ihn | |
„leidenschaftlich“ hasse und Trump eine „dämonische Kraft“ sei. | |
Bereits vor Trumps Wahlniederlage 2020 spekulierten einige in | |
Republikanerkreisen, dass Carlson 2024 antreten könnte. „Er ist ein | |
talentierter Kommunikator mit einer großen Plattform“, sagte damals ein | |
Parteistratege. Er wäre als Kandidat „formidabel“. 2023 sagte Trump, er | |
könnte sich Carlson als seinen Vize vorstellen, worauf Carlson sich | |
überraschend bescheiden verhielt und sagte, er sei dazu nicht geeignet. | |
Carlsons populistische bis rechtsradikale Rhetorik kostete seine Sendung | |
aber immer mehr Werbekunden. Im April 2023 beendete Fox News überraschend | |
die Zusammenarbeit mit ihrem Star. Einen offiziellen Grund nannte der | |
Sender nicht. | |
In seinem Buch „Network of Lies“ schreibt der CNN-Journalist Brian Stelter, | |
dass Carlson für Fox zu giftig geworden sei: „Carlson hatte so viele | |
Menschen entfremdet, so viele interne und externe Skandale angezettelt und | |
so viele Flammen der Gehässigkeit geschürt, dass seine Entlassung | |
unvermeidlich war.“ Lachlan Murdoch, der Sohn von Rupert Murdoch und damals | |
Chef vom Mutterkonzern News Corp, habe Carlson deshalb den Stecker gezogen, | |
so Stelter. | |
Carlson hat sein Millionenpublikum bei Fox News zwar verloren. Sein | |
X-Account zählt aber bis heute mehr als 14 Millionen Follower, auf Youtube | |
hat er 3,2 Millionen Abonnenten. Sein neues Format „Tucker Carlson Show“ | |
ist aktuell auf Platz vier der Podcast-Charts auf Spotify, zwischenzeitlich | |
war sie sogar auf Platz eins, in den Apple-Charts ist sie aktuell auf Platz | |
sechs. Und im Dezember startete er einen eigenen Streamingdienst, das | |
„Tucker Carlson Network“, das laut eigenen Angaben 400.000 Abonnenten hat: | |
Neben der „Tucker Carlson Show“ kann man auch andere Formate wie „Ask | |
Tucker“, „TC Shorts“ oder „Tucker Carlson Uncensored“ streamen. | |
Ohne die Aufsicht eines großen Medienunternehmens wird sein Kurs noch | |
extremer. „Jetzt lädt er noch radikalere Figuren in seine Sendung ein“, | |
sagt Hannah Gais vom Southern Poverty Law Center. „Es gibt kaum noch | |
Brandmauern“. So reiste Carlson im Februar nach Moskau, um Wladimir Putin | |
zu interviewen, und bot ihm eine Bühne, unwidersprochen russische | |
Propaganda zu verbreiten. Das über zwei Stunden lange Interview wurde auf X | |
mehr als 200 Millionen Mal angeschaut. Im September lud Carlson [4][den | |
Holocaustrelativierer Darryl Cooper] in seine Sendung, die auf X über 34 | |
Millionen Mal angeschaut wurde. | |
Carlson hat den jüdischen Ukraine-Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als | |
„rattenartig“ bezeichnet und behauptete, er würde Christen verfolgen. | |
„Proisraelischen Geldgebern“ der Harvard-Universität warf Carlson einen | |
„weißen Genozid“ vor – eine antisemitische Variante des „großen | |
Austausches“. | |
Geschmälert hat das Carlsons Einfluss in der republikanischen Partei nicht, | |
im Gegenteil. Trump gewährte Carlsons Team einen exklusiven Blick hinter | |
den Kulissen seines Wahlkampfes für eine neue Dokuserie, die seit Oktober | |
auf seiner Onlineplattform gestreamt werden kann. | |
Im September durfte Carlson als Teil seiner „Live Tour“ in einem | |
Eishockey-Stadion im Swing State Pennsylvania den Vizekandidaten Vance | |
interviewen. Die Tickets kosteten bis zu 1.600 US-Dollar. Der Erlös ging | |
nicht an den Wahlkampf der Republikaner, sondern an das Tucker Carlson | |
Network. | |
Tucker Carlson ist bis heute eine Schlüsselfigur der US-Rechten. Seine | |
Reichweite mag insgesamt geringer geworden sein, doch er hat so viel | |
Einfluss auf die Republikaner wie noch nie. | |
Und im Gegensatz zu Trump und Vance ist er jemand, der sich keine Sorgen um | |
die Größe seines Publikums machen muss. Sollte Donald Trump die Wahl am 5. | |
November gewinnen, könnte Carlson seine zweite Amtszeit deutlich prägen. | |
Doch sollte Trump verlieren, ist es alles andere als ausgemacht, dass Vance | |
sein Nachfolger sein wird. | |
27 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.vanityfair.com/news/story/donald-trump-rfk-jr-alliance | |
[2] /US-Wahl-2024/!6023529 | |
[3] https://www.nytimes.com/2024/07/16/us/politics/trump-vance-vp-decision.html | |
[4] /Antisemitischer-Gast-bei-Tucker-Carlson/!6032453 | |
## AUTOREN | |
Nicholas Potter | |
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