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# taz.de -- Polizeikosten für Fußballclubs: Gespieltes Hochrisiko
> Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Fußballvereine müssen für
> Mehrkosten zahlen. Die Konsequenzen sehen nicht für jeden Club gleich
> aus.
Bild: Fans beim Spiel Babelsberg 03 gegen Energie Cottbus im September 2024
Fußball ist ein Sport des Extremen und Absoluten: Es geht um extreme
Gefühle, absolute Loyalität, um alles oder nichts. Das Urteil wiederum, das
das [1][Bundesverfassungsgericht am Dienstag gefällt] hat, lässt sich nicht
so eindeutig einordnen, einfach gut oder schlecht finden, wie man Dinge im
Fußballkosmos eigentlich einfach gut oder schlecht findet. Möglicherweise
liegt es daran, dass organisierte Fans auf einmal auf der gleichen Seite
stehen wie ihnen ansonsten verhasste Funktionäre, die sie für den
[2][Ausverkauf des Fußballs] kritisieren.
Nach jahrelangem Rechtsstreit zwischen der Deutschen Fußball Liga (DFL) und
der Stadt Bremen hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die Stadt
sehr wohl Gebühren für den zusätzlichen Polizeiaufwand bei sogenannten
Hochrisikospielen erheben kann. Seine Rechnungen an den Verein Werder
Bremen hatte die Stadt [3][auf Grundlage eines Gesetzes] gestellt, das ihr
erlaubt, bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten
Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen polizeiliche Mehrkosten in
Rechnung zu stellen.
Die erste von mehreren Rechnungen in Höhe von rund 400.000 Euro hatte die
Stadt 2015 anlässlich des Nordderbys zwischen Werder Bremen und dem
Hamburger SV verschickt. Gerichtspräsident Stephan Harbarth [4][begründete
das Urteil] nun damit, das verfassungsrechtlich [5][legitime Ziel der
Regelung] sei, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie veranlasst
hat und der die Gewinne aus der Veranstaltung zieht.
Die DFL hat in der Saison 2023/24 einen [6][Umsatz von über 5 Milliarden
Euro] gemacht. Und sowieso: Der Profifußball, der mit Geld in
astronomischer Höhe um sich wirft, soll der Gesellschaft, die ihn
ermöglicht, ruhig etwas zurückgeben. Wer das Thema aber damit abhakt, macht
es sich zu einfach.
Denn erstens: Fußball ist [7][nicht gleich Fußball]. Hochrisikospiele gibt
es nicht nur in der lukrativen Bundesliga, sondern auch in den
viertklassigen Regionalligen, in denen die Grenze von 5.000
Zuschauer:innen gerne auch mal überschritten wird. Eine Rechnung von
einer knappen halben Million würde aber den Jahresetat eines
durchschnittlichen Viertligisten sprengen. Viele Menschen stehen Woche für
Woche auch in Stadien niedrigklassigerer Ligen, teilweise in bewusster
Abgrenzung zum hyperkommerzialisierten Profifußball. Sie sollten nicht für
die Maßlosigkeiten der Größten bestraft werden. Den Amateurfußball so zu
schwächen, würde bedeuten, den Fußball als Breitensport noch weiter zu
vernachlässigen. Genau hier aber liegt der große gesellschaftliche Mehrwert
für die Vielen.
Zweitens sollte die Fanperspektive beim Umgang mit dem Urteil nicht
untergehen. Und aus dieser sieht es düster aus, wenn die beteiligten
Akteure keinen vernünftigen Umgang finden. Fans von Bundesligisten könnten
bald noch höhere Eintrittspreise zahlen, weil die Clubs die Polizeikosten
auf Tickets umlegen. Das wäre ein weiterer Schritt in Richtung
Kommerzialisierung und würde weitere Menschen vom Stadiongang ausschließen.
Wenn ein niedrigklassiger Verein sich die Polizeirechnungen für ein
Hochrisikospiel nicht leisten kann, könnte er Auswärtsfans ausschließen.
In beiden Fällen würde sich der Fußballbetrieb weiter von den Fans
entkoppeln. Dabei wurde doch bei den [8][Geisterspielen während der
Corona-Pandemie] deutlich sichtbar, wie langweilig Fußball ohne Fans und
Fankultur ist. Stadien sind als Kulturorte nicht weniger wichtig als
Theater, Museen oder Opern. Insofern gibt es sehr wohl eine öffentliche
Verantwortung, den Zugang zu ihnen aufrechtzuerhalten – auch für Menschen,
die nicht viel Geld haben für teure Tickets.
Drittens kann man, nachdem man jene Vielfalt der Fußballwelten und
Fankulturen verinnerlicht hat, doch ganz froh sein über das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts. Denn es zwingt alle Beteiligten, sich noch
einmal grundsätzlich Gedanken über das Thema Sicherheit im Fußball zu
machen. Wenn Vereine zahlen müssen, dann ist es ihnen wahrscheinlich nicht
mehr so egal, wenn ein Polizeieinsatz überzogen ist.
Und die Vereine fragen sich dann eher, wie sie und die Politik wertvolle
sozialpädagogische Fanarbeit besser unterstützen können. Weil Sicherheit
nicht allein repressiv, sondern auch präventiv gewährleistet werden kann,
was ohnehin viel besser ist; und weil niemand einen besseren Zugang zu Fans
hat, als Menschen, die in Fanprojekten arbeiten und wissen, wovon sie
sprechen.
Das Gute ist, dass das Bundesverfassungsgericht keine pauschalen Lösungen
vorgibt, sondern einen Rahmen schafft für unterschiedliche Lösungen in
verschiedenen Fußballwelten. Auf die Frage nach dem Lieblingsverein mag es
eine eindeutige Antwort geben. Was das neue Gerichtsurteil bedeutet, hängt
aber davon ab, ob man im Bremer Weserstadion steht oder im Babelsberger
Karl-Liebknecht-Stadion.
17 Jan 2025
## LINKS
[1] /Polizeikosten-fuer-Hochrisikospiele/!6058654
[2] /Zukunft-des-Fussballs/!5992256
[3] /Polizeigebuehren-bei-Fussballspielen/!6058816
[4] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2025/0…
[5] /Polizeigebuehren-bei-Bundesliga-Spielen/!6058681
[6] /!6003508/
[7] /Zukunft-des-Fussballs/!5992256
[8] /Coronakrise-mit-Geisterspiel/!5675194
## AUTOREN
Volkan Ağar
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Fußball
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