# taz.de -- Strategien zur Klimarettung: Klimapopulismus, ja bitte! | |
> Ernst gemeinte Klimapolitik bringt tiefgreifende Veränderungen von | |
> Lebensweisen mit sich. Umso wichtiger ist es, die Lasten gerecht zu | |
> verteilen. | |
Bild: „Dem Reichtum gelingt es, eine Aura der Unangreifbarkeit um sich herum … | |
Ist es Populismus, Klimaschutz mit Umverteilung zu verbinden? Ist es also | |
populistisch zu fordern, Gerechtigkeitsmaßstäbe an Klimapolitik anzulegen? | |
Kurz zur Definition: Als „populistisch“ lässt sich eine Politik | |
beschreiben, die in mutwilliger Verkennung der Realität und ihrer | |
Komplexitäten ein „Wir“ gegen „Die da (oben)“ setzt, eine Politik, die | |
Emotionen schürt, wo vielmehr Erklärungen angebracht wären. | |
Aber braucht es noch Erklärungen – ist nicht alles ausreichend erklärt? Das | |
ist zuletzt auch die Frage von ökologischen Linken gewesen: Wer weiß denn | |
noch nicht, dass wir aufhören müssen, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen? Und | |
wenn also alles auserklärt ist, was wären dann Mittel, um den notwendigen | |
Wandel herbeizuführen, nachdem Jahrzehnte des Erklärens uns aktuell zu | |
Donald Trump und Friedrich „Windräder sind hässlich“ Merz geführt haben? | |
Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass der Rechtsruck in Europa, in den | |
USA und anderswo nicht nur, aber mindestens auch eine Reaktion darauf ist, | |
dass die Mehrheit der Leute durchaus verstanden hat, welche tiefgreifenden | |
Veränderungen von Konsum- und Lebensweisen eine ernst gemeinte Klimapolitik | |
hätte. Klimaschutz wird kosten. Das macht Angst, und darum wählt man lieber | |
konservativ und auch rechtsextrem, wo versprochen wird, dass das mit dem | |
Klima doch Quatsch und es viel wichtiger ist, die Ausländer wieder | |
loszuwerden. | |
## Privates Propellerflugzeug | |
Als „linker Klimapopulismus“ [1][wurde] hier – einen Beitrag aus dem neue… | |
wunderbar ambitionierten [2][Surplus-Magazin] zitierend – die Idee | |
beschrieben, mit der Verteilungsfrage gegen diese Ängste anzuarbeiten. | |
Genau das versucht etwa die Linkspartei, die Klimaschutz und Energiewende | |
mit allerlei Belastungen für Wohlhabende und Superreiche verbindet. | |
Friedrich Merz’ „privates Propellerflugzeug“ („kein Privatjet“, | |
[3][korrigierte der Stern] diese Woche) ist hier beliebter talking point. | |
Die Linkspartei ist nicht allein: Campact, Deutschlands stärkste | |
Kampagnen-Organisation mit Klimaschwerpunkt, macht seit dieser Woche | |
[4][Stimmung gegen den „Multimillionär“ Merz]. Greenpeace legte Anfang | |
Dezember mit „Billions for Millions“ ein [5][Konzept einer | |
Milliardärssteuer] für etwa 5.000 Hochvermögende in Deutschland vor, wovon | |
ökologische Mobilität, energetische Sanierungen und so weiter bezahlt | |
werden sollen. Als Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck die Idee übernahm, | |
bekam er dafür gleich schon wieder so auf den Deckel, dass die Grünen | |
seither nur noch „global“ hauchen, die Steuer müsse es natürlich „weltw… | |
geben – also nie, heißt das. | |
Womit die Grünen natürlich hoffen, das Thema gleichzeitig zu bedienen und | |
abzumoderieren. Schließlich weiß man, was Vermögende mit ihrem Geld machen, | |
wenn ihnen die Bedingungen vor Ort nicht mehr gefallen – sie schaffen es | |
halt ins Ausland. Und wenn man das zu unterbinden versucht, schreien sie | |
Diktatur und Kommunismus. | |
Nun werden die Schwierigkeiten, Reichtum halbwegs angemessen zu besteuern, | |
seit Jahrzehnten je nach Gesinnung eher anklagend, eher schulterzuckend | |
oder eher höhnisch vorgetragen. Aber ist ein Ziel populistisch, weil es | |
schwierig zu erreichen ist? Frankreichs Präsident François Hollande erntete | |
Spott und Häme, als er 2015 seine 75-Prozent-Reichensteuer [6][nach nur | |
einem Jahr wieder abschaffte]. Der Schauspieler Gérard Depardieu war darob | |
russischer Staatsbürger geworden. | |
## Die Angst der Mittelschichten | |
Es ist politisch heikel, Klimaschutz und Verteilungsfragen | |
zusammenzuführen. Die Zustimmung, die man bei Nicht-so-gut-Verdienern damit | |
zu generieren hofft, verliert man nicht nur am oberen, meinungsbildenden | |
Ende der Einkommensskala. Denn auch die Mittelschichten haben ja guten | |
Grund, mindestens verwirrt zu sein und gleichzeitig um ihren Wohlstand zu | |
fürchten und sich für zu reich zu halten. Denn stets heißt es zwar, von | |
Reichen- und Vermögenssteuerkonzepten würden sie in Ruhe gelassen – „Omas | |
klein Häuschen ist nicht mitgemeint!“. Andererseits wissen die | |
Mittelschichten, wenn tatsächlich was passiert, sind sie als Einzige dran – | |
man denke an die urplötzliche Belastung der Betriebsrenten mit vollen | |
Krankenkassenbeiträgen 2004 durch Rot-Grün. | |
Zweifel, auch Unglaube, dass echte Umverteilung gelingen könnte, sind | |
berechtigt. Aber das liegt nicht nur an Feigheit und/oder Unvermögen aller | |
Mitte-links-Regierungen der jüngeren Zeit. Dem Reichtum gelingt es, eine | |
Aura der Unerreichbarkeit und Unangreifbarkeit um sich herum zu schaffen. | |
Die einschlägige Wirtschaftspresse, die Unternehmens- und | |
Steuerberatungsindustrie, [7][die Lobbyarbeit der „Familienunternehmer“] | |
helfen dabei, aber auch die stetige Denunziation jeder Gerechtigkeitsfrage | |
an den Küchentischen als „Neiddebatte“. | |
Von „Klimapopulismus“ zu sprechen, wo erst einmal nur eine faire Verteilung | |
der Klimaschutzkosten gemeint ist, macht das jedenfalls nicht besser. Was | |
gelingen müsste: Vorschläge und dazu die passende Sprache für eine gerechte | |
Ökologie zu finden, womit, ja, auch Gefühle geweckt werden. Dazu: sich | |
nicht von der Unmöglichkeits- und Bereicherungspropaganda der oberen paar | |
Zehntausend beeindrucken lassen. Eine schöne Aufgabenstellung für alle, | |
denen an Klimaschutz gelegen ist – also einer Mehrheit. | |
17 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Strategien-der-Klimabewegung/!6058836 | |
[2] https://www.surplusmagazin.de/warum-wir-einen-klimapopulismus-brauchen/ | |
[3] https://www.stern.de/politik/duerfte-friedrich-merz-als-kanzler-die-regieru… | |
[4] https://www.campact.de/bundestagswahl-2025/merz-millionaer/ | |
[5] https://www.greenpeace.de/publikationen/billions-for-millions | |
[6] https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/frankreich-adieu-reichensteuer-1.228… | |
[7] /ZDF-Doku-ueber-Vermoegenssteuer/!6042735 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
## TAGS | |
Klima | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Populismus | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
GNS | |
Feminismus | |
Klima | |
Klima | |
wochentaz | |
Politisches Buch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Feministische Demo in Berlin: Der Angst trotzen | |
Tausende Menschen protestieren gegen Trump und den weltweit zunehmenden | |
Rechtsruck. Sie sorgen sich um die Auswirkungen auf Frauen, Trans und | |
Queers. | |
Offener Brief Netzwerk Klimajournalismus: Mehr Klima bitte | |
Die Klimakrise bleibt im Wahlkampf oft unberücksichtigt. Das Netzwerk | |
Klimajournalismus fordert in einem offenen Brief mehr Einsatz der Medien. | |
Strategien der Klimabewegung: Populismus oder Preppen? | |
Der Kampf gegen die Klimakrise ist selbst in der Krise. Und jetzt? In der | |
Linken werden derzeit zwei gegensätzliche Lösungen diskutiert. | |
10 Ideen von Intellektuellen: Wie retten wir die Demokratie? | |
Rechtsruck, Klimakrise, Autokraten – die Liste der Bedrohnungen können | |
viele Menschen nicht mehr hören. Zehn Vorschläge für ein Demokratie-Update. | |
Buch „Die populistische Vernunft“: Sich die Hände schmutzig machen | |
Hilft es, den Populismus einfach zu ignorieren? Ernesto Laclau zufolge | |
nicht. Sein theoriepolitischer Klassiker liegt nun auf Deutsch vor. |