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# taz.de -- ZDF-Doku über Vermögenssteuer: Mysteriöse Drahtzieher
> Die ZDF-Doku „Steuerparadies Deutschland“ will ganz nah ran an den
> Vermögensteuer-Diskurs. Und an einen mächtigen Verein von
> Unternehmerïnnen.
Bild: Gute Sicht von da oben …
Noch nie kam er so nah dran an den Kern von Geld, Macht und Einfluss. Dabei
gehe es in der neuen Doku von Hauke Wendler „nur um [1][Steuerpolitik]“.
Das erzählt der Filmemacher so im Intro. Die neue „ZDF frontal“-Doku
verspricht große Enthüllungen, doch liefert sie die auch?
Der 35-minütige Film beleuchtet die Geschichte der Vermögensteuer in
Deutschland und die Folgen der daraus resultierenden finanziellen
Ungleichheit. Vor 27 Jahren setzte die Regierungskoalition aus Union und
FDP unter Kanzler [2][Helmut Kohl] die Vermögensteuer aus. De facto
handelte es sich jedoch um eine Abschaffung des Gesetzes. Nachdem das
Bundesverfassungsgericht 1995 entschieden hatte, dass das
Vermögensteuergesetz überarbeitet werden müsste, ließ es Schwarz-Gelb unter
den Tisch fallen. Der Staat verzichtet seitdem auf mehrere 100 Milliarden
Euro Einnahmen.
Was seitdem passiert ist, spüren sehr viele am eigenen Geldbeutel: [3][Die
Schere zwischen Arm und Reich] geht immer weiter auseinander. Deutschland
ist eine der ungleichsten Demokratien weltweit: Die ärmere Hälfte der
Bevölkerung besitzt fast nichts. Die reichsten 0,1 Prozent der Deutschen,
80.000 Menschen, halten zusammen bis zu 20 Prozent des Vermögens im ganzen
Land.
„Frontal“ spricht mit Befürworter*innen und Gegner*innen einer
Vermögensteuer und erklärt anhand von Archivmaterial den politischen
Diskurs in den 1990er Jahren, der dazu führte, dass die Politik nie eine
Reform des Gesetzes beschlossen hat. Die Doku bleibt trotz der Dichte an
Informationen und Rekonstruktion von vergangenen Debatten an diesem Punkt
nicht stehen. Sondern sie blickt auch in die trübe Zukunft einer
Vermögensteuer. Also auf Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union für die
Bundestagswahl 2025.
## „Die Familienunternehmer“
Neben dem Einfluss der Politik beschäftigen sich die Filmemacher auch mit
einem besonders einflussreichen Lobbyverein: „die Familienunternehmer“.
Getarnt als Interessenverband mittelständischer Unternehmer, handelt es
sich dabei eigentlich um einen Club aus Superreichen, Vermögensverwaltern
und Vertretern großer Unternehmen. Mit Kampagnen versuchen sie, sich gegen
die stärkere Besteuerung ihres Reichtums einzusetzen.
Sind diese Drahtzieher denn der machtvolle Kern, dem Hauke Wendler laut
seinem Versprechen im Intro so nahegekommen ist wie nie zuvor?
Falls ja: Sein Versprechen ist falsch. Die Annäherung gelingt ihm und
seinem Team nicht. Das ist die größte Schwachstelle der Dokumentation. Bis
zur Einführung des Lobbyvereins ist der Film eine ein wenig eingeschlafene,
aber gut erklärte Zusammenfassung zum Stand der Vermögensteuerpolitik. Der
mysteriöse Verband und seine Machenschaften hätten einen tieferen Einblick
in die tatsächliche Arbeit gegeben, die die Besteuerung von Reichen so
erfolgreich verhindert. Doch „die Familienunternehmer“ verweigern leider
das Gespräch mit dem ZDF.
Der Unternehmer, der stattdessen die Argumente gegen eine Besteuerung von
Vermögen aufzählen darf (Im Kern: Das Vermögen fließe doch zurück in das
Unternehmen und ermögliche so weitere Investitionen), wird im nächsten
Moment von der Politologin und Steuerexpertin entwaffnet (empirische Belege
für einen Verlust der Arbeitsplätze bei Vermögenbesteuerung gebe es nicht).
Einen großen Gegenspieler, der ein wenig Spannung in die sonst – sind wir
mal ehrlich – dröge Thematik der Finanzpolitik bringen würde, vermisst man
als Zuschauerin. Auch sonst glänzt die Doku mit dem klassischen
Schnittbildern einer öffentlich-rechtlichen Fernsehproduktion: Hauke
Wendler fährt zum Termin mit dem Auto, Hauke Wendler sitzt hinten im Auto
und liest Dokumente, Hauke Wendler begrüßt die Interviewpartner*innen.
Hätte man diese Momente einfach weggelassen, der Film wäre mindestens
wenige Minuten kürzer und flotter. Dass eine Produktion für „ZDF frontal“,
nicht das gekünstelte Drama von einer Netflix-Produktion à la „Dirty Money�…
mitbringt, ist klar. Es müssen auch keine treibenden Beats einfliegende
Tortengrafiken untermalen. Es ist schon löblich, dass kein Sparschwein als
Symbolbild zwischen Szenen hat herhalten müssen. Die Doku versteht, und das
ist das Wichtigste, mit den Tatsachen Eindruck zu hinterlassen: Deutschland
hat zwar die Mittel, aber nicht den Willen, die Ungleichheit in der
Gesellschaft zu verringern.
„Steuerparadies Deutschland“, ZDF-Mediathek
30 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Anastasia Zejneli
## TAGS
Schwerpunkt Armut
Steuerpolitik
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Ungleichheit
Kolumne Economy, bitch
Schwerpunkt LGBTQIA
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