# taz.de -- Grünen-Pläne zur Krankenversicherung: Ohne Schutzschild aus der D… | |
> Wirtschaftsminister Robert Habeck fordert Abgaben auf Kapitalerträge und | |
> bekommt erstmals im Wahlkampf Vorwürfe ab. Seine Verteidigung ist | |
> halbherzig. | |
Bild: Heizungsgesetz reloaded? Die Springer-Presse titelt schon: „So will Hab… | |
Berlin taz | Am Dienstag startete Robert Habeck eine halbe | |
Vorwärtsverteidigung. Am Vormittag war er zu Gast auf einer Klausur des | |
Grünen-Fraktionsvorstands im Reichstagsgebäude. Während einer | |
Pressekonferenz zum Auftakt versuchte er, die Attacken zu parieren, die die | |
gesammelte politische Konkurrenz seit anderthalb Tagen gegen ihn fährt. | |
Er beschreibe ehrlich die Probleme des Landes und habe auch den Mut zu | |
neuen Lösungen, so der Kanzlerkandidat der Grünen. Die anderen dagegen | |
würden alles Unbequeme aussitzen wollen. Aber neue Antworten auf | |
Gerechtigkeitsfragen zu kritisieren, ohne eigene Vorschläge zu machen – das | |
löse die Probleme nicht. | |
Was er damit meint: die massive Kritik an seinem Vorschlag, neue | |
Finanzierungsquellen für die gesetzlichen Krankenversicherungen zu | |
erschließen. [1][In einem ARD-Interview] hatte er am Sonntag aus dem | |
Entwurf für das grüne Wahlprogramm zitiert, das vorsieht, künftig auch | |
Beiträge auf Kapitalgewinne zu erheben – also zum Beispiel auf Zinsen und | |
Dividenden. Die politischen Mitbewerber nahmen das zum Anlass, ihn dort | |
anzugreifen, wo es ihm wohl am meisten wehtut: Im Mittelpunkt der | |
Grünen-Wahlkampagne steht eigentlich [2][das Versprechen, den Alltag für | |
die Mehrheit im Land wieder bezahlbarer zu machen]. | |
Habeck wolle „Rücklagen für das Alter mit Beiträgen belasten“, kritisier… | |
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Jens Spahn (CDU) warf dem Grünen | |
vor, er wolle „die Leistungsbereitschaft ersticken und unsere Wirtschaft | |
endgültig abwürgen“. Die FDP spricht sogar vom „großen Habeck-Klau“ und | |
einer „zweiten Atombombe nach dem Heizungsgesetz“. Einzig der Vorwurf, der | |
Vizekanzler plane einen Genozid an den deutschen Sparguthaben, war bis | |
Redaktionsschluss am Dienstag nicht gefallen. | |
Nicht nur maßlos, sondern auch unaufrichtig ist die Kritik auf der einen | |
Seite. [3][Die Krankenkassen haben ja tatsächlich ein | |
Finanzierungsproblem], das momentan dazu führt, dass die Abgaben auf Löhne | |
und Gehälter steigen. An der Stelle wollen die Grünen mit ihrem Vorschlag | |
entlasten. | |
## Union und FDP wollen lieber kürzen | |
Und andere Parteien machen es sich in ihren Programmen wirklich bequem: | |
CDU/CSU und FDP wollen, dass die Krankenkassen weniger Geld ausgeben, im | |
Endeffekt also Leistungen streichen. Worauf die Versicherten künftig | |
konkret verzichten sollen, sagen sie aber nicht. Die SPD fordert – wie die | |
Grünen als langfristiges Ziel auch – eine Bürgerversicherung, in die auch | |
diejenigen einbezahlen müssten, die heute privat versichert sind. Die | |
nächste Regierung wird aber aller Voraussicht nach von der Union geführt | |
und mit ihr ist eine solche Reform nicht zu machen. | |
Auf der anderen Seite ist es aber auch kein Wunder, dass die Grünen nun zum | |
ersten Mal in diesem Wahlkampf so geballte Vorwürfe abbekommen. Sie bleiben | |
unkonkret – und bieten dadurch Angriffsfläche. Im ARD-Interview erwähnte | |
Habeck nicht, wer denn künftig auf Kapitalerträge Abgaben zahlen soll und | |
wer nicht. So lassen sich jetzt leicht Ängste unter Kleinsparer*innen | |
schüren, die etwas Geld ins Festgeldkonto schieben oder mit Erträgen aus | |
ETF-Sparplänen ihre Rente aufstocken wollen. | |
Erst am Montag schob Grünen-Chef Felix Banaszak nach, dass diese Gruppe | |
nicht gemeint sei und es „großzügige Freibeträge“ geben solle. Eine | |
Größenordnung nannte er aber nicht. Und auch Habeck selbst nutzte seine | |
Möglichkeit zur Verteidigung am Dienstag eben nur zur Hälfte: Konkrete | |
Eckpunkte, die der Debatte das Empörungspotenzial nehmen könnten, nannte er | |
weiterhin nicht. | |
## Millionäre statt Krankenschwestern | |
Nur so viel: Zusätzlich belasten wolle er nicht „diejenigen, die morgens | |
aufstehen und abends erschöpft und müde nach Hause kommen“. Stärker | |
beteiligen wolle er nur „diejenigen, die große Einkommen haben, weil sie | |
Geld für sich arbeiten lassen“. Plastischer wollte er es nicht machen, die | |
eindrücklicheren Formulierungen überließ er Fraktionschefin Katharina | |
Dröge: Der Vorschlag würde „die Millionäre in diesem Land belasten“, sag… | |
sie. Nicht aber „den Busfahrer und die Krankenschwester“. | |
Wohlwollend kann man also festhalten: Den Grünen schwebt ein wirklich hoher | |
Freibetrag vor. Daraus ergeben sich aber wiederum Folgefragen: Wer so reich | |
ist, dass er von seinen Dividenden leben kann, ist normalerweise nicht in | |
einer gesetzlichen Krankenkasse. Will Habeck nach der Wahl also auch | |
Privatversicherte heranziehen, als Zwischenschritt zu einer | |
Bürgerversicherung quasi? Und für Gutverdienende werden die Beiträge bisher | |
ab einer Einkommensgrenze von rund 5.500 Euro gekappt. Soll diese Grenze | |
für Kapitalerträge erhöht werden, damit nennenswerte Beträge reinkommen? | |
Nur so würde der Vorschlag der Grünen wirklich Sinn ergeben. Klar | |
aussprechen wollen sie aber beides nicht. | |
„Wie wir es im Detail machen, können wir uns dann später überlegen“, sag… | |
Habeck auf Nachfrage. Es gehe ihm erst mal ums Prinzip, um eine | |
„Richtungsentscheidung für das Land“, nicht um eine „Spiegelstrichfrage … | |
Verordnungen und Paragrafen“. Eine Debatte über das Klein-Klein, so lautet | |
offenbar die interne Analyse der Grünen, hilft im Wahlkampf auch nicht | |
weiter. Und so bleiben sie weiter vage. | |
14 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/inland/bundestagswahl/habeck-interview-bab-100.ht… | |
[2] /Die-Gruenen-nach-dem-Ampel-Aus/!6045342 | |
[3] /Warnung-vor-steigenden-Kassenbeitraegen/!6024182 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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