# taz.de -- Streit um Hoffnungsträger Wasserstoff: Kanzlerkandidat Merz glaubt… | |
> Die deutsche Industrie soll mit Wasserstoff klimaneutral umgebaut werden. | |
> Doch bisherige Pläne für die Produktion enttäuschen, zeigt eine Studie. | |
Bild: Kostet viel Energie: Stahlproduktion bei Thyssenkrupp Steel | |
Berlin taz | Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz stößt mit seinen | |
Zweifeln an einem schnellen Umstieg auf eine wasserstoffbetriebe | |
Stahlproduktion auf heftige Kritik. „Wer nicht an grünen Stahl glaubt, | |
befördert das Ende der Stahlindustrie in Deutschland – mit fatalen | |
Wirkungen weit über die Branche hinaus“, sagte der | |
IG-Metall-Vizevorsitzende Jürgen Kerner. | |
Merz hatte am Montagabend bei einer Konferenz des Arbeitnehmerflügels der | |
CDU, der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), | |
Zweifel an der Verfügbarkeit von Wasserstoff geäußert. „Ich glaube | |
persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum | |
wasserstoffbetriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird“, sagte er. Merz | |
hält die Stahlproduktion mit Wasserstoff gegenüber der konventionellen | |
Herstellung für zu teuer. | |
[1][Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger] für den klimagerechten Umbau der | |
Industrie. Wird Wasserstoff aus erneuerbaren Energien hergestellt, ist er | |
CO2-neutral und eine Alternative zu klimaschädlichen Brennstoffen wie Kohle | |
und Gas, vor allem in der Stahlproduktion. Noch gibt es weder eine | |
Infrastruktur für den Transport noch Produktionsstätten in großem Stil. Um | |
das zu ändern, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine | |
sogenannte Wasserstoffstrategie und Pläne für ein Transportnetz vorgelegt. | |
Danach soll [2][ein großer Teil aus dem Ausland kommen]. Die | |
Bundesregierung fördert Pilotprojekte für die grüne Stahlproduktion. Merz’ | |
Aussage sei ein Schlag in das Gesicht der Beschäftigten, sagte Habeck am | |
Dienstag in Berlin. „Denn sie kann nur so übersetzt werden, dass die | |
deutsche Stahlproduktion zu Ende geht.“ In den 2030er Jahren werde es | |
keinen Markt für konventionell erzeugten Stahl mehr geben. | |
An der Frage des grünen Stahls hingen Zehntausende Arbeitsplätze, erklärte | |
IG-Metall-Mann Kerner. Der Umbau der Stahlindustrie werde zurecht mit | |
öffentlichen Geldern in Millionenhöhe unterstützt, auch von der | |
CDU-geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen. Die IG Metall erwarte | |
von der Bundesregierung Verlässlichkeit. „Planungssicherheit ist für die | |
Unternehmen unerlässlich.“ | |
## Kaum Projekte realisiert | |
Grüner Wasserstoff könne zum Einsatz komme, sobald er bezahlbar zur | |
Verfügung stehe, so die IG Metall. Doch genau das ist das Problem. [3][Eine | |
Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK)] kommt zu dem | |
Ergebnis, dass Projekte zur Erzeugung von Wasserstoff weltweit deutlich | |
hinter den Erwartungen zurückbleiben. Im Jahr 2023 wurden weniger als 10 | |
Prozent der angekündigten Produktion tatsächlich realisiert. | |
Der Studie zufolge haben mehr als 60 Länder Strategien entwickelt, um | |
Wasserstoff im großen Stil marktfähig zu machen. Weltweit gibt es der | |
Studie zufolge 1.232 Projekte für die Produktion von grünem Wasserstoff. | |
„In den vergangenen drei Jahren haben sich die globalen | |
Projektankündigungen für grünen Wasserstoff fast verdreifacht“, sagt | |
PIK-Forscher und Studienleiter Adrian Odenweller. | |
Aber nur 7 Prozent der ursprünglich für 2023 in Aussicht gestellten | |
Produktionskapazitäten seien 2023 auch fertiggestellt worden. Gründe für | |
dieses enttäuschende Ergebnis sind gestiegene Produktionskosten, die | |
fehlende Zahlungsbereitschaft potenzieller Abnehmer und die Unsicherheit | |
darüber, wie die Förderung der Produktion und gesetzliche Vorgaben künftig | |
aussehen werden. | |
## Forscher lehnen dauerhafte Subventionen ab | |
Ein großes Problem ist die Finanzierung der Projekte. Die global | |
angekündigten Fördermittel liegen weit hinter dem Bedarf, der für eine | |
Realisierung bis 2030 nötig ist. Nach Einschätzung der Forscher sind | |
zusätzliche Mittel in Höhe von etwa 1 Trillion US-Dollar (rund 970 | |
Milliarden Euro) erforderlich. Dauerhafte Subventionen lehnen die Forscher | |
ab. | |
Stattdessen schlagen sie vor, grünen Wasserstoff zum Beispiel über feste | |
Quoten in bestimmte Bereiche zu lenken, etwa in die Luftfahrt, die Stahl- | |
oder der Chemiebranche. Als Vorbild nennen sie eine EU-Regelung: Sie | |
schreibt vor, dass ab 2030 Flugzeugsprit synthetische Beimischungen auf | |
Basis von Wasserstoff enthalten muss. Die Quote soll bis 2050 auf 35 | |
Prozent steigen. | |
14 Jan 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Wasserstoff/!6058421 | |
[2] /Wasserstoffstrategie-der-Bundesregierung/!5946513 | |
[3] https://www.nature.com/articles/s41560-024-01684-7 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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