Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hörspielschmiede „Ohrenkneifer“: Mit dem Mikrofon auf Tonjagd
> Hörspiele werden derzeit wieder nachgefragt. Die drei Produzenten der
> Firma „Ohrenkneifer“ bedienen den Markt von ihren Zimmerstudios aus.
Bild: Kraftvolle Klänge: Mark Schülert von der Produktionsfirma Ohrenkneifer
Bremen taz | Die Musik schwillt bedrohlich an, aufgeregtes Stimmengewirr,
eine laute Explosion. Hier wird großes populäres Kino heraufbeschworen –
allerdings nur akustisch. Die Sprecher, Regisseure, Autoren und Musiker
Detlef Tams, Marc Schülert und Dirk Hardegen produzieren Hörspiele. In
ihren kleinen Zimmerstudios in Hamburg, Lüneburg und Fulda basteln sie für
ihre Produktionsfirma „Ohrenkneifer“ Thriller, Horrordramen, Western,
Krimis und Science-Fiction-Geschichten zusammen.
Aber sind [1][Hörspiele] bei der Übermacht der überall und ständig
verfügbaren visuellen Medien nicht längst ein Anachronismus? Tatsächlich
gibt es seit einiger Zeit eine [2][Wiedergeburt des rein akustischen
Erzählens]. Hören ist bequemer als Lesen, und beim Autofahren oder als
Einschlafhilfen werden Hörbücher und Hörspiele immer beliebter. Dies
belegen die hohen Klickzahlen in Mediatheken, auf Spotify und Youtube.
„Ohrenkneifer“ ist zwar keiner von den großen Gewinnern dieses Trends, aber
mit ihren inzwischen über 20 Hörspielproduktionen haben sie sich eine
Nische geschaffen und eine kleine, treue Fangemeinde aufgebaut.
Dabei schien das populäre Hörspiel in den frühen 2000er Jahren endgültig
gestorben zu sein. Neben den mit großem Budget produzierten Hörspielen der
öffentlich rechtlichen Radiosender, die ein ganz anderes Renommee haben,
entwickelte sich von den frühen 1960er Jahren an eine alternative Szene für
populäre Hörspiele, deren Produktionsweise immer an die jeweilige Technik
der akustischen Wiedergabe gekoppelt war. Die Adaption von Karl Mays „Der
Schatz im Silbersee“ aus dem Jahr 1962 mit Josef Offenbach wurde zum
Beispiel noch auf sechs Schallplatten-Singles gepresst.
Mit der Einführung der LP wurde dann das Label „Europa“ marktbeherrschend.
Deren größter Hit war die Hörspielreihe „Die drei???“, die in den 1970er
Jahren auf Musikkassetten in den Kinderzimmern allgegenwärtig waren. In den
1980er Jahren versuchte Europa auch Hörspiele für ein erwachsenes Publikum
auf dem Markt durchzusetzen, und dies führte zu dem kuriosen Fall, dass mit
dem Hörspiel „Die Schlangenköpfe des Dr. Gorgo“ aus der „Larry Brent“…
ein Hörspiel auf den Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Medien“ gesetzt wurde.
In den 1990er Jahren setzte sich dann die CD als akustischer Datenträger
durch. Und obwohl auch dieses Medium inzwischen veraltet ist, lässt
„Ohrenkneifer“ von jedem Hörspiel noch CDs in einer Auflage von etwa 1.000
pressen, die in ihrem „Hofladen – also auf ihrer [3][Homepage] – oder auf
Plattformen wie Amazon bestellt werden können.
Das große Geld lässt sich damit nicht machen. Die meisten ihrer Hörspiele
haben sie zudem auf Youtube hochgeladen, aber die Zahl der Aufrufe hält
sich in Grenzen. Die drei Produzenten können also kaum von dieser Arbeit
leben, bekommen gerade mal ihre Produktionskosten wieder rein und betreiben
ihre mehr oder weniger brotlose Kunst aus Liebe zum Metier.
Das merkt man auch ihren Hörspielen an, die sehr sorgfältig produziert
wurden. So klingt etwa die Filmmusik so abwechslungsreich und orchestral,
dass man kaum glauben mag, dass sie von den Hörspielmachern selber
komponiert und auf ihren digitalen Keyboards eingespielt wurden. Die
Soundeffekte kommen zum Teil aus digitalen Dateien, aber zum Teil gehen die
drei auch mit dem Hochleistungsmikro auf Tonjagd, um etwa den Klang von
Schritten auf rutschendem Kies in einem Steinbruch einzufangen.
Mit bis zu zwanzig SprecherInnen, zu denen auch bekannte Namen wie Andreas
Fröhlich zählen, sind die Hörspiele aufwändig besetzt, aber davon abgesehen
produzieren Tams, Schülert und Hardegen sie weitgehend selbst. Zum Teil
haben sie sogar die Bücher geschrieben. Dirk Hardegen etwa hat mit „Road to
Hell“ einen wilden, sehr unterhaltsamen Genremix mit Einflüssen von Film
Noir, David Lynch und Quentin Tarantino verfasst, der als Hörspiel aber
nicht den erwünschten Erfolg hatte, weil keiner den Namen des Autoren
kannte.
Beliebter waren seine Hörspiele, die auf Stoffen von [4][Karl May]
beruhten. Inzwischen hat Hardegen sechs davon produziert, von denen der
erste, „Old Firehand“, der interessanteste ist, weil dieses Frühwerk Karl
Mays vom Verlag unbearbeitet in einem der späteren Werkbände veröffentlicht
wurde. Hardegen entschied sich, Mays pathetischen Schreibstil nicht zu
modernisieren.
## Karl May-Hörspiele erstaunlich werktreu
Das klingt heute sehr seltsam und unfreiwillig komisch – ist aber vor allem
erstaunlich werktreu. Neben ihrem immer noch hohen Bekanntheitsgrad haben
die Geschichten Karl Mays auch den Vorteil, dass sie gemeinfrei sind, also
keine Urheberrechte mehr existieren. Der Verlag hat aber immer noch die
Rechte an den Titeln, und darum muss „Ohrenkneifer“ Lizenzen zahlen, um die
Hörspiele „Der Schatz im Silbersee“, „Der Ölprinz“ oder „Unter Geie…
nennen zu dürfen.
Hardegen hat sich inzwischen auf Klassiker der populären Literatur
spezialisiert und hat vor wenigen Tagen seine Version von Robert L.
Stevensons „Die Schatzinsel“ veröffentlicht. „20.000 Meilen unter dem Me…
von Jules Verne ist bei ihm gerade in Arbeit.
Aber man kann bei „Ohrenkneifer“ auch Unbekanntes entdecken. So etwa die
Science-Fiction-Produktion „Die Fünf von Terra – Im Auftrag des
Unendlichen“, die auf einem Comic des Spaniers Esteban Maroto aus den
1970er Jahren beruht und sehr komisch die These belegt, dass nichts so
schnell altmodisch wird, wie die Zukunftsvisionen von gestern.
20 Jan 2025
## LINKS
[1] /Hoerspiel/!t5010103
[2] /Foerderung-von-Hoerspielen/!6019639
[3] https://www.ohrenkneifer.info/
[4] /Karl-May/!t5625509
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Hörspiel
Karl May
Medien
Hamburg
Lüneburg
Social-Auswahl
Schwerpunkt Klimawandel
Hamburg
Hörspiel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Roman „Früchte des Zorns“ als Hörspiel: Das Elend Amerikas
Christiane Ohaus hat John Steinbecks „Früchte des Zorns“ in ein Hörspiel
verwandelt. Es führt direkt ins Leid menschengemachter Umweltkatastrophen.
Hörspiel wird Theaterstück: Das zerlegte Universalgenie
70er-Jahre-Frisuren inklusive: Aus George Perecs respektlosem Hörspiel
„Maschine“ wird in Hamburg ein vor allem auf Lacher angelegter Abend.
Forscherin über „drei???“ und „drei!!!“: „Eine männlich dominierte …
Kettensägen-Kreischen kennen alle „Die drei???“-Fans. Wieso ihre Storys und
auch „Die drei!!!“ mehr Diversität brauchen, erklärt Sophie Schuhmacher.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.