| # taz.de -- Zwischen Bankenviertel und Suppenküche: Hartes Pflaster | |
| > Zürich ist eine der wohlhabendsten Städte der Welt – und hat eine höhere | |
| > Armutsquote als viele EU-Länder. Warum ist das so? | |
| Bild: An den Rand gedrängt: Ein Obdachloser in Zürich | |
| Zürich Klotzig und stramm sehen die Hochhäuser bei der Einfahrt in den | |
| Züricher Hauptbahnhof aus. In der größten Stadt der Schweiz herrscht | |
| Wintereinbruch, und bei einem Gebäude, das an einen Würfel erinnert, | |
| flattert ein Seil aus Fähnchen im Wind. Dahinter stehen Dutzende Menschen | |
| in einer Schlange neben den Gleisen im neu gefallenen Schnee. 180 Menschen | |
| sind an diesem eisigen Freitagabend zur Essens- und Lebensmittelausgabe | |
| gekommen, die jeden Abend beim 25 Hours Hotel Langstrasse stattfindet. „Es | |
| gibt Kartoffeln mit Poulet oder Fisch oder Vegi“, ruft ein Helfer jenen zu, | |
| die in einem Anhänger die Packungen mit Rösti und Polenta studieren. | |
| Rentner:innen sind da, junge Menschen, Obdachlose, auch viele | |
| Ukrainer:innen. Die Freiwilligen gehen durch die Reihe und schütteln Hände, | |
| das Miteinander ist herzlich. Doch mit den Medien sprechen wollen nicht | |
| alle. Eine, die reden möchte, ist die 57-jährige Mirjana Kukic. Sie trägt | |
| Strickmütze und Schal, sie lächelt, wenn sie spricht. Ihre Augen aber sehen | |
| müde aus. „Ich bin vor einem anderen Krieg geflohen als die meisten hier“, | |
| sagt Kukic, die in den 1990er Jahren während des Bosnienkriegs in die | |
| Schweiz kam. Sie bezieht Sozialhilfe, ihr Mann erhält Rente. „Aber trotzdem | |
| reicht es nicht.“ | |
| Armut ist etwas, von dem viele Schweizer:innen den Blick abwenden. | |
| Unweit der Essensabgabe im Hochpreisquartier, zwischen den Gebäuden mit den | |
| unzähligen Büros von Google und der UBS, der größten Schweizer Bank, ist | |
| der Weihnachtsmarkt aufgebaut. Bei Technomusik sitzen Menschen unter | |
| Decken, trinken Glühwein, essen Fondue, das umgerechnet rund 38 Euro pro | |
| Person kostet. | |
| Zürich wird im Economist als teuerste Stadt der Welt gerankt. In der | |
| Europaallee wird die günstigste Wohnung, zweieinhalb Zimmer, derzeit für | |
| 3.900 Franken im Monat angeboten, das sind etwa 4.200 Euro. Für die bis zu | |
| 5.000 Google-Angestellten sind diese Preise verkraftbar. Durch Arbeitgeber | |
| wie Google ist das durchschnittliche Lohnniveau gestiegen: Laut Bundesamt | |
| für Statistik lag es 2022 bei 8.000 Franken im Monat, rund 8.600 Euro. In | |
| der gesamten Schweiz lag das Durchschnittsgehalt bei 6.665 Franken (7.100 | |
| Euro). | |
| Wer in der Schweiz Sozialhilfe bezieht, bekommt 1.031 Franken im Monat | |
| (1.100 Euro), Wohnkosten und Krankenkasse übernimmt das Sozialamt. Die | |
| staatliche Mindestrente beläuft sich auf 1.260 Franken (1.350 Euro). Wer | |
| nicht über die Runden kommt, hat Anspruch auf Ergänzungsleistungen | |
| 2022 waren 702.000 Menschen, 8,2 Prozent der Schweizer Bevölkerung, von | |
| Armut betroffen. 1,34 Millionen galten als armutsgefährdet. [1][Die | |
| Armutsgrenze in der Schweiz] liegt bei 2.284 Franken im Monat für | |
| Einzelpersonen. Als arm gilt, wer weniger als diesen Betrag pro Monat zur | |
| Verfügung hat. Seit 2014 steigt die Armutsquote. Und obwohl die Schweiz | |
| einen der höchsten allgemeinen Lebensstandards in Europa aufweist, lag die | |
| [2][Armutsgefährdungsquote 2022] nur knapp unter dem EU-Schnitt und ist | |
| höher als zum Beispiel in Frankreich oder Deutschland. Das ist auch deshalb | |
| so, weil ein Drittel der Menschen, die Anspruch auf Sozialleistungen | |
| hätten, diese nicht beziehen. Administrative Hürden, im Falle von | |
| Migrant:innen die Angst vor Ausweisung, und nicht zuletzt Scham sind | |
| einige der Gründe – und gerade im reichen Zürich zeigt sich diese Scham. | |
| Einer, der bei der Essensausgabe vorbeischaut, sitzt einen Tag später | |
| unweit der Europaallee auf einem Stuhl im Begegnungslokal Primero und | |
| streicht sich durch den luftigen Bart. Seine Handschuhe hat Max* auf den | |
| Tisch gelegt, sein Gesicht verschwindet beinahe hinter der Jacke und der | |
| Kappe. Doch immer wieder blitzt Witz durch seine Augen. „Ich bin eigentlich | |
| nie hier – nur für Interviews“, sagt er, und ein schelmisches Lächeln geht | |
| ihm über die Lippen. | |
| Das Primero wird geführt vom christlichen Projekt Incontro. In dieser Ecke | |
| von Zürich treffen Ausgehmeile auf Rotlichtmilieu, Bankenviertel auf | |
| Drogenhandel. Ein Ort des Rausches für die einen. Für die anderen einer der | |
| Abhängigkeit. | |
| Max ist im vierten Jahr obdachlos. „Ich habe 40 Jahre lang für diese Stadt | |
| Steuern bezahlt, aber sie gibt mir kein Geld.“ Er erzählt, wie er bei der | |
| Stadt um eine Vergünstigung für das Nahverkehrs-Abo gefragt habe, da er | |
| zwar die staatliche Rente erhalte, aber damit nicht durchkomme. Aber | |
| billigere Fahrkarten bekommen nur diejenigen, die auch Ergänzungsleistungen | |
| bekommen. Deshalb hat er keinen Anspruch. | |
| Auch sonst hat Max das Gefühl, dass die Stadt es mittellosen Menschen nicht | |
| unbedingt leicht machen will. Zürich bietet zwar eine Notschlafstelle an, | |
| es gibt Angebote für Übergangswohnen, Beratungen für Obdachlose. Doch diese | |
| städtischen Hilfen sind im Internet umständlich zusammengefasst. Nur 3 | |
| Angebote sind komplett öffentlich finanziert. 23 weitere Angebote sind in | |
| privaten Trägerschaften, mit denen die Stadt zum Teil Leistungsverträge | |
| geschlossen hat. Die kostenlosen Essensangebote werden alle von privaten | |
| Trägern gestemmt und nur teilweise mit staatlichen Geldern unterstützt. | |
| Wieso Max die städtischen Angebote nicht wahrnehme, auf diese Frage | |
| antwortet er stets ausweichend. Wenn man, wie er, ein Leben lang immer | |
| Ablehnung erfahren habe, sage man sich irgendwann „ihr könnt mich mal. Dann | |
| geht man nicht mehr zur Stadt und bittet um etwas.“ | |
| Max’ Lebensgeschichte handelt von Mobbing am Arbeitsplatz, er erzählt von | |
| einem Hörsturz, von versäumten Krankschreibungen, schließlich die | |
| Frühverrentung. Max erzählt, dass er sein Vermögen einem Bekannten | |
| anvertraut habe. Nun sei es weg. „Ich bin zu gutmütig. Das war mein | |
| Fehler.“ Seine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung hat Max verloren. Nun lebt er in | |
| einem Zelt unter der Brücke. Ohne Einkommen, ohne Krankenkasse. „Wenn ich | |
| sterben würde, würde ich es sowieso nicht merken.“ | |
| Max wirkt, trotz aller Selbstbezichtigung, frustriert. Und dann mischt sich | |
| aber immer auch für einige Sekunden ein weicher Ton in seine Stimme, und | |
| ein Schimmer von Traurigkeit überzieht sein Gesicht. In diesen Momenten | |
| wird klar, dass es Max immer auch darum geht, seine Würde zu bewahren. „Ich | |
| bin jenen vom Incontro dankbar, dass ich bei ihnen gratis Essen beziehen | |
| kann. Denn auch das bietet die Stadt Zürich nicht an!“, ruft er nun ganz | |
| laut ins Aufnahmegerät und lacht. | |
| Ein paar Straßen weiter stehen eine Schwester und ein Pfarrer vor einem | |
| Transporter und verteilen Kosmetika, Winterkleidung und warme Mahlzeiten. | |
| „Jede Woche besuchen wir die Frauen aus dem Rotlichtmilieu und bringen | |
| Produkte vorbei“, sagt Schwester Ariane, die die etwa 80 Frauen bittet, | |
| sich in einer Reihe anzustellen. Der Andrang ist groß, vor allem die | |
| Strickkappen und Schals – die wie die Hygieneprodukte als Spenden kommen – | |
| sind beliebt. Die warmen Mahlzeiten sind nach einer halben Stunde weg. Als | |
| sich ein Mann ebenfalls in die Reihe stellt, spricht ihn Schwester Ariane | |
| an: „Nur für Frauen!“ Er zögert kurz und geht dann in Richtung Langstrasse | |
| und Technomusik. | |
| „Junge Menschen sind hier auf der Ausgehmeile unterwegs“, sagt Schwester | |
| Ariane. „Sie bekommen nichts mit vom Menschenhandel, nichts von der Armut. | |
| Sie sehen es erst, wenn sie mit uns unterwegs sind.“ Über 1.300 Freiwillige | |
| zählt der Verein mittlerweile. „Erzähle ich anderen von unserer Arbeit, | |
| sind alle zunächst überrascht, dass es so etwas wie Armut gibt in der | |
| Schweiz.“ | |
| Das Misstrauen gegenüber dem Sozialamt sei bei vielen groß, vor allem bei | |
| Menschen ohne Aufenthaltspapier und Ausländer:innen. „Wenn man Hilfen in | |
| Anspruch nimmt, verliert man am Schluss den Status. Das erleben wir immer | |
| wieder. Die Menschen stehen dann verzweifelt vor uns“, sagt Ariane und | |
| spricht damit die Revision des Ausländer- und Integrationsrechts an. | |
| Seither können in der Schweiz Bewilligungen von Personen ohne Schweizer | |
| Pass widerrufen werden, wenn sie Sozialhilfe beziehen – in einigen Fällen | |
| sogar bei Menschen, die schon über zehn Jahre in der Schweiz leben. Weitere | |
| kantonale Gesetzesregelungen sehen strenge Rückerstattungspflichten und | |
| hohe Sanktionen in der Sozialhilfe vor. Im Kanton Zürich ist es den | |
| Bezieher:innen von Sozialleistungen etwa verboten, behördliche Auflagen | |
| direkt anzufechten – zum Beispiel bei der Wohnungssuche. Bei Nichtbefolgung | |
| drohen Kürzungen. | |
| Nach dem ersten Coronalockdown im Frühling 2020 ging Schwester Ariane mit | |
| Pfarrer Karl Wolf und einigen wenigen Freiwilligen jeden Tag durch die | |
| Straßen und verteilte warme Mahlzeiten. Lebensmittelpakete wurden | |
| gesammelt, immer mehr Freiwillige schlossen sich an. Bald eröffnete | |
| Incontro das Primero als Treffpunkt und Café, in dem es von Freitag bis | |
| Montag gratis Trinken und Essen gibt. Viele Rentner:innen, Geflüchtete, | |
| Menschen ohne Papiere und Obdachlose kommen vorbei, wie Pfarrer Wolf sagt, | |
| der sich zum Gespräch dazusetzt. | |
| „Während des Lockdowns haben die Leute mit der Zeit gemerkt, dass wir die | |
| warmen Mahlzeiten beim 25 Hours Hotel an der Europaallee abholen“, sagt er. | |
| „Also begannen sie, hinter dem Hotel neben den Gleisen anzustehen. Daraus | |
| entstand die Mensa unter freiem Himmel. Indem wir den Menschen zuhören, | |
| entwickeln wir unsere Arbeit.“ | |
| Auch im Primero werden manchmal Produkte verteilt, zum Beispiel Kleider. | |
| „Freiwillige sagen oft, die Menschen, die vorbeikommen, seien alle so gut | |
| gekleidet, dass sie die bessere Handtasche als sie selbst hätten“, sagt | |
| Ariane. „Aber das ist so, weil die Kleider aus unserer Sammlung kommen und | |
| dort der Luxus unserer Gesellschaft landet.“ Ein anderes Beispiel sind | |
| Hummer von Delikatessenunternehmen bei der Essensabgabe. | |
| Dass man Armut in der Schweiz oft nicht direkt erkenne, hängt auch für | |
| Schwester Ariane mit Scham zusammen. „Die Menschen in Armut tarnen sich. | |
| Denn sie schützen ihre Würde. Das ertragen dann aber viele in der | |
| Gesellschaft nicht, weil sie unser Bild von Armut verzerrt. Das hat mit | |
| Verdrängung zu tun. Wenn man richtig hinschauen würde, hat man schnell den | |
| Spiegel vor sich – und muss sich die Frage stellen, wieso man Menschen in | |
| Bedürftigkeit nicht erträgt, sie an den Rand seines eigenen Lebens und der | |
| Gesellschaft drängt und man selbst nichts dagegen tut.“ | |
| Dass Armut in der Schweiz oft nicht direkt als solche zu erkennen ist, sagt | |
| auch die Armutsforscherin der Berner Fachhochschule, Emanuela Chiapparini. | |
| „Auch in den engsten Freundeskreisen will man oft nicht darüber sprechen“, | |
| sagt Chiapparini. Dies habe eine gesellschaftliche Komponente: „Man | |
| spricht in der Schweiz grundsätzlich nicht über Geld. Wenn man wenig hat, | |
| genauso, wie wenn man viel hat.“ | |
| Gleichzeitig habe Arbeit einen sehr hohen Stellenwert. „Deshalb sagt man es | |
| nicht einfach so in der Freizeit, dass man arbeitslos ist.“ Obwohl der | |
| Sozialstaat gut ausgebaut sei, schöpften viele die Leistungen nicht aus, | |
| die ihnen zustünden. Die Kultur des Schweigens, die Unsichtbarkeit von | |
| Armut und der dadurch entstehende Raum für Klischeebilder seien Gründe | |
| dafür, glaubt Chiapparini. „Es gibt viele, die über Armutsbetroffene sagen: | |
| Die missbrauchen die Leistungen, die sind nur nicht fleißig genug.“ Eine | |
| offenere Auseinandersetzung mit dem Tabuthema würde diesem Narrativ | |
| vielleicht etwas entgege setzen. | |
| ## „Meinst du, du bist Gott?“ | |
| Bei der Essensabgabe an der Europaallee am Freitagabend steht Schwester | |
| Ariane zuvorderst. Sie organisiert die Freiwilligen, koordiniert, umarmt | |
| jene, die anstehen. Doch während die Freiwilligen schon am Aufräumen sind, | |
| kommt ein Mann mit einer Bierflasche in der Hand vorbei. „Meinst du, du | |
| bist Gott?“, brüllt er in Richtung Schwester Ariane, die zunächst versucht, | |
| auf ihn einzugehen, dann aber aufgibt. Nach weiteren aggressiven | |
| Beschimpfungen und Drohungen zieht er davon. | |
| Es ist ein Moment, der alle Freiwilligen verstummen lässt. Er führt vor | |
| Augen, dass die Essensabgabe eine Notmaßnahme ist, aber Armut und all ihre | |
| Folgen nicht zum Verschwinden bringt. Die Menschen kommen vorbei, holen | |
| sich etwas Warmes, Teigwaren und Rösti, gehen nach Hause und kommen wieder. | |
| Die Scham, die Wut aber – sie bleiben. Die Essensabgabe hilft unzähligen | |
| Leuten in der teuersten Stadt der Welt. Doch den Kreislauf der Armut | |
| brechen Incontro und ihre Freiwilligen damit nicht. | |
| Nach dem Abend habe sie länger nicht einschlafen können, wie Ariane am Tag | |
| danach im Primero sagt. Vorfälle wie dieser und die erhöhte | |
| Gewaltbereitschaft hätten zugenommen in den letzten Monaten. Die | |
| Anspannung ist ihr anzumerken. Doch nach dem ersten Gespräch, den ersten | |
| herzlichen Begegnungen löst sie sich wieder. „Bei vielen Menschen auf der | |
| Gasse ist alles im Leben zusammengebrochen, Wunden der frühen Kindheit und | |
| des gelebten Lebens brechen auf. Damit geht oft eine innere Öffnung einher, | |
| die bei vielen in unserer Gesellschaft verloren gegangen ist“, sagt sie. | |
| „Eine Dankbarkeit, Direktheit, Menschlichkeit.“ | |
| An den Tischen im Primero unterhalten sich die Besucher:innen oder | |
| scrollen durch ihre Smartphones. Der runde Tisch in der Ecke sei der | |
| Stammtisch, sagt Christian und lächelt. Der 60-Jährige mit der weichen | |
| Stimme kommt oft hierher. „Im Unterschied zu anderen Orten missionieren | |
| sie nicht.“ Seine Pelzmütze liegt auf dem Boden, er wirkt gelassen und | |
| verträumt. | |
| Christian lebt mit einer Invalidenrente. „Ich bin eigentlich in einer guten | |
| Lage“, sagt er. „Nur ist es in der Praxis nicht immer so, dass das Geld | |
| reicht.“ Wegen der Auflagen, die mit dieser Rente verbunden seien, kann er | |
| keine größere Arbeit annehmen. „Deshalb komme ich aus der Invalidenrente | |
| bis zur Pension nicht mehr raus.“ Für Incontro pflegt er das | |
| Gemeinschaftsgrab für Leute von der Gasse. „Dort spaziere ich dann herum | |
| und sinniere über Vergänglichkeit nach.“ Schwester Ariane habe ihn bei der | |
| Wohnungssuche unterstützt, als ihm gekündigt wurde. „Ich bin es in Zürich | |
| nicht gewohnt, dass einem, ohne zu fragen, geholfen wird.“ | |
| Von der Stadt nicht direkt angesprochen, sondern an Private verwiesen: | |
| Sowohl Christian als auch Max und Schwester Ariane erzählen davon. | |
| Verantwortlich dafür ist eine Politik, die den Bezug von Sozialleistungen | |
| an immer mehr Auflagen knüpft. Dadurch entstehen Misstrauen und das Gefühl | |
| der Entwürdigung bei jenen, die Unterstützung benötigen. | |
| Jene Vereine, die diese Menschen auffangen, sind zwar oft städtisch | |
| unterstützt, aber immer noch privat. Es verdeuticht, dass Armut in der | |
| Schweiz als etwas gesehen wird, um das man sich selbst kümmern muss. Oder | |
| Glück haben muss, wenn andere sich um einen kümmern. Es ist eine Art von | |
| Nichtbeachtung durch den Staat, der das Gefühl der Scham bei jenen | |
| verstärkt, die von Armut betroffen sind. | |
| Früher, als Christian noch Konzerte in der Stadt spielte und Bilder in | |
| Galerien ausstellte, war er stadtbekannt. Am Tisch im Primero zeigt er auf | |
| seinem Smartphone das Video von seiner Band während eines Konzertes in den | |
| 1980er Jahren. Einige andere stellen sich dazu, fragen überrascht, ob er | |
| das sei an der Gitarre. Christian schmunzelt. „Wie wir Haare trugen damals. | |
| Wir waren berühmt, vor allem in der Besetzerszene.“ Wegen seines | |
| künstlerischen Auftretens sind auch heute im Primero Namensvergleiche an | |
| der Tagesordnung: Wie Salvador Dalí sehe er aus. Vor zwei Tagen nahm er die | |
| Gitarre hervor und spielte wieder. „Vielleicht könnte ich noch | |
| Straßenmusiker werden“, sagt er etwas verlegen und lacht. | |
| *Name geändert | |
| 27 Dec 2024 | |
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| [1] https://caritas-regio.ch/media/zhDownloads/Factsheet_ArmutKantonZuerich_202… | |
| [2] https://www.bfs.admin.ch/asset/de/30826184 | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Frey | |
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