| # taz.de -- Parlamentswahlen in Irland: Irische Koalition verliert Juniorpartner | |
| > Das konservative Bündnis in Dublin kann voraussichtlich weiterregieren – | |
| > allerdings ohne die Grünen. Die Rechtsextremen gehen derweil leer aus. | |
| Bild: Wahlerfolg: Der Vorsitzende der Fianna Fail, Micheal Martin, wird von sei… | |
| Dublin taz | Das Endergebnis der [1][irischen Parlamentswahlen] am Freitag | |
| stand bei Redaktionsschluss noch immer nicht ganz fest. Klar ist, dass die | |
| beiden großen konservativen Parteien Fianna Fáil („Soldaten des | |
| Schicksals“) und Fine Gael („Stamm der Gälen“) ihre Koalition fortsetzen | |
| können. Allerdings müssen sie sich einen neuen Juniorpartner suchen: Von | |
| den bisher zwölf Abgeordneten der Grünen ist lediglich Parteichef Roderic | |
| O’Gorman wiedergewählt worden. | |
| Dass die Auszählung so lange dauert, liegt am irischen Wahlsystem, bei der | |
| die Kandidaten in der Reihenfolge der Präferenz nummeriert werden. Die | |
| Stimmen der abgeschlagenen Bewerber werden dann auf die Kandidaten zweiter | |
| oder gegebenenfalls dritter oder vierter Wahl übertragen. Die öffentliche | |
| händische Auszählung ist eine spannende Angelegenheit, bei der die Nation | |
| mitfiebert. | |
| Ein scheinbar hoffnungsloser Kandidat kann bei günstiger Stimmübertragung | |
| nach der 20. Auszählung wieder im Rennen sein. Die Prozentzahlen der | |
| Erststimmen sind deshalb nur bedingt aussagekräftig. Fianna Fáil kam dabei | |
| auf 21,8, Fine Gael auf 20,8 und Sinn Féin auf 19 Prozent. Die | |
| Wahlbeteiligung lag bei knapp 60 Prozent. | |
| ## Grüne und Linke ziehen den Kürzeren | |
| Für ein linkes [2][Bündnis unter Führung von Sinn Féin] hat es wieder | |
| einmal nicht gereicht, obwohl Labour, die Sozialdemokraten und das linke | |
| Bündnis People Before Profit/Solidarity beachtliche 25 Sitze gewannen. Die | |
| Linke schaffte es aber wieder nicht, eine kohärente und einheitliche | |
| Plattform aufzustellen. | |
| Fianna Fáil und Fine Gael werden in den kommenden Wochen wohl eine | |
| Koalition mit der Labour Party oder mit den Sozialdemokraten anstreben. Ob | |
| eine der beiden Parteien den Lockrufen folgen wird, ist ungewiss, denn das | |
| Beispiel der Grünen sollte ihnen eine Warnung sein. | |
| Dabei haben die Grünen gar nicht so viel falsch gemacht, ein solides | |
| Regierungsprogramm ausgehandelt und zahlreiche Punkte aus ihrem Manifest | |
| durchgesetzt. Das hat ihnen nichts genützt. „Vielleicht ist es einfach so, | |
| dass die kleinere Partei den Kürzeren zieht“, sagte Vizechefin Catherine | |
| Martin. Diese Erfahrung mussten die Grünen bereits 2011 machen, als sie | |
| sämtliche Sitze verloren, nachdem sie 2007 eine Koalition mit Fianna Fáil | |
| eingegangen waren. | |
| Auch die Labour Party stürzte nach ihrer Regierungsbeteiligung 1992 ab. Für | |
| die Grünen kommt die Niederlage zu einem ungünstigen Zeitpunkt, sind sie | |
| nächstes Wochenende doch Gastgeber für den Kongress der Europäischen Grünen | |
| in Dublin. | |
| ## Migration nicht mehr wichtigstes Thema im Wahlkampf | |
| Die rechtsextremen Parteien haben bei den Wahlen trotz einer Rekordzahl von | |
| Asylbewerbern und vieler Antimigrationsprotesten keinen einzigen Kandidaten | |
| durchgebracht. Noch vor wenigen Monaten belegten Umfragen, dass die Wähler | |
| die Einwanderung als wichtigstes Thema ansahen. | |
| Seitdem hat die Regierung Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der Asylbewerber | |
| zu begrenzen, sodass das Thema auf Platz vier abgerutscht ist. Allerdings | |
| haben einige, nicht unbedingt rechtsextreme Kandidaten mit dem Thema | |
| erfolgreich Wahlkampf betrieben. | |
| Der spannendste Wahlkreis war Dublin Central, weil dort Gerry Hutch antrat, | |
| eine der profiliertesten Figuren des organisierten Verbrechens, dessen Clan | |
| sich seit Jahren eine mörderische Fehde mit dem rivalisierenden | |
| Kinahan-Clan liefert, bei der bisher 18 Menschen ermordet wurden. Niemand | |
| glaubte, dass Hutch eine Chance hätte, aber er musste sich erst nach der | |
| 11. Zählung der Labour-Kandidatin geschlagen geben. | |
| In Irland wird es also vorerst weitergehen wie bisher, weil die beiden | |
| großen Parteien den Wählerinnen und Wählern vorgegaukelt haben, dass | |
| Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen leicht vereinbar seien. Kurz vor der | |
| Wahl wiesen Experten jedoch darauf hin, dass mehr als die Hälfte der | |
| Körperschaftssteuer von nur zehn US-Unternehmen gezahlt wird. Die Rückkehr | |
| von Donald Trump ist eine reale Gefahr für Irlands Wirtschaft. Darauf sind | |
| die beiden großen Parteien wohl nicht vorbereitet. | |
| 2 Dec 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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