Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Parlamentswahlen in Irland: Vom Räuber zum Politiker
> Gerry Hutch war für einen der größten Raubüberfälle Irlands
> verantwortlich. Nun tritt er bei den Wahlen an – und will sich für mehr
> Polizei auf Dublins Straßen einsetzen.
Bild: Der Polizei immer einen Schritt voraus: Gerry Hutch auf dem Weg zu einer …
Dublin taz | Falls er [1][bei den irischen Parlamentswahlen] am Freitag
gewählt werde, wolle er sich für mehr Polizisten auf den Straßen Dublins
einsetzen. Das ist ein ungewöhnliches Versprechen für eine der
profiliertesten Figuren des organisierten Verbrechens. Gerry Hutch wurde
allerdings nie wegen schwerer Straftaten verurteilt, er war der Polizei
immer einen Schritt voraus. Hutch wurde 1963 als jüngstes Mitglied einer
achtköpfigen Familie in der nördlichen [2][Innenstadt von Dublin] geboren,
wo er jetzt auch kandidiert. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen und
begann seine kriminelle Karriere schon früh als Mitglied einer Jugendbande,
die sich auf Handtaschendiebstähle und Autoeinbrüche spezialisiert hatte.
Im Alter von 15 Jahren wurde er zum ersten Mal zu einer Gefängnisstrafe
verurteilt.
Hutch gilt als Organisator eines Raubes von 1,7 Millionen Pfund aus einem
Geldtransporter im Jahr 1987. Noch spektakulärer war der Überfall auf ein
Depot der Firma Brinks im Jahr 1995, bei dem 3 Millionen Pfund erbeutet
wurden – einer der größten Raubüberfälle in der Geschichte Irlands. Die
Medien gaben Hutch wegen seines asketischen Lebensstils den Spitznamen „The
Monk“. Zuletzt wurde der Mönch vor allem mit dem tödlichen Streit zwischen
seinem Clan und der kriminellen Kinahan-Gruppe in Verbindung gebracht, aber
sein Freund David Byrne wurde getötet.
Nachdem sein Neffe Gary Hutch von den Kinahans ermordet worden war, soll
Gerry Hutch 2016 einen Anschlag im Regency Hotel inszeniert haben, wo ein
Boxkampf stattfand. Ziel des Attentats war Daniel Kinahan, einer der
führenden Köpfe der Organisation, der jedoch entkam.
Das Gericht sprach Hutch vom Mordvorwurf frei, weil der Zeuge, ein
Stadtrat, vollkommen unglaubwürdig war. Die Tatwaffe stammte jedoch von
Hutch, befand das Gericht, aber er wurde deshalb nicht angeklagt. Er durfte
nach Spanien zurückkehren. Die durch den Regency-Anschlag ausgelöste Fehde
führte zum Tod von 18 Menschen. Viele der Getöteten waren
Familienmitglieder und Mitarbeiter von Hutch. Vorigen Monat wurde er von
der Polizei in Spanien wegen des Verdachts der Geldwäsche verhaftet und am
4. November gegen eine Kaution in Höhe vom 100.000 Euro freigelassen, um
bei den Wahlen in Irland kandidieren zu können.
Harte Konkurrenz
Das spanische Gericht berief sich auf EU-Rechtsprechung, wonach politischen
Kandidaten, die strafrechtlich verfolgt werden, aber noch nicht verurteilt
sind, die Teilnahme an den Wahlen erleichtert werden soll. Sollte er
gewählt werden, würde die spanische Strafverfolgung gegen ihn erschwert
werden. Er tritt als unabhängiger Kandidat an. Bei vier zu vergebenden
Sitzen hat er einige hochkarätige Konkurrenten im Wahlkreis Dublin Central,
darunter Präsidentin Mary Lou McDonald von der republikanischen Partei Sinn
Féin sowie der ehemalige Finanzminister Paschal Donohoe.
Dublin Central gilt als einer der sozial und ethnisch vielfältigsten
Wahlbezirke Irlands und umfasst das Haupteinkaufsviertel und das
[3][Internationale Finanzdienstleistungszentrum], aber auch ein Viertel mit
vielen Methadonkliniken, Obdachlosenunterkünften und Wohnsilos mit hoher
Arbeitslosigkeit. Dort gilt Hutch für viele als eine Art Robin Hood. So hat
er zum Beispiel das Gebäude des Corinthians Boxing Club, wo auch die
zweifache Olympiasiegerin Kellie Harrington trainiert, 1998 gekauft.
Seitdem vermietet er es an den Club für 1 Euro im Jahr.
Laut Umfragen liegt Hutch derzeit bei 8 Prozent. Das würde nicht für einen
Sitz reichen, aber Überraschungen hat es in der Geschichte Irlands schon so
manches Mal gegeben.
29 Nov 2024
## LINKS
[1] /Vor-der-Wahl-in-Irland/!6053544
[2] /Videoportal-zwischen-Dublin-und-New-York/!6043015
[3] /Apple-muss-Steuern-nachzahlen/!6032795
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Dublin
Irland
Parlamentswahlen
Irland
Vereinigtes Königreich
Irland
Parlamentswahlen
Austausch
Apple
## ARTIKEL ZUM THEMA
Abhängigkeit von US-Unternehmen: Irlands Angst vor Trump
Die Wirtschaft Irlands boomt dank US-Tech-Giganten. Doch die Politik des
neuen US-Präsidenten könnte diesen Erfolg gefährden.
Geldwäsche international: Kriminelles Netzwerk ausgehoben
Unter Führung russischer Agenten sollen weltweit mehrere Milliarden
US-Dollar gewaschen worden sein. Die britische Kriminalbehörde stellte
mehrere Millionen Dollar sicher.
Parlamentswahlen in Irland: Irische Koalition verliert Juniorpartner
Das konservative Bündnis in Dublin kann voraussichtlich weiterregieren –
allerdings ohne die Grünen. Die Rechtsextremen gehen derweil leer aus.
Vor der Wahl in Irland: Die irische Groko muss zittern
Ein Eklat der irischen Partei Fine Gael lässt ihre Umfragewerte absacken.
Werden die beiden Regierungsparteien auf Sinn Féin angewiesen sein?
Videoportal zwischen Dublin und New York: Die Iren schlagen quer
Ein öffentliches Videoportal soll Menschen in Dublin und New York einander
näherbringen. Das klappt nicht so gut wie erhofft.
Apple muss Steuern nachzahlen: Kohle wider Willen
Die irische Regierung freut sich nicht darüber, dass Apple ihr Steuern
nachzahlen muss. Vielmehr fürchtet sie den Rückzug ausländischer
Investoren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.