# taz.de -- Wahlprogramme der Grünen und SPD: Fromme Wünsche | |
> Passend zu Weihnachten präsentieren die Parteien ihre Wunschlisten. Die | |
> Gerechtigkeitswünsche der Grünen und SPD aber sind nur fürs Wahlprogramm. | |
Bild: Zum Glück ist bald Weihnachten, da darf man sich erst mal alles wünsche… | |
Die Deutschen sind Gewohnheitstiere. Während in der Welt diktatorische | |
Regime (Syrien), dickköpfige Premierminister (Frankreich) und verwirrte | |
Präsidenten (Südkorea) abgesetzt werden, sind die Deutschen aus dem | |
Häuschen, weil sie im Winter statt Spätsommer wählen sollen. | |
Wahlkampf über Weihnachten, wie soll das gehen?, fragen sie sich beim | |
ersten Blick auf den Wahltermin, in Sorge um den familiären Burgfrieden | |
über die Feiertage, wo man über Politik lieber nicht spricht, stattdessen | |
über den Durst trinkt und über den Hunger isst – bis sich die Realität im | |
graudunklen Januar umso härter wieder zurückmeldet. | |
Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass sich die Weihnachtszeit ganz gut für | |
den Wahlkampf eignet. Denn Weihnachten ist die Zeit der Wunschlisten an den | |
Weihnachtsmann. Passend dazu präsentieren die Parteien in den Tagen vor | |
Weihnachten ihre Wahlprogramme. Der Zeitpunkt dieser Präsentation verleiht | |
ihren Wahlversprechen einen Hauch von Aufrichtigkeit. Besonders lohnt sich | |
der Blick auf die Forderungen der Grünen und Sozialdemokraten, die in den | |
letzten Jahren ja Gelegenheit genug hatten, Wünsche zu realisieren. | |
Da ist das Klimageld und da sind die versprochenen 400.000 Wohnungen, die | |
unter der Ampelkoalition kommen sollten, aber nicht kamen. Da sind die | |
Klassiker aus dem Bereich Umverteilung, die Evergreens und Everreds des | |
deutschen Wahlkampfes. Wünsche, die nicht da sind, um erfüllt zu werden, | |
sondern dafür, dass sie Sozialdemokraten und Grüne immer wieder ohne | |
Ergebnis in ein Wahlprogramm schreiben. | |
Weil die Frage der Steuergerechtigkeit im Nationalen ja schon längst | |
geklärt ist (nicht!), fordern die Grünen eine [1][globale | |
Milliardärssteuer] und wollen Steuerlücken bei großen Erbschaften | |
schließen. Ihr Kanzlerkandidat Robert Habeck möchte dazu die [2][250 | |
Milliardär:innen in Deutschland] besteuern, um Schulen zu sanieren. | |
Die Sozialdemokraten fordern in ihrem [3][Wahlprogrammentwurf] eine Reform | |
der Erbschaftssteuer und eine Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer für | |
Vermögen von über 100 Millionen Euro. Das heißt, auch wer keine ganze | |
Milliarde beziehungsweise nur 50 Millionen besitzt, also nur ein bisschen | |
reich ist, kann beide Parteien sorgenfrei wählen. | |
## Reine Verhandlungsmasse | |
Interessierte Bürger:innen sind keine Kinder. Sie wissen, dass es keinen | |
Weihnachtsmann gibt. Sie wissen auch, dass Grüne und Sozialdemokraten nicht | |
aufrichtig an sozialer Gerechtigkeit interessiert sind, sondern die | |
Gerechtigkeitsrhetorik und entsprechende Programmpunkte als | |
Verhandlungsmasse benötigen. | |
Das Parteiensystem zersplittert und jetzt kommt auch noch das BSW. Um da | |
noch zusammenkommen zu können, braucht man etwas, was man dem anderen | |
anbieten kann, der nicht die soziale Ungleichheit, sondern faule | |
Arbeitslose als Problem identifiziert. Man muss dem etwas geben, der nicht | |
Ungerechtigkeit, sondern zu hohe Sozialausgaben bekämpfen will. | |
Zum Glück ist bald Weihnachten. Da darf man sich erst mal alles wünschen, | |
was man möchte. Ob der Weihnachtsmann die Wünsche erfüllen kann, das | |
bestimmen die Verhandlungen nach der Bundestagswahl. Und später vielleicht | |
ein Finanzminister von der CDU. Spätestens bei der Präsentation des | |
nächsten Koalitionsvertrags aber kommt es auf jeden Fall wieder auf seine | |
Kosten, das deutsche Gewohnheitstier. | |
17 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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