# taz.de -- Ausstellung über Feuerwerkskunst: Verdammte Lichteffekte | |
> Eine Ausstellung im Kulturforum Berlin zeigt die Geschichte der | |
> Feuerwerkskunst. Diese war stets auch Mittel der Macht und des Triumphs. | |
Bild: Ein jüngeres Beispiel für Feuerwerkskunst: Malte Bartsch, Rakete, Feuer… | |
Verbrenner oder elektrisch betrieben? Selten liegt diese Frage so auf der | |
Hand wie heute. Kann dabei Ersteres „Asthma, verstümmelte Hände und Vögel | |
mit Herzinfarkt“ zur Folge haben, sind bei Letzterem hingegen sogar „auch | |
harmonische Geräusche“ drin. | |
Das jedenfalls meint Jürgen Resch, wohnhaft im ruhigen Radolfzell am | |
Bodensee. Als [1][Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. | |
(DUH)] ist er voller Hoffnung, dass eines der Ziele der DUH – saubere Luft | |
– längerfristig auch im verkrachten Berlin erreicht werden kann, | |
elektrisch, natürlich. Und warum also nicht mit nicht dröhnenden Drohnen, | |
die seien zudem wiederverwendbar? | |
Dass die Rede hier nicht von Fortbewegungsmitteln, sondern von | |
Feuerwerkskörpern ist, muss am heutigen Tag nicht erklärt werden – sofern | |
Sie durch die von Resch verdammten „Licht- und Geräuscheffekte“ draußen a… | |
der Straße nicht bereits vom konzentrierten Lesen des ersten | |
Textabschnittes abgehalten wurden. | |
Jene Effekte nämlich gälte es weiterzuentwickeln (weg vom lauten, zudem | |
gefährlichen Abbrennen, hin zur stillen Umweltfreundlichkeit), und die | |
aktuelle Ausstellung der Kunstbibliothek, zu der die DUH mit einer | |
„Informations- und Medienstation“ als Kooperationspartner geladen ist, böte | |
einen guten Anlass für derlei Überlegungen, so Resch beim Pressetermin. | |
Seit November in einer der beiden Sonderausstellungshallen des Kulturforums | |
zu sehen, zeigt die von Maren Wienigk (Kunstbibliothek) kuratierte | |
Ausstellung „Durchgeknallt und abgebrannt. Feuerwerkskünste aus fünf | |
Jahrhunderten“ so etwas wie die frühe illustrierte Geschichte des | |
inszenierten Feuerwerks in Westeuropa. | |
Als Ausgangspunkt dient die Ornamentstichsammlung der zu den Staatlichen | |
Museen gehörenden Kunstbibliothek. So ist auf 70 teils großformatigen | |
Kupferstichen sowie auf ausgewählten Seiten von etwa 40 historischen | |
Büchern, im weiteren Verlauf auch auf Exponaten anderen Ursprungs und | |
anderer Machart zu sehen, wie seit dem 17. Jahrhundert viele Stunden | |
andauernde Feuerwerksveranstaltungen in jeweils nur einem Bild zeitlich und | |
räumlich verdichtet wurden. | |
## Nebenprodukt einer Artillerietechnik | |
Dabei geht die Ausstellung nicht von einem Vorbehalt wie dem Reschs aus, | |
die Berliner Böllerei fände „unter dem Deckmäntelchen“ statt, „dass es… | |
kulturelle Veranstaltung wäre“. Vielmehr liegt es Maren Wienigk daran, | |
beispielhaft eine kulturell wirksame Mediengeschichte des Feuerwerks zu | |
präsentieren: Als Nebenprodukt einer durch Militärwissenschaft optimierten | |
Artillerietechnik entstanden, ging es bei Feuerwerkskunst seit jeher darum, | |
Krieg und Frieden zusammenzudenken. | |
So werden hier nicht nur Feierlichkeiten aus Anlass von Siegen nach | |
kriegerischen Auseinandersetzungen gezeigt – etwa im Kupferstich Daniel | |
Marots (um 1702), der das Feuerwerk als Mittel geradezu kosmischer | |
Kriegsführung für den Sieg der Niederlande über Frankreich und Spanien | |
darstellt. | |
Auch für Friedensfeiern wurden aufwendige Feuerwerke veranstaltet, wie auf | |
einem Kupferstich von Peter Troschel (um 1650) zu sehen, der die | |
Feierlichkeiten zum „Nürnberger Frieden“ zeigt, mit dem der Dreißigjähri… | |
Krieg beendet wurde. „Der Krieg wird hier mit den Mitteln des Kriegs | |
vernichtet“, fasst Wienigk das Dargestellte zusammen. | |
## Auf Überwältigung setzende Inszenierungen | |
Ob Feuerwerke zur Geburt eines Erbprinzen, zu Hochzeiten oder Krönungen: | |
Als Mittel der Darstellung von Repräsentationsansprüchen der höfischen | |
Gesellschaft des Barock einerseits, des Katholizismus andererseits, waren | |
Feuerwerke auch immer Mittel der Macht und des Triumphs. | |
Der Aufwand der auf Überwältigung setzenden Inszenierungen – auf den | |
wunderbar psychedelisch wirkenden Stichen nachvollziehbar dokumentiert – | |
umfasste nicht nur die Pyrotechnik selbst, sondern auch aus Holz oder | |
Pappmaché gefertigte Kulissen (nicht selten ganze Bauwerke), die effektvoll | |
den Explosionen preisgegeben wurden. | |
Auf andere Bestände der Staatlichen Museen zurückgreifend, schreitet die | |
Ausstellung auch ins 20. und 21. Jahrhundert voran, insbesondere mit | |
künstlerischen Arbeiten, die etwa absurde Momente von Feuerwerkskunst | |
zeigen – Roman Signers Fotografien mit einem aufgrund einer Rakete | |
explodierenden Luftballon oder Malte Bartschs C-Prints, auf denen eine von | |
einem Gummiband zurückgezogene Rakete beim Explodieren zu sehen ist. | |
Eine von der Kulturwissenschaftlerin und Gestalterin Sarah K. Becker | |
konzipierte Filminstallation in der Mitte des Ausstellungsraums gibt als | |
„Detailfinder“ die Möglichkeit, auf den überbordenden Kupferstichen | |
Übersehenes nachzunotieren. Für aktuelle Gestaltungsideen steckt nämlich in | |
den Details der historischen, allegorischen Feuerwerksabbildungen ein | |
emblematischer Schatz, nach dessen Bergung man in einer besseren Welt all | |
die unterkomplexen Emojis gerne im Berliner Nachthimmel explodieren sähe. | |
30 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Martin Conrads | |
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