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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Einschneidende Tage
> Bürgerliche Selbstverschanzung, rechter Gedächtnisverlust und
> nationalsozialistische Erziehungsanstalten: „SloVision“ zeigt neues
> slowenisches Kino.
Bild: Szene aus Darko Sinkos „Inventory“ (SI 2021)
Eben noch hat Boris mit seiner Frau zu Abend gegessen und belanglose
Gespräche darüber geführt, wie viel Rindfleisch noch im Tiefkühler ist, da
durchschlagen zwei Gewehrschüsse das Fenster zum Wohnzimmer. Boris bleibt
unverletzt, aber die Schüsse sind dennoch einschneidend – oder wie der
Ermittler der Polizei formuliert: „Wir haben es mit einer sehr einfachen
Frage zu tun: Wer hasst Sie?“ Nach diesem Satz wackelt der mittelalte Mann
leicht nickend mit dem Kopf, wiederholt den Satz, wie um ihn zu prüfen, und
man merkt, dass schon die Vorstellung ihn erschüttert.
Darko Sinkos „Inventory“ (2021) ist einer von sechs Filmen, die
[1][„SloVision – Slowenische Filmtage“] von Donnerstag an im Berliner
[2][Kino Sputnik] präsentiert. Die Filmtage finden statt in Kooperation
zwischen dem slowenischen Kulturinstitut Skica und dem slowenischen
Filmzentrum. Die Filme wurden ausgewählt von Bernd Buder, langjähriger
Leiter des Filmfestivals in Cottbus und Co-Leiter des Jüdischen
Filmfestivals Berlin Brandenburg.
Eröffnet werden die Filmtage mit Sonja Prosencs trockenhumoriger Satire
„Family Therapy“. Prosenc zeigt eine Familie aus der oberen Mittelschicht,
die sich in permanenter Angst vor der Außenwelt in eine Villenfestung
verschanzt hat, die sie nur für expeditionsartige Abstecher in die
nahegelegene Stadt verlässt. Als sie den Sohn des Vaters aus einer früheren
Beziehung bei sich aufnehmen, bekommt das absurde Theater bürgerlicher
Selbstbeschränkung der Familie Risse. „Family Therapy“ nutzt das
kommunikationsunfähige Umhertigern in der Villa als Familienaufstellung.
Der Film hätte ein bisschen Straffung gut vertragen und gefällt sich etwas
zu sehr in seinen sorgfältig kadrierten Bildern, in denen sich ebenso
sorgfältig geplante Bewegungen vollziehen – was zwar sehr schön anzusehen
ist, aber sich auch als hinderlich erweist, um mit der Handlung vorwärts zu
machen. Dennoch ist Prosencs Film, der im Sommer auf dem Tribeca Film
Festival Premiere feierte, eine gute Wahl für einen launigen
Eröffnungsabend.
Ergänzt werden diese beiden Filme durch Marko Šantićs „Wake Me“ von 2022,
in dem sich der Protagonist nach einem Krankenhausaufenthalt und
Gedächtnisverlust der Erkenntnis stellen muss, dass er ein rechtsextremer
Schläger war. Žiga Kukovičs Publikumshit „Gepack“ zeigt vier Jungs auf d…
Provinz auf dem Weg zu einem Musikfestival.
Maja Weiss spürt in ihrem Dokumentarfilm „Snatched from the Source“
slowenischen Kindern nach, die [3][von den Nazis] in Erziehungsanstalten
verschleppt wurden und anschließend bei deutschen Pflegeeltern aufwuchsen.
Petra Seliškars „The Body“ ist eine Langzeitdokumentation einer Freundin
der Filmemacherin, die an einer Immunschwäche erkrankt ist. Seliškars Film
zeigt das Ringen der Protagonistin mit ihrer Krankheit und der schwierigen
Akzeptanz der Erkrankung als Teil ihres Lebens.
Die slowenischen Filmtage fügen sich ein in den Reigen von
Länderprogrammen, mit denen die Kulturinstitute die Kinematografien ihrer
jeweiligen Länder in Berlin sichtbar machen. Für das Berliner Kinopublikum
ist das ein Segen, bietet sich so doch regelmäßig die Gelegenheit, Filme
aus Ländern, die sonst auf Berliner Kinoleinwänden weniger gut vertreten
sind, auf der großen Leinwand zu sehen. Im Falle der Slowenischen Filmtage
sind alle Vorführungen sogar begleitet von Publikumsgesprächen mit den
Filmemacher_innen.
10 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.skica.de/Artikel/Kino_deu_SloVision_%E2%80%93_Slowenische_Filmt…
[2] https://www.sputnik-kino.com/show/festivals
[3] /Graphic-Novel-ueber-Boris-Pahor-Roman/!5968124
## AUTOREN
Fabian Tietke
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