# taz.de -- Dossier über kritische Äußerungen: Hannovers SPD spielt Stasi | |
> Die Ratsfraktion der SPD hat Kritisches von Stadt-Mitarbeiter:innen in | |
> einem Dossier zusammengefasst. Nach öffentlicher Kritik gibt es | |
> Entschuldigungen. | |
Bild: Nur vertraulich wollte die SPD übers Misstrauen in Mitarbeiter sprechen … | |
Hannover taz | Da ist zum Beispiel eine Verwaltungsmitarbeiterin in | |
Hannover, die sich ehrenamtlich in einem Verein engagiert. Er gehört zu den | |
Vereinen, denen auf Betreiben der informellen „Deutschland-Koalition“ aus | |
SPD, CDU und FDP die städtischen Zuschüsse gekürzt werden sollen. Auf ihrem | |
privaten Facebook-Account teilt sie einen Aufruf zur Demo gegen diese | |
Kürzungen. Sie ahnt nicht, dass sich kurze Zeit später die | |
Geschäftsordnungskommission und der Verwaltungsvorstand im hannoverschen | |
Rathaus über diesen Beitrag beugen werden. | |
Die Geschäftsordnungskommission ist das Gremium, in dem sich die | |
Fraktionsspitzen und die Verwaltung über grundsätzliche Verfahrensfragen | |
austauschen. Üblicherweise in vertraulicher Sitzung. Die | |
[1][SPD-Ratsfraktion] hat das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Und | |
mindestens fünf solcher Beiträge zu einem kleinen Dossier zusammengestellt: | |
Aufrufe zu Demonstrationen, die auf Facebook geteilt wurden; jemand, der im | |
Netzwerk Linkedin einen kritischen Beitrag zur Rolle rückwärts in der | |
Verkehrspolitik geteilt und kommentiert hat; Leserbriefe von | |
Verwaltungsmitarbeiter:innen an die Hannoversche Allgemeine | |
Zeitung. | |
Das ginge doch so nicht, fand die SPD-Ratsfraktion. Und forderte den | |
Oberbürgermeister und seine Verwaltungsspitze auf, zu prüfen, ob hier das | |
Neutralitäts- und Mäßigungsgebot verletzt wurde. Schließlich sei der Rat | |
Haushaltssouverän und Dienstherr, da dürfe man doch etwas Zurückhaltung | |
erwarten. | |
Die Verwaltung hat die Vorwürfe geprüft und in einem Gutachten | |
zurückgewiesen. Alle Äußerungen waren von privaten und nicht von | |
dienstlichen Accounts getätigt worden. Zwar war teilweise erkennbar, dass | |
es sich um Mitarbeiter:innen der Stadt handelte – zum Beispiel, weil | |
das im Profil steht – aber in keinem Fall hatten die betreffenden Personen | |
ihre politischen Äußerungen ausdrücklich mit ihrer dienstlichen Funktion in | |
Verbindung gebracht oder suggeriert, dass sie im Namen einer Behörde | |
sprachen. | |
## Intern brodelt es | |
Doch intern brodelte es, wie Thomas Schremmer, Vorsitzender des | |
Gesamtpersonalrats, bestätigt. „Natürlich spricht sich so etwas im Betrieb | |
herum.“ Besonders entsetzt seien er und seine Vorstandskolleg:innen | |
darüber gewesen, dass es hier offenbar durchgehend um einfache Angestellte | |
ging. „Beim Spitzenpersonal, bei Wahlbeamten wie den Dezernenten, da guckt | |
man da ja anders drauf als bei der Sachbearbeiterebene. Ich habe den | |
Eindruck, dass hier Wahlkampf auf dem Rücken der Beschäftigten gemacht | |
wird. Das geht gar nicht.“ | |
Denn natürlich seien die rund 12.000 Beschäftigten der Stadt in erster | |
Linie auch Bürger:innen dieser Stadt, für die nun einmal die | |
Meinungsfreiheit gelte. Besonders ärgerlich für den Personalrat: Gerade an | |
diesem Montag stellt die Stadt eine neue Kampagne zur Gewinnung von | |
Personal vor. | |
Denn wie in vielen anderen Bereichen leidet man auch hier unter dem | |
Fachkräftemangel. 750 Stellen sind derzeit unbesetzt. Mit der Kampagne „Für | |
alle & dich“ möchte man sich als moderner, offener Arbeitgeber in Szene | |
setzten. Dazu passt diese Affäre nicht besonders gut. „Da hat überhaupt | |
niemand etwas von“, ärgert sich Schremmer, „am Ende fällt das doch auf al… | |
zurück, die Politik steht schlecht da und die Verwaltung auch“. | |
Oberbürgermeister [2][Belit Onay (Grüne)] stellte sich mit einem Statement | |
deutlich vor seine Mitarbeiter:innen. Er bezeichnete das Kontrollieren und | |
Sammeln privater Äußerungen als Grenzüberschreitung, die er nicht | |
akzeptiere, da sie Angst und Unsicherheit schürt. Er habe im Übrigen volles | |
Vertrauen, dass die Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung ihren | |
Aufgaben und Pflichten nachkommen – ganz unabhängig davon, welche | |
persönliche Meinung sie vertreten. | |
## SPD-Fraktionsvorsitzender tritt zurück | |
Und die SPD? Gibt sich angesichts der massiven Kritik kleinlaut. Nachdem | |
die Vorwürfe am Wochenende durch die Hannoversche Allgemeine Zeitung | |
öffentlich geworden waren, distanzierte sich der Stadtverband als Erstes. | |
Man sei enttäuscht über das Bild, das nun entstanden sei, und bitte die | |
Mitarbeiter:innen der Landeshauptstadt um Entschuldigung, heißt es da. | |
Man wolle die Vorgänge aufarbeiten und entsprechende Schlüsse ziehen. | |
Beim Vorsitzenden der Ratsfraktion, Lars Kelich, den viele für die | |
treibende Kraft hinter der Aktion halten, klingen die Entschuldigungen noch | |
gewundener. Man habe das Ganze wohlbedacht in einem vertraulich tagenden | |
Gremium zur Debatte gestellt. Die Sammlung habe man doch überhaupt erst | |
angelegt, als die Verwaltung um konkrete Beispiele gebeten habe. Dass | |
daraus ein falscher Eindruck entstanden sei, bedaure er sehr und bitte um | |
Entschuldigung. Am Montagmittag schiebt er eine weitere Erklärung | |
hinterher: Er übernehme die Verantwortung und trete sowohl als | |
Fraktionsvorsitzender als auch als Ratsmitglied zurück. | |
In einem ersten Statement war noch die Rede davon gewesen, „die Fraktionen“ | |
hätten diese Frage bloß einmal grundsätzlich klären lassen wollen, weil sie | |
eine entsprechende Verunsicherung in Teilen der Belegschaft wahrgenommen | |
hätten. CDU und FDP machten jedoch schnell klar, dass dies ein SPD-Thema | |
gewesen ist. Er sei einigermaßen fassungslos über diese Sammlung gewesen, | |
aus der die SPD dann auch noch genüsslich vorgelesen habe, sagt der | |
FDP-Fraktionsvorsitzende Wilfried Engelke. | |
Auch sein CDU-Kollege habe sich an den Kopf gefasst. „Ich habe mich auch | |
schon über viele Social-Media-Äußerungen geärgert, vor allem wenn wir in | |
die Nähe zur AfD gerückt werden“, sagt Engelke. „Aber so lange es den | |
Regeln entspricht, muss man das [3][als Mandatsträger eben auch mal | |
abkönnen.] Da sind die Genossen im Moment einfach zu empfindlich.“ | |
9 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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