# taz.de -- Oberbürgermeisterwahl in Hannover: „Es braucht Räume, die nicht… | |
> Die SPD will sich das Rathaus zurückholen. Axel von der Ohe tritt gegen | |
> seinen Chef an, den grünen Oberbürgermeister Belit Onay – mit grünen | |
> Themen. | |
Bild: Ein hübscher Dienstort, dieses Rathaus in Hannover: Die SPD will wieder … | |
taz: Ist Kämmerer eigentlich eine gute Ausgangsposition, wenn man | |
Oberbürgermeister werden will? Oder ist das in der SPD Hannover einfach der | |
Standard, weil Ex-Ministerpräsident Stephan Weil das erfolgreich so | |
vorgemacht hat? | |
Axel von der Ohe: Das ist sicher kein Muss. Aber auch nicht von Nachteil. | |
Man lernt nicht nur die Stadtverwaltung sehr gründlich und in allen | |
Bereichen kennen, sondern auch die Stadt selbst. Jedenfalls, wenn man den | |
Anspruch hat – und den habe ich immer gehabt – auch Verantwortung für eine | |
gute Entwicklung in der Stadt insgesamt zu übernehmen und nicht nur dafür, | |
dass die Zahlen stimmen. | |
taz: Sie sind nun schon sehr lange Teil der Verwaltungsspitze. Wie wollen | |
Sie sich da von Oberbürgermeister Belit Onay abgrenzen? | |
Von der Ohe: Das werde ich oft gefragt. Aber ich definiere mich nicht in | |
erster Linie in Abgrenzung zu irgendwem. Ich möchte zusammen mit meiner | |
Partei ein eigenständiges Politikangebot formulieren, erklären, wofür wir | |
stehen und dann werden sich die Leute schon selbst ein Bild machen. | |
taz: Trotzdem müssen sie bis zur Wahl ja jetzt noch 15 Monate zusammen | |
arbeiten. Wie soll das denn gehen? | |
Von der Ohe: Wir sind doch nicht die erste Kommune, in der es so eine | |
Konstellation gibt. Mal ehrlich, das ist ein normaler demokratischer | |
Prozess. Ich habe den Eindruck, dass sowohl Belit Onay als auch ich genug | |
demokratische Reife und Professionalität haben, um das vernünftig | |
miteinander auszutragen und trotzdem unseren Ämtern gerecht zu werden. | |
taz: Der spektakuläre Bruch der grün-roten Koalition im Rathaus hat viele | |
verschreckt, für die dieses Bündnis selbstverständlicher Teil des | |
politischen Inventars war – als einzige realistische Machtoption für | |
progressive Politik. | |
Von der Ohe: Auch das sehe ich weniger dramatisch. Da ist eine Koalition | |
gescheitert. Dennoch haben Rot und Grün auch seither einige Vorhaben | |
gemeinsam verabschiedet. Bei anderen Fragen hat die SPD Mehrheiten mit CDU | |
und FDP gefunden. Man nennt das wechselnde Mehrheiten. | |
taz: Woran ist es denn dann gescheitert? Wirklich an der autofreien | |
Innenstadt oder eher daran, dass ihre SPD nicht Juniorpartner sein mag? | |
Von der Ohe: Nein, in meinen Augen hat es da ganz offensichtlich einen | |
längeren Entfremdungsprozess gegeben. Da war irgendwann nicht mehr genug | |
Vertrauen zwischen den Akteuren. Und wenn das fehlt, schaffen sie es auch | |
nicht mehr, inhaltliche Differenzen zu überbrücken und miteinander | |
Kompromisse auszuhandeln. | |
taz: Also ging es überhaupt nicht um die autofreie Innenstadt und die | |
Parkplätze? | |
Von der Ohe: Also, ich bin ja jetzt nicht der Sprecher der | |
SPD-Ratsfraktion. Offenbar hatten viele den Eindruck: Da werden die Dinge | |
in der falschen Reihenfolge angegangen. Man muss kein großer Revoluzzer | |
sein, um zu verstehen, dass Innenstädte von morgen weniger Autos bedeuten | |
werden. Ich teile dieses Ziel. Aber es ist kein Selbstzweck. Als erstes | |
müssen wir über die Alternativen reden. Darüber wie man die Innenstadt | |
belebt, attraktiv und erreichbar macht. Und nicht als erstes darüber, was | |
nicht mehr geht. Vielleicht verbeißen sich einige da in eine Frage, die am | |
Ende gar nicht die entscheidende ist. | |
taz: Was wäre denn die wichtigere? | |
Von der Ohe: Als erstes: ganz Hannover in den Blick nehmen. Hannover ist | |
mehr als die City. Aber natürlich bleibt die Innenstadt ein wichtiger Ort. | |
Ich stelle mir die Innenstadt von morgen als einen Ort des Handels vor. | |
Genauso aber als einen Ort, der sich stärker für Gewerbe, Büros, Wohnen, | |
Kultur und Events öffnet. Dafür braucht es vor allem mehr | |
Aufenthaltsqualität, aber auch Räume, die nicht kommerzialisiert sind – | |
gerade für Familien. Und wir müssen noch konsequenter daran arbeiten, dass | |
sich die Menschen sicher fühlen in der Innenstadt. | |
taz: Sehen Sie da größere Schnittmengen mit der CDU als mit den Grünen? | |
Von der Ohe: Ich habe den Anspruch, gesprächsfähig in Richtung aller | |
demokratischer Fraktionen zu sein. Aber ich denke – wie gesagt – nicht als | |
erstes in Koalitionen. Beim Thema Sicherheit brauchen wir Prävention, aber | |
eben auch repressive Maßnahmen. Da reden wir über eine Ausweitung der | |
Waffenverbotszonen, über mehr Videoüberwachung, mehr Präsenz von | |
Ordnungskräften und Polizei, mehr Sauberkeit. | |
taz: Und Sie glauben, das hilft? | |
Von der Ohe: Das hat zum Teil schon geholfen. Aber natürlich geht es um | |
mehr. Als Sozialdemokrat habe ich einen Sicherheitsbegriff, der mehr ist | |
als Law and Order. Da geht es eben auch um Teilhabe und soziale Sicherheit. | |
Und damit meine ich nicht nur mehr Sozialarbeit – die brauchen wir auch –, | |
sondern auch solche Fragen wie: Wie sichern wir bezahlbaren Wohnraum? Wie | |
sichern wir Arbeitsplätze? Wie eine gute Gesundheitsversorgung vor Ort? | |
taz: Kann man das als Kommune überhaupt? | |
Von der Ohe: Das muss der Anspruch sein. Was ich erlebe und was mich | |
wirklich umtreibt, ist, dass viele Leute das Vertrauen verloren haben. Das | |
Vertrauen in die Funktionsfähigkeit dieser Art von demokratischem | |
Gemeinwesen, das Vertrauen in die Art und Weise, wie wir unser Gemeinwesen | |
organisiert haben. Da unterscheiden viele nicht zwischen Kommune oder Land | |
oder Bund. Diese Vertrauenslücke müssen wir schließen. | |
taz: Und wie soll das gehen? | |
Von der Ohe: Wir müssen ein politisches Angebot machen, dass den Leuten | |
zeigt, dass ihr Alltag im Mittelpunkt steht. Und dass die öffentliche Hand | |
in der Lage ist, das zu leisten, was man von ihr erwartet. Und da, wo das | |
möglicherweise nicht sofort klappt, müssen wir umso intensiver in den | |
Dialog gehen. Ein zentrales Thema bei alledem ist für mich, dass wir massiv | |
in die [1][kommunale Infrastruktur], vor allem in Kitas und Schulen, | |
investieren müssen. | |
taz: Also setzen Sie jetzt auf den Geldsegen, den die Bundesregierung mit | |
ihrem Sondervermögen zugesagt hat? | |
Von der Ohe: Die Entscheidung für das [2][Sondervermögen] war richtig. Und | |
überfällig. Was die Verteilung der Mittel angeht, ist manches noch unklar. | |
Aber klar ist: Das Programm ist eine große Chance für Hannover. | |
taz: Klingt sehr nach der Marschrichtung, die Ihr Parteivorsitzender Lars | |
Klingbeil ausgegeben hat: zurück zur Mitte und zum starken Staat. | |
Von der Ohe: Absolut. Da liege ich mit ihm auf einer Linie. Ich habe | |
[3][keine Berührungsängste bei dem Wort „Mitte“]. Im Gegenteil: Genau da | |
müssen wir hin – in die Mitte unserer Stadt. Und ich glaube, dass es nicht | |
zuletzt auch darum geht, handwerklich gute Politik zu machen, [4][um die | |
Demokratie stark zu machen] und die Rechten zurückzudrängen. | |
3 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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