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# taz.de -- Regierungskrise in Südkorea: Präsident Yoon sieht rot
> In einer trotzigen Fernsehansprache hat Südkoreas Präsident seine
> Kriegsrechtsentscheidung verteidigt. Sein politisches Schicksal scheint
> dennoch besiegelt.
Bild: Der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol hält eine Ansprache an die …
Seoul taz | Völlig unverhofft wandte sich Yoon Suk Yeol am Donnerstag an
das südkoreanische Volk. Doch was die Leute vor den Fernsehschirmen zu
sehen bekamen, war keineswegs ein reumütiger Präsident, der sich für die
größte Staatskrise der letzten Jahrzehnte entschuldigen würde. Ganz im
Gegenteil: Der 63-Jährige ging vollständig in den Angriffsmodus über.
Mit selbstbewusster, firmer Mine verteidigte er seine Entscheidung von
letzter Woche, [1][das Kriegsrecht über Südkorea verhängt zu haben]. Er
hätte die demokratische Ordnung schützen müssen, sagte Yoon. Die Opposition
hätte mit ihren Blockaden die Regierungsarbeit lahmgelegt. Gegen Ende
seiner Rede fügte Yoon einen schicksalhaften Satz an, der wohl schon bald
in Südkoreas Geschichtsbücher eingehen wird: „Ich werde bis zum Ende
kämpfen“.
Damit hat der konservative Politiker zumindest in einem Punkt Klarheit
geschaffen: Trotz immensem öffentlichen Drucks, flächendeckenden
Demonstrationen und laufenden Polizeiermittlungen wird Präsident Yoon Suk
Yeol nicht aus eigenen Stücken zurücktreten. Für den langjährigen
Staatsanwalt heißt es jetzt also: alles oder nichts.
## Neues Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon eingeleitet
Sein trotziger bis siegessicherer Tonfall kann jedoch nicht darüber
hinwegdeuten, dass Yoons politischer Niedergang de facto bereits besiegelt
ist. In einer umgehenden Reaktion auf seine Ansprache sprach Han Dong Hoon,
Parteichef der regierenden Konservativen, denen auch Yoon selbst angehört,
erstmals öffentlich davon, dass dieser seines Amtes enthoben werden müsse.
Der von der Opposition eingereichte Antrag, der am Samstagnachmittag im
Parlament zur Abstimmung kommt, sollten auch die konservativen Abgeordneten
unterstützen, sagte Han.
Damit gilt als nahezu gesichert, dass das [2][Amtsenthebungsverfahren] die
benötigte Zweidrittelmehrheit erhalten wird. Denn 192 der insgesamt 300
Abgeordneten gehören ohnehin den Oppositionsparteien an. Mit Stand
Donnerstagabend haben sich zudem bereits sieben Abgeordnete der
Regierungspartei offen dazu bekannt, am Samstag ebenfalls für den Antrag zu
stimmen. Es benötigt also nur mehr eine einzige weitere Stimme, damit der
Präsident – zumindest übergangsweise bis zur finalen Entscheidung der
Staatsanwaltschaft – seine Macht abgeben muss.
Die Amtsgeschäfte würde dann Premierminister Han Duck Soo übernehmen. Der
studierte Ökonom und langjährige Diplomat gilt als besonnener Politiker und
bestens dafür geeignet, das Land aus seinen tiefen ideologischen
Grabenkämpfen herauszuhieven. Am Mittwochabend erntete er große Anerkennung
dafür, dass er trotz der Ausnahmesituation aus der Deckung ging und bei
einer Veranstaltung der deutschen und französischen Handelskammern
versuchte, die internationalen Unternehmensvorstände zu beruhigen.
Südkoreas Bekenntnis zur Marktwirtschaft sei ungebrochen, sagte er.
## Präsident ist politisch handlungsunfähig
Doch die derzeitige Gretchen-Frage, wer denn momentan tatsächlich die Macht
in Südkorea habe, konnte auch er nur ausweichend beantworten: „Südkorea ist
ein Land, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht. Mein Präsident übt seine
Autorität im Rahmen der Verfassung aus, aber er würde gerne einige seiner
Befugnisse delegieren“, sagte Han.
Auf dem Papier mag Yoon Suk Yeol noch Präsident sein, doch politisch ist er
handlungsunfähig. Und beim Volk hat der spätestens seit Mittwoch sämtliche
Gunst verloren, als nämlich [3][die präsidialen Sicherheitskräfte die
angerückten Polizisten bei einer angeordneten Razzia im Präsidentenbüro
blockierten]. Mit der Durchsuchung wollte die Staatsanwaltschaft Dokumente
konfiszieren, welche die Umstände der Kriegsrechtsentscheidung ausleuchten.
Yoon jedoch stellte sich mit seiner Verweigerungshaltung ganz dreist über
das Gesetz.
Die Rechnung dafür bekam das Staatsoberhaupt bereits heute in Form von
zunehmendem Volkszorn präsentiert. Die in Teilen linksradikale Gewerkschaft
KCTU hat am Donnerstagnachmittag einen Protestzug einberufen, der sich
seinen Weg vom Rathaus bis zum Wohnsitz des Präsidenten bahnte. „Verhaftet
den Rädelsführer Yoon Suk Yeol!“, riefen etwa tausend Demonstranten direkt
vor dessen Residenz. Sie besetzten ganze Straßenzüge und lieferten sich
kleine Rangeleien mit der Polizei. Noch scheint die Lage friedlich, aber es
dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der Frust in Teilen der
Bevölkerung in offene Gewalt entlädt.
12 Dec 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Kriegsrecht
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