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# taz.de -- Amtsenthebung von Südkoreas Präsident: Ein Sieg für die Demokatie
> Eine Parlamentsmehrheit hat Yoon Suk Yeol – zumindest vorübergehend –
> seines Amtes enthoben. Für die meisten Südkoreaner ist dies ein Grund zum
> Aufatmen.
Bild: Nachdem das südkoreanische Parlament für ein Amtsenthebungsverfahren ge…
Seoul taz | Als die Abstimmungsergebnisse auf der Anzeigetafel im
Plenarsaal der Nationalversammlung aufleuchteten, brachen die rund 200.000
Demonstranten außerhalb des Parlamentsgebäudes in offenen Jubel aus. Die
Entscheidung sei ein „Sieg für die Demokratie und das Volk“, sagte Park
Chan Dae, Fraktionsvorsitzender der oppositionellen Demokratischen Partei
(DP). Und die meisten Südkoreanerinnen und Südkoreaner würden dem
zustimmen.
204 von insgesamt 300 Abgeordneten votierten am Samstagabend für eine
Amtsenthebung von [1][Präsident Yoon Suk Yeol, der sein Land mit seiner
Kriegsrechtsentscheidung] in eine tiefe Staatskrise gestürzt hat. Damit
erreichte der Antrag – wenn auch nur knapp – die benötigte
Zweidrittelmehrheit. Gemessen an den Mehrheitsverhältnissen haben
mindestens zwölf Abgeordnete der Regierungspartei ebenfalls für die
Amtsenthebung ihres Präsidenten gestimmt.
Was für Südkorea auf dem Spiel stand, ist nach wie vor in den
Räumlichkeiten der Nationalversammlung zu besichtigen: eine eingeschlagene
Holztür, über die sich Soldaten in den Nachtstunden des 3. Dezembers Zugang
zum Parlament verschafft haben. Unzählige umgeworfene Tische und Sessel,
mit denen die Abgeordneten versucht haben, sich zu verbarrikadieren. Nur
haarscharf konnten damals 190 von ihnen im Plenarsaal eine spontan
einberufene Abstimmung durchführen – und so den Präsidenten zur
Wiederaufgabe des Kriegsrechts zwingen. Das Militär hatte schließlich
bereits den Befehl, die Politiker aus dem Gebäude zu zerren.
Für die junge Demokratie Südkoreas war jener Ausnahmezustand vor allem
deshalb so traumatisierend, weil er an die dunkle Zeit der
Militärdiktatoren erinnerte. Das letzte Mal, dass ein südkoreanisches
Staatsoberhaupt das Kriegsrecht ausrief, war im Frühjahr 1980: Damals
schossen die Soldaten mit Gewehrsalven auf Studenten in der Stadt Gwangju –
auf jene jungen Menschen, die freie Wahlen für ihr Land forderten.
Über vier Dekaden später reagierte die koreanische Öffentlichkeit höchst
wachsam – und blitzschnell: Täglich marschierten Demonstranten in der
Innenstadt auf, um den Rücktritt des Präsidenten zu fordern. Die Proteste
ähnelten oft Outdoor-Konzerten mit Musik, Tanzeinlagen und jeder Menge
Spaß.
„Die Amtsenthebung von Yoon Suk Yeol spiegelt die breite Unterstützung der
Südkoreaner für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wider“, sagt Elaine
Pearson, Asien-Direktorin der NGO Human Rights Watch.
Tatsächlich ist Yoons präsidiale Macht nur vorübergehend ausgesetzt. „Ich
werde all die Kritik, den Zuspruch und die Unterstützung, die ich erhalten
habe, mitnehmen und bis zum Ende mein Bestes für die Nation geben“, sagte
Yoon Suk Yeol in einer Ansprache, die er in seinem Präsidentenwohnsitz
aufnehmen ließ.
Doch Fakt ist: Sein politisches Schicksal liegt nicht mehr in den eigenen
Händen. Das Verfassungsgericht wird nun über die finale Entscheidung
abstimmen, ob Yoons Amtsenthebung rechtskonform ist oder als
verfassungswidrig wieder aufgehoben wird. Möglicherweise könnte dem
63-jährigen Konservativen dabei eine Formalie zu Gute kommen: Da derzeit
nur sechs von insgesamt neun Richterstellen am Verfassungsgericht besetzt
sind, reicht bereits eine Veto-Stimme aus, um Yoon wieder zurück ins
Präsidentenamt zu befördern. Bei voller Besetzung wären vier Veto-Stimmen
notwendig.
Ein halbes Jahr hat das Verfassungsgericht jetzt Zeit für seine
Entscheidung. Doch dessen Vorsitzender hatte bereits versprochen, „rasch
und fair“ weiterverfahren zu wollen. Darauf pochen nicht nur internationale
Unternehmen, die sich angesichts der volatilen Lage mit Investitionen in
Südkorea zurückhalten. Sondern natürlich wünscht sich allen voran die
Bevölkerung ein rasches Ende des Machtvakuums, damit die wahren Probleme
des Landes angegangen werden.
Übergangsweise wird vorerst der 75-jährige Premierminister Han Duck Soo die
Amtsgeschäfte des Staates leiten. Der ehemalige Botschafter gilt als
besonnen und diplomatisch. In einer ersten Handlung hat er sein Militär
dazu aufgerufen, seine Sicherheitsvorkehrungen zu verstärken. Das ist auch
ein Wink in Richtung Nordkorea, das möglicherweise im Falle einer
anhaltenden Staatskrise das Chaos im Süden ausnutzen könnte.
Yoons Unterstützung innerhalb der Öffentlichkeit war spätestens seit
Donnerstag endgültig erodiert, als er in einer Fernsehansprache seine
umstrittene Kriegsrechtsentscheidung ohne wenn und aber verteidigt – und
als Maßnahme zum Schutz der Nation dargestellt hatte. Seine Umfragewerte
fielen daraufhin auf ein Rekordtief von elf Prozent.
14 Dec 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Amtsenthebung
Kriegsrecht
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