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# taz.de -- Leben ohne Smartphone und Computer: Recht auf analoge Teilhabe
> Konto, Bahn-Card, Arzttermin – nur noch digital? Ein Gutachten stärkt nun
> die Verfechter für das Recht, ohne Smartphone oder Computer zu leben.
Bild: Auch das Gesundheitswesen wird zunehmend digitalisiert – zum Beispiel m…
Berlin taz | Menschen haben ein Recht auf analoge Teilhabe am Leben. Das
ist das Ergebnis eines [1][Gutachtens] des Netzwerks Datenschutzexpertise.
„Es fehlt vielerorts das Bewusstsein, dass Digitalisierung nicht die Lösung
aller gesellschaftlichen Probleme ist“, erklärt Thilo Weichert, einer der
Autor:innen des Gutachtens und ehemaliger Datenschutzbeauftragter von
Schleswig-Holstein.
„Digital only“ könne diskriminierend, undemokratisch und unsozial sein. In
dem Gutachten fordern er und seine Mitautorin Karin Schuler, ein „Recht auf
analoge Teilhabe normativ festzuschreiben“.
Das Gutachten ist eine Reaktion darauf, dass [2][das Leben ohne Internet,
ohne E-Mail-Adresse, ohne Computer oder Smartphone immer schwieriger] wird.
Firmen und mitunter auch staatliche Akteure setzen zunehmend voraus, dass
Menschen digital erreichbar und versiert sind. So setzen beispielsweise
Banken auf digitale Kontoverwaltung, bauen Filialen ab und verteuern die
Kontoführung auf Papier. Die digitale Kontoführung braucht meistens ein
Smartphone, um via App Transaktionsnummern (TANs) für Überweisungen und
andere Aufträge zu generieren.
Die elektronische Patientenakte, die im kommenden Jahr für alle gesetzlich
Versicherten Standard wird, lässt sich im vollen Umfang nur per App
verwalten. Die Terminvereinbarung bei Arztpraxen läuft immer stärker über
Online-Plattformen. [3][Die Deutsche Bahn hat die Bahn-Card] nicht mehr als
Plastikkarte im Angebot, sondern drängt ihre Kund:innen in die App.
Und auch der Staat zwingt mitunter zum Digitalen: Studierende, die im
vergangenen Jahr ihre staatliche Energiepreispauschale beantragen wollten,
[4][mussten sich dafür ein Nutzer:innenkonto bei BundID] einrichten.
Das [5][bewertete die Datenschutzbeauftragte von Sachsen-Anhalt später als
unzulässig].
## Petition gegen Digitalzwang
Als Reaktion auf den insgesamt zunehmenden Digitalzwang hatte der
Bürgerrechtsverein Digitalcourage im Frühjahr eine [6][Petition] gestartet.
Die Forderung: Das Recht auf analoge Teilhabe soll ins Grundgesetz. „Dieses
juristische Gutachten bestärkt uns in unserem Bestreben, das Recht auf ein
Leben ohne Digitalzwang im Grundgesetz zu verankern“, erklärt Rena Tangens
von Digitalcourage nun.
Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge waren im vergangenen
Jahr gut 5 Prozent der Menschen in Deutschland im Alter zwischen 16 und 74
Jahren sogenannte Offliner. Das heißt, sie haben noch nie das Internet
genutzt. Das entspreche 3,1 Millionen Menschen in Deutschland.
Für sie könnte ein Grundrecht auf analoges Leben die Situation verbessern.
Eine entsprechende Verankerung im Grundgesetz hätte laut dem Gutachten zur
Folge, dass der Anspruch von Betroffenen einfacher eingeklagt werden könne.
Öffentliche Stellen würden explizit und grundsätzlich zu einer analogen
Alternative verpflichtet. Ein Vorgehen wie bei der Energiepreispauschale
für Studierende wäre dann wohl schon im Vorfeld klarerweise unzulässig.
Aber auch gegenüber Privatunternehmen könnte ein entsprechendes Grundrecht
helfen, so das Gutachten. Und zwar dann, wenn ein „überlegener
Vertragspartner ein solches Gewicht hat, dass er faktisch einseitig die
Beziehung bestimmen kann“. In solchen Fällen komme dem Staat eine
„Schutzpflicht“ zu. Wie weit die Deutsche Bahn oder Banken gehen dürften
mit ihrer Einschränkung analoger Möglichkeiten, müssten dann Gerichte
entscheiden.
12 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.netzwerk-datenschutzexpertise.de/sites/default/files/gut_2024_d…
[2] /Recht-auf-analoges-Leben/!6009956
[3] /Big-Brother-Award-fuer-die-Bahn/!6039634
[4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/einmalzahlung-200-studiere…
[5] https://datenschutz.sachsen-anhalt.de/landesbeauftragte/pressemitteilungen/…
[6] https://digitalcourage.de/blog/2024/petition-fuer-recht-auf-ein-leben-ohne-…
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
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