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# taz.de -- Umgang mit der AfD: Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
> Über die Frage, ob wir AfD-Wähler:innen in der taz mehr zitieren sollten,
> diskutiert die Redaktion seit Wochen heftig. Ein Pro & Contra.
Bild: Die AFD wirft ihre Schatten voraus
Ja!
Denn das Jahr 2024 wird [1][mit einem großen Rechtsruck in die Geschichte]
eingehen. In Europa, in Thüringen, in Sachsen und Brandenburg, in den USA –
überall haben sehr viele Leute rechte und rechtsextreme Parteien gewählt.
Und Journalist*innen haben die Aufgabe, das abzubilden, einzuordnen, zu
erklären.
Die Frage, ob wir AfD-Wähler*innen in der taz zitieren sollen, finde ich
absurd. Die Aufgabe von Journalist*innen ist es, Gegenwart zu
beschreiben. Und die ist geprägt von einem rechten Zeitgeist. Um zu
verstehen, woher dieser kommt, können wir Studien wälzen, Soziologinnen
befragen oder Lehrer, die mit rechten Jugendlichen arbeiten. Aber warum
nicht auch die, die mit ihrer Stimme selbst den rechten Zeitgeist
vorantreiben?
Zu behaupten, mit AfD-Wähler*innen bräuchten wir nicht zu sprechen, weil
wir wüssten, was sie sagen, ist keine journalistische Denkweise. Es kommt
vor, dass bei diesen Gesprächen nicht viel herauskommt, dass das Gegenüber
Fakten verdreht, für Gegenargumente nicht offen ist. Aber die Aufgabe von
Journalist*innen ist es nicht, diese Leute zu bekehren, sondern sie zu
beschreiben.
Ein Argument gegen AfD-Stimmen in der taz ist, dass „wir“ „denen“ keine
Bühne bieten sollen. Darin steckt mir zu viel Moral: Ja klar, jede Zeitung,
jede Talkshow ist eine Bühne. Aber es ist auch ein Ort, an dem
Öffentlichkeit verhandelt wird. An dem sich Leute informieren, informiert
werden – von uns Journalist*innen. Dieser Aufgabe kommen wir nicht nach,
wenn wir einen relevanten Teil der Bevölkerung ausklammern.
Wenn wir die Forderung, dass wir AfD-Stimmen nicht in der taz abbilden
sollten, weiterspinnen – was heißt das für unsere
Auslandsberichterstattung? [2][Mit Trump-Wähler*innen reden wir nicht], mit
denen von Le Pen, Meloni, Milei und Putin auch nicht? Dann wäre unsere
Berichterstattung ziemlich dünn.
## Auseinandersetzung ist wichtig
Das heißt nicht, dass wir im Bundestagswahlkampf eine Doppelseite drucken,
auf der AfD-Wähler*innen ungefiltert ihren Frust und Hass abladen dürfen.
So einen Platz würden wir auch SPD-Wähler*innen nicht einräumen. Aber die
Wahlkampfreportage vom Höcke-Auftritt, mit Stimmen aus dem Publikum?
Unbedingt. Die Recherche im Umfeld der rechten Terrorgruppe mit
verständnisvollen Zitaten aus der Nachbarschaft? Natürlich, so arbeiten wir
doch sowieso.
Neben ihren Wähler:innen interessiert uns auch vieles anderes an der
Partei. Ihre Spenden- und Spionageskandale. Die rechtsextremen Netzwerke
ihrer Mitarbeiter*innen. Die Umsturzpläne ihrer Mandatsträger. Diese
Recherchen haben immer wieder gezeigt, dass es manchmal nicht weit ist vom
AfD-Wähler zum Rechtsterroristen.
Deshalb hat das Zuhören und Zu-Wort-kommen-Lassen natürlich Grenzen.
Menschenverachtende, rassistische Aussagen müssen wir nicht im Wortlaut
wiedergeben. Sie lassen sich beschreiben und einordnen. Und zweitens:
Niemand muss für seinen Job seine Gesundheit riskieren, schon gar nicht,
wenn man selbst für das, was man ist, von der AfD bekämpft wird. Anne Fromm
Anm. der Redaktion: Wir haben den Titel und den Text leicht angepasst, um
Missverständnisse zu vermeiden. Es geht nicht darum, AfD-Wähler:innen in
der taz schreiben zu lassen. Es geht darum, diese Stimmen zu zitieren und
abzubilden.
Nein!
Nein, denn damit würde die taz den AfD-Wähler:innen auf den Leim gehen. Wie
wir mittlerweile wissen, wählen viele die Partei nicht (mehr) aus Protest,
sondern weil sie deren rechtsextremes Weltbild komplett unterschreiben: Sie
wollen Migrant:innen abschieben und Rechte für Frauen und queere
Personen beschneiden. Sie machen sich nicht nur mit dem russischen
Kriegstreiber Putin gemein, sondern auch mit anderen Diktatoren dieser
Welt. Die AfD und ihre Wähler:innen wollen das Bundesverfassungsgericht
umkrempeln und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk am liebsten abschaffen.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Kurz gesagt: Sie wollen den Staat nach
ihrem rechten Weltbild umformen. Über all das ist über Maß berichtet
worden.
So zu tun, als erführe man mit jedem weiteren Interview mehr darüber, was
in den Köpfen von AfD-Wähler:innen so abgeht, ist naiv. Das zeigen bereits
all die Reportagen und Fernsehberichte, die genau das schon versucht haben.
Da steht ein Mann vor der Kamera und behauptet ganz offen, dass Hitler und
dessen Taten doch eine gute Sache waren.
Will man das auch noch in der taz lesen? Wer glaubt, durch Diskussionen,
Interviews und Streitgespräche mit AfD-Wählenden für einen offenen
Journalismus zu sorgen, sitzt einem Trugschluss auf. Jeder neue Text zur
AfD und ihren Fürsprecher:innen bringt wenig Neues, sondern
reproduziert das bereits Bekannte – und dürfte die AfD jubeln lassen: Jetzt
haben wir auch die taz im Sack.
## Sie wollen keine Argumente hören
Wer jemals versucht, mit Menschen, die der AfD nahestehen, ein offenes
Gespräch zu führen, dürfte in Kürze an die Grenzen eines solchen geraten.
Sie wollen keinen Dialog, den Dialog wollen nur wir. AfD-Wähler:innen
beharren auf ihren Argumenten, sie wollen nicht einmal hören, was die
andere Seite sagt. Ich selbst habe das mehrere Male erlebt und musste
leider feststellen, dass sich „die anderen“ in keiner Weise auf Argumente
einlassen, die nicht ihre kruden Thesen stützen. Um es noch deutlicher zu
sagen: Es gilt einzig ihre Meinung, Punkt.
Die AfD-Gläubigen beanspruchen das Recht auf ihrer Seite, verweisen auf
ihre Quellen: [3][all die Fakenews-Seiten, die sie regelmäßig lesen und
denen sie zu 100 Prozent glauben]. Sie weisen wiederum die (in unseren
Augen) seriösen Medien als unseriös ab, gern mit den Worten: „DAS sind
Fakenews.“ Erst neulich habe ich das wieder erleben dürfen und mich als
„Tagesschau-Verseuchte“ beschimpfen lassen müssen. Gern faseln solche Leute
etwas von einer „Apartheid in Deutschland“ und dass es in Deutschland
keinerlei Demokratie gebe.
Wie also sollte man ihnen begegnen? Mit Gefühligkeit? Vermutungen? Bitten
nach mehr Toleranz? Wer glaubt, diese Hardliner zum Nachdenken oder gar
dazu zu bringen, dass sie sich mit ihrem Geschwurbel selbst entlarven, darf
sich am Ende nicht wundern, wenn das nicht gelingt. Das Gegenteil wird
passieren: Mit Statements in unserer Zeitung würden wir ihnen eine mediale
Bühne bieten, die besser nicht sein könnte. Dafür sollte sich die taz auf
keinen Fall hergeben. Simone Schmollack
22 Nov 2024
## LINKS
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[3] /Strategien-gegen-Fake-News/!6044579
## AUTOREN
Simone Schmollack
Anne Fromm
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