| # taz.de -- Supalife Kiosk in Prenzlauer Berg: Analog statt Photoshop | |
| > Der Supalife Kiosk in Prenzlauer Berg versteht sich als Plattform für die | |
| > Kunst- und Siebdruckszene. Der Freiraum feierte sein 20-jähriges | |
| > Jubiläum. | |
| Bild: Das Sieb kommt nicht aus der Mode: Supalife-Mitbegründerin Gabriele Zygor | |
| Berlin taz | Mist. Das Bild des Monats ist schon längst ausverkauft, man | |
| hätte online viel schneller zuschlagen sollen. Aber es gab ja lediglich 20 | |
| nummerierte und signierte Exemplare. „Tulpe“ zeigt eben diese | |
| Frühlingsblume in einer 1970er-Jahre-mäßigen Blumenvase mit viel Dekor, es | |
| handelt sich um einen Schablonendruck in drei Farben von Martin Krusche. | |
| Hier im [1][Supalife Kiosk] findet man viele handgedruckte, nummerierte und | |
| signierte Siebdruckarbeiten in einer Preispanne von 40 bis 400 Euro. Ideale | |
| Weihnachtsgeschenke. | |
| [2][Krusche] lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin. Er mag es „oldschool“ | |
| und arbeitet am liebsten analog mit Stift, Tinte, Pinsel und Papier. Er | |
| zeichnet, malt, klebt, sprüht, druckt. Krusches Arbeiten entstehen in | |
| Kleinstauflagen und sind von der Vorlage bis zum Druck selbst gemacht. | |
| Damit passen sie gut zum Supalife Kiosk, der am vergangenen Wochenende | |
| ausgiebig sein 20-jähriges Jubiläum feierte. | |
| Der Supalife Kiosk in der Raumerstraße 40, mitten in Prenzlauer Berg nahe | |
| dem Helmholtzplatz gelegen, präsentiert seit 2004 Künstler:innen aus den | |
| Bereichen Urban Art, Grafikdesign, Illustration und Comic. Der Laden | |
| versteht sich als Galerie und Plattform für die Berliner Grafik-, | |
| Illustrations- und Siebdruckszene und dient als Schnittstelle zu einem | |
| kunstinteressierten, internationalen Publikum. Es gibt sechs bis acht | |
| Ausstellungen pro Jahr, allesamt ehrenamtlich organisiert. Der Kiosk bietet | |
| regelmäßig Siebdruck- und Holzschnittworkshops an. | |
| ## Eine neue Edition zum Jubiläum | |
| Am Samstagabend wurde die Jubiläumsausstellung eröffnet, im hinteren Raum | |
| gibt es eine „bunte Wand“ mit einigen Arbeiten aus den Editionen der | |
| letzten Jahre zu sehen. Nicht alle, dafür ist nicht genug Platz. Es dürften | |
| 40 oder 50 Künstler:innen sein, die sich in all den Jahren an den | |
| Editionen beteiligten. So genau weiß das niemand. „Wir müssten erst | |
| nachzählen“, sagt Supalife-Mitbegründerin Gabriele Zygor. | |
| Bis Anfang des neuen Jahres sind die Arbeiten zu sehen. Darunter auch drei | |
| Arbeiten von Streetartist [3][EVOL], der mit seinen Stencils | |
| (Schablonenkunst) von Plattenbauten in Ostberlin international bekannt | |
| wurde. | |
| Seit Samstag ist auch die neue Supalife-Edition zu sehen: Zum Jubiläum | |
| wurden Künstler:innen gebeten, das Äußere des Supalife Kiosk, also die | |
| Ladenfront, abzubilden. Adeline Meilliez, Studio Miammmiam, Phillip Janta, | |
| Michael Zander, Frank Lindenberg und Yves Haltner sind dabei. | |
| Beim Jubiläum wurde bis in den Morgen hinein gefeiert, sagt Gabriele Zygor, | |
| „wir hatten ein volles Haus“, als sie am Sonntagnachmittag zusammen mit | |
| anderen aufräumt. „Auch alle aus der alten Gruppe waren da.“ Zygor gehört | |
| selbst dazu, deshalb kann sie gut von den Anfängen erzählen. Zur | |
| Gründungsgruppe gehörten auch Carolin Biegert, Ellen Roth, Jens Krisinger, | |
| Sven Ehmann, Sascha Prosek und Holger Mayer. | |
| ## Fördern, Vernetzen, Pushen | |
| Die Geschichte nimmt schon vor 25 Jahren ihren Lauf. 1999 studiert Gabriele | |
| Zygor an der [4][Fachhochschule für Technik und Wirtschaft und Berlin] | |
| (FHTW). „Damals noch an der Warschauer Straße“, erzählt Zygor, sie hatte | |
| sich für Kommunikationsdesign entschieden. | |
| „Als das Diplom näher rückte, entwickelte sich bei uns das Bedürfnis nach | |
| einem Raum für die Präsentation unserer Diplomarbeitsergebnisse. 1999 hat | |
| die Zukunft angefangen“, sagt Zygor lachend. Zusammen haben die sieben | |
| Künstler:innen einen der ersten Projektläden im Kiez aufgemacht, in der | |
| Raumerstraße, in einer leerstehenden 2-Zimmer-Wohnung, die früher schon mal | |
| ein Laden war. Und jetzt wieder: nur eben für Kunst. | |
| Zygor selbst hat mit dem Siebdruckprojekt „Flüstertüte“ ihr Diplom | |
| erreicht. Das war eine mit Siebdruck bedruckte große Papiertüte, die sie an | |
| Passanten verschenkte, damit diese ihre Einkaufsplastiktüten, die damals | |
| noch in rauen Mengen verwendet wurden, hineinstecken konnten. Das waren | |
| Papiertüten mit Zeilen bedruckt wie „Leben nicht vergessen!?“ und „Liebe… | |
| oder „Zusammensein!?“, die über die Markenbotschaften gestülpt werden | |
| konnten. | |
| Sie tauften den Laden „Filesharing“, weil das kleine Kollektiv von Beginn | |
| an mit Computern der Marke mit dem angebissenen Apfel arbeitete. Was für | |
| ein sinnfälliger Name. „Das Prinzip des Förderns, Vernetzens und sich | |
| gegenseitig Pushens hat von Anfang an gut funktioniert.“ Hier gab es Raum | |
| und Möglichkeiten, zusammenzuarbeiten, zu brainstormen, Synergien zu | |
| nutzen, Netzwerke zu knüpfen, ja, und Kunst zu Geld zu machen. 2004 gab | |
| sich das Team den neuen Namen „Supalife Kiosk“, nachdem sich einige | |
| Mitstreiter aus dem Gründerteam anderen Plänen zuwandten. | |
| „Wir haben einfach Leute, die mit Siebdruckgrafiken arbeiten und aus der | |
| Streetart-Szene angesprochen“, erzählt Zygor. Viele von ihnen können nicht | |
| ausschließlich von ihrer Kunst leben und machen Nebenjobs. Da ist der | |
| Supalife Kiosk eine wichtige Plattform, um Einkommen über den Verkauf von | |
| Werken zu generieren. | |
| „Und wir hatten Glück“, blickt Zygor zurück. „Wir konnten einen Mietend… | |
| vereinbaren. Wir haben viel selbst gemacht, die Türen und Böden, die | |
| Kachelöfen herausgerissen. Dafür hat der Vermieter eine Heizung und ein | |
| Schaufenster eingebaut.“ Einen „guten Mietvertrag“ für fünf Jahre gab es | |
| dazu. Heutzutage steigt die Miete sukzessive, aber das ist zu stemmen. Der | |
| Vermieter sei dem Projekt wohlgesonnen. | |
| ## Der Gentrifizierung getrotzt | |
| So gesehen lässt sich am Beispiel des Supalife Kiosk eine | |
| Gentrifizierungsgeschichte erzählen. „Im Kiez gibt es kaum noch Läden von | |
| früher“, sagt Zygor, „wir sind mit die Einzigen, die überlebt haben.“ | |
| Obwohl der Laden nie Fördermittel bekommen hat. Heute, wo Berlin sich 130 | |
| Millionen Euro an Zuschüssen für die Kultur im nächsten Jahr sparen muss, | |
| ist das sicher ein Segen. | |
| Der Supalife Kiosk wurde und wird „bunt und lebendig“ mit unterschiedlichen | |
| Angeboten bespielt, mit Gesprächsrunden, mit Musik und Film oder mit | |
| Grafikausstellungen, die anfangs – so wie Streetart ja auch – noch nicht | |
| Usus waren. | |
| „Wir waren einer der ersten Orte dafür“, sagt Zygor, die sich um die | |
| Ausstellungen gekümmert hat. „Und immer etwas der Zeit voraus. Wir waren | |
| ein Konzeptstore, bevor es die gab. Wir waren ein Coworking Place, bevor | |
| diese erfunden wurden“, sagt Gabriele Zygor und ergänzt: „Und wir waren | |
| früh gegen Photoshop“. | |
| In den Jahren 2008/09 ging die Entwicklung immer mehr in Richtung | |
| Siebdruckgrafiken. Siebdruck im klassischen Sinne, beschreibt das Zygor: | |
| Künstler:innen arbeiten auf dem Sieb mit Farben und drucken das | |
| Ergebnis. „Echte Farbe auf echtem Papier.“ Ja, es ließe sich behaupten, | |
| dass der Supalife Kiosk eine Renaissance des Siebdrucks mitbefördert hat. | |
| Einige Leute von damals sind bis heute dabei, so wie auch Gabriele Zygor, | |
| andere sind dazugekommen. Alle sieben Künstler:innen, die schichtweise im | |
| Supalife Kiosk arbeiten, haben andere Standbeine, damit es sich rechnet. | |
| Zur Crew gehören neben Gabriele Zygor und Denis Engel – auch von Anfang an | |
| dabei –, Susann Pönisch, Michael Zander, Hagen Thiel, Michael Wismar und | |
| Timo Moors. | |
| Seit 2013 arbeitet der Supalife Kiosk als eingetragener, gemeinnütziger | |
| Verein. Zu dem Zeitpunkt hatte sich Zygor schon in Portugal, wo sie einst | |
| ein Sabbatjahr verbrachte, in das Land verliebt. 2016 ist sie ganz dorthin | |
| gezogen. Zygor ist dreimal im Jahr für ein paar Wochen in Berlin. „Und es | |
| gibt ja Onlinemeetings im Homeoffice.“ Sie fungiert heute als Kassenwart | |
| des Vereins und agiert eher im Hintergrund, so wie auch Dennis Engel. | |
| „Man muss flexibel sein“, sagt Zygor über so ein freies | |
| Künstler:innenleben. Sie selbst bietet unter anderem Siebdruck-Workshops | |
| an. Anders formuliert: Da stecken viel Idealismus und Herzblut drin. Das | |
| ist nicht genug zu würdigen, machen solche Projekte und Läden doch Berlin | |
| aus. | |
| Die Stadt brauche dringend solche offenen wie kreativen, ja auch | |
| anarchistischen Freiräume zum Austausch, für das Entwickeln von Ideen, für | |
| Experimente, ist sich Gabriele Zygor sicher. „Wenn die fehlen, kriegen wir | |
| gesellschaftliche Probleme. Alles andere wäre kontraproduktiv in diesen | |
| Zeiten.“ | |
| 25 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://supalife.de/ | |
| [2] https://supalife.de/martin-krusche/ | |
| [3] https://supalife.de/evol/ | |
| [4] https://www.htw-berlin.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
| ## TAGS | |
| Kunsträume Berlin | |
| Kultur in Berlin | |
| Gentrifizierung | |
| Streetart | |
| Berlin Prenzlauer Berg | |
| Märkte | |
| Berlin Ausstellung | |
| Theater Berlin | |
| Ausgehen und Rumstehen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Genossen gesucht: Das bunte Markttreiben im Blick | |
| In der Marheineke-Markthalle in Kreuzberg betreibt eine Genossenschaft ein | |
| Coworking-Angebot auf der Galerie. Das soll den Standort weiterentwickeln. | |
| Martin Assig in der St.-Matthäus-Kirche: Zwischen hier und dort | |
| Bilder stellen Fragen in der Ausstellung „Gottweißwo“ von Martin Assig in | |
| der St.-Matthäus-Kirche. Sie ist eine farbenfrohe Ermutigung zur | |
| Zuversicht. | |
| Jubiläum der Komödie am Kurfürstendamm: „Vorhang auf!“ seit nun schon 10… | |
| Die Komödie am Ku’damm feiert runden Geburtstag. Aber nicht im eigenen | |
| Haus, das wurde vor Jahren abgerissen. Ein Bühnenbesuch am Potsdamer Platz. | |
| Ausstellung über Berlin der 90er: Dit war Berlin | |
| Häuser mit Einschusslöchern und bröckelnder Putz, Loveparade und überall | |
| Baustellen, Kräne und Kohleöfen. So war das, als unsere Autorin dort | |
| aufwuchs. |