| # taz.de -- Ampelkoalition nach Trump-Sieg: Plötzlich einig bei Verteidigung | |
| > Gerade in der Verteidigungspolitik kommen auf die Bundesregierung | |
| > unsichere Zeiten zu. Die Ampel betont trotz ihres Streits ihre | |
| > Handlungsfähigkeit. | |
| Bild: US-Airbase Ramstein 2018: Der damals amtierende US-Präsident Donald Trum… | |
| Berlin taz | Eins hat [1][Donald Trump] bereits jetzt geschafft: Zumindest | |
| beim Thema Verteidigung demonstriert die Bundesregierung nun eine neue | |
| Einigkeit. Jenseits der pflichtschuldigen Gratulationen für den Wahlsieger | |
| sprachen sich Politiker*innen aller Ampelparteien dafür aus, dass | |
| Deutschland seine sicherheitspolitischen Bemühungen verstärken müsse. Doch | |
| neue Schulden, etwa durch die Erklärung einer haushaltspolitischen Notlage, | |
| schloss die Bundesregierung am Mittwoch aus. So stellt sich buchstäblich | |
| die Frage: Mehr Verteidigungsausgaben, aber zu welchem Preis? | |
| [2][Außenministerin Annalena Baerbock] (Grüne) sagte, dass Deutschland | |
| durch die Wahl Trumps aufgefordert sei, Investitionen in die europäische | |
| Sicherheit „groß zu denken und groß zu machen“. „Wir müssen uns von den | |
| selbst angelegten Fesseln, gerade bei Investitionen in unsere Sicherheit, | |
| in Deutschland befreien“, so die Außenministerin. Ein klarer Wink in | |
| Richtung der Haushaltsberatungen, die der Bundestag kommende Woche | |
| finalisieren soll – die Aussage lässt sich auch als Aufforderung an die FDP | |
| verstehen, in dieser Lage von der Schuldenbremse zu gehen. | |
| Doch davon wollte der Chef der Liberalen und Finanzminister, Christian | |
| Lindner, nichts wissen. Er sprach in einer ersten Reaktion davon, dass | |
| Berlin angesichts des US-Wahlergebnis „seine wirtschafts- und | |
| sicherheitspolitischen Hausaufgaben erledigen“ müsse. Die Bundesregierung | |
| hat durch das Wahlergebnis und der von Trump in den Raum gestellten | |
| Drosselung der Ukraine-Hilfen derzeit keinen Plan, neue Finanzmittel für | |
| das von Russland angegriffene Land bereitzustellen. | |
| ## Deutschland besser gewappnet als 2016 | |
| Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies in dem Zusammenhang auf den | |
| Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar, den die G7-Staaten [3][zur | |
| Unterstützung der Ukraine] auf den Weg gebracht hatten. Dieser Kredit, der | |
| durch die Zinserträge eingefrorener russischer Vermögen gedeckt wird, ist | |
| nach Ansicht der Bundesregierung eine „zuverlässige Basis“ für eine | |
| fortwährende Unterstützung der Ukraine, jenseits von Wahlausgängen bei den | |
| internationalen Geldgebern und Verbündeten Kyjiws. | |
| Deutschland ist hinter den USA der zweitwichtigste bilaterale Unterstützer | |
| der Ukraine, allerdings mit deutlichem Abstand. Während die USA Daten des | |
| Kieler Instituts für Weltwirtschaft zufolge seit Beginn des russischen | |
| Angriffskrieges im Februar 2022 knapp 85 Milliarden Euro an Hilfen | |
| mobilisiert haben, kamen aus Deutschland insgesamt rund 15 Milliarden Euro. | |
| Über die EU flossen immerhin knapp 44 Milliarden Euro an die Ukraine, der | |
| größte Teil als Finanzhilfen. | |
| SPD-Außenexperte Nils Schmid sieht Deutschland politisch besser gerüstet | |
| als 2016 auf eine Trump-Regierung. „Eine Reihe von Irritationen wie Nord | |
| Stream oder das 2-Prozent-Nato-Ziel sind inzwischen abgeräumt“, so Schmid | |
| zu taz. Doch es gelte, sich keine Illusionen zu machen. Trump werde neue | |
| Punkte finden. „Es wird ruppig werden.“ Gerade in der Wirtschaftspolitik, | |
| wo Trump mit Strafzöllen droht. „Die EU sollte dagegenhalten und eigene | |
| Strafzölle androhen und im Zweifel verhängen.“ Trump sei ein Dealmaker, mit | |
| ihm zu verkehren, hieße sich auch auf diese Deallogik einzulassen. | |
| ## Habeck will Deutschland „weltpolitikfähig“ sehen | |
| Schmid sieht durch den erwähnten 50-Milliarden-Kredit das Auskommen der | |
| Ukraine nur für ein Jahr gewährleistet. Danach werde man sich etwas anderes | |
| einfallen lassen müssen. SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz sagte | |
| der taz: „Wenn Trump den Stecker ziehe und einen Deal mit Putin mache, | |
| werde Europa das kaum auffangen können.“ Schwarz findet, dass man | |
| sicherheitspolitisch besser nicht nur auf die USA setzen sollte. | |
| Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wich am Mittwoch | |
| der Frage aus, ob Deutschland neue Kredite für die Finanzierung von | |
| Verteidigungsausgaben aufnehmen sollte. „Es ist auch unser Interesse, dass | |
| wir der Ukraine die Chance geben, sich zu verteidigen. Und das muss auch | |
| gewährleistet sein in den nächsten Monaten“, sagte Habeck. | |
| Europa müsse sich um seine Konflikte in der unmittelbaren Nachbarschaft, | |
| [4][vor allem in der Ukraine] und in Israel und den palästinensischen | |
| Gebieten, selber verantwortlich fühlen und sich kümmern. „Wir müssen | |
| weltpolitikfähig werden.“ Es gelte die Aufgaben, selbstbewusster anzugehen. | |
| Auch FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte | |
| gegenüber der taz, die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass die USA ihre | |
| Finanzhilfen für die Ukraine nun reduzierten. „Wir werden einen deutlich | |
| größeren Verteidigungshaushalt brauchen“, so Strack-Zimmermann. „Neue | |
| Schulden sind dafür nicht erforderlich, sofern wir bereit sind, im Haushalt | |
| andere Prioritäten zu setzen.“ Die Europapolitikerin sagte, in der Ukraine | |
| sei die Angst groß, von den westlichen Partner nicht mehr genug | |
| Unterstützung zu bekommen. | |
| ## Koalitionsausschuss mit Spannung erwartet | |
| „Trump hat angekündigt, sich mit Putin treffen zu wollen. Da schauen wir | |
| jetzt mal gespannt hin, ob es Trump gelingt, den Krieg zu beenden, ohne | |
| dass die Ukraine ihre Souveränität verliert.“ | |
| Die Bundesregierung ist derzeit tief zerstritten, was ihre | |
| Wirtschaftspolitik betrifft. [5][Am Abend kommt die Regierung in Berlin zum | |
| Koalitionsausschuss zusammen], um über ihre Zukunft zu beraten. Scholz | |
| sagte, angesichts der Spaltung in den USA wünsche er sich, dass man in | |
| Deutschland zusammen bleibe. „Uns eint mehr als uns trennt.“ Ein Appell, | |
| der auch an die eigenen Reihen gerichtet sein könnte. | |
| 6 Nov 2024 | |
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