# taz.de -- Kritik an der taz: Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlic… | |
> Auf einer Lesung in Hamburg über Medienkritik von links bekam die taz ihr | |
> Fett weg. Immerhin gab's Gummibärchen. | |
Bild: Früher Punkrock, heute Hochglanz: das taz-Haus in Berlin | |
Im roten Salon wird gewartet, ob noch wer kommt. Der Ort ist weder rot, | |
noch Salon, sondern ein Raum in der Hamburger Uni, der aussieht wie ein | |
Klassenzimmer an einem Montagabend. Vorne Kreidereste an der Tafel, davor | |
Reihen grauer Plastiktische, über allem kaltweißes Licht. | |
Die Plätze sind schon gut besetzt. Neben mir werden Apfelchips ausgepackt. | |
Wenigstens ist das Thema spannend: ideologiekritische Medienkritik und die | |
Frage, ob die taz noch links ist. Ich schenke mir Tee ein. | |
Am Pult vorne unter der Tafel sitzen zwei Männer mit Brillen und Anzügen. | |
Der eine hat graue Haare, der andere braune. Vor ihnen liegen mehrere | |
Exemplare des Buches [1][„Medienkritik ist links“]. Der Braunhaarige heißt | |
Lukas Meisner, ist Soziologe und hat das Buch geschrieben. Der andere ist | |
Michael Hopp und hat Meisner eingeladen. Hopp organisiert seit diesem Jahr | |
die [2][Veranstaltungsreihe „Roter Salon“], zusammen mit der Marxistischen | |
Abendschule Hamburg und der Liste unabhängiger Verlage. | |
Die Tür geht auf und ein Pizzakarton schiebt sich durch den Spalt. Dazu | |
gehört eine junge Person. „Oh, Pizza für alle?“, ruft meine Sitznachbarin, | |
graue Strähnchen. Die Pizzaperson setzt sich schnell in eine der hinteren | |
Reihen. | |
Michael Hopp will anfangen: „Wir Ältere wissen es noch …“, und unterbric… | |
sich. „Heute sind ja gar nicht so viele Ältere da, was mich sehr freut!“ | |
Ich drehe mich um und schaue ins Publikum. Ein bisschen graue Haare, ein | |
paar blondierte Strähnchen. Mehrere Schurwollpullover, aber auch einige | |
T-Shirts. Er hat recht. Es ist eine gute Mischung. | |
Hopp ist inzwischen dabei, ins Thema einzuleiten. Er erzählt, wie die Bild | |
1967 auf Benno Ohnesorg mitgeschossen hat, dass Medienkritik früher links | |
war und wie er mal einen Text mit Dutschke und Cohn-Bendit redigieren | |
durfte. „Süß!“, ruft eine Frau mit roter Mütze vor mir. | |
Dann geht es los. Meisner erzählt, was in seinem Buch steht und liest | |
daraus vor. Er sagt, Medienkritik gelte seit einigen Jahren als rechts, | |
aber Linke sollten sie sich zurückholen. Denn was berichtet wird, sei | |
wichtig, weil es die Öffentlichkeit präge, und die stecke im neoliberalen | |
Kapitalismus in der Krise. „Das Problem ist, wir haben keine linken Medien | |
mehr“, sagt Meisner. | |
## Die taz bellizistischer als die „Welt“ | |
Blätter wie die taz seien links gestartet, aber heute bürgerlich, teils | |
„haarsträubend rechtsliberal“. Niemand benenne mehr den Kapitalismus als | |
Grundlage dieser Gesellschaft. Das liege an den Zwängen des selbigen, aber | |
auch am fehlenden Mut der Journalist*innen, die nicht anecken wollten. | |
Ich rutsche ein Stück tiefer in den Stuhl, stecke mein Kinn in meinen | |
Rollkragen und denke, dass da was dran ist. Vorne will Hopp von Meisner | |
wissen, wo die linke Medienkritik stattfinden könnte, wenn die taz den Bach | |
runter gegangen ist. „Wie kommen wir aus der Nummer raus?“ Meisner windet | |
sich ein bisschen um die Antwort und nennt einen Podcast und die Freien | |
Radios. Im Publikum brummen zwei alte männliche Stimmen zustimmend. | |
„Seid ihr noch wach?“, fragt Hopp das Publikum. „Weiter!“, ruft die Frau | |
mit der Mütze. Dann geht es um die Berichterstattung zum Krieg in der | |
Ukraine. Hopp liest aus einem [3][Kommentar], der in der taz erschienen | |
ist. Hopp und Meisner sind sich einig, die taz sei „teilweise | |
bellizistischer als die Welt“ und nicht mehr links, wie die Grünen. | |
Das Publikum wird langsam unruhig und will Fragen stellen. Hopp reckt eine | |
Faust in die Höhe und sagt: „Wir springen ans Ende des Buches, wo Lukas | |
politisch die Katze aus dem Sack lässt!“ „Hab ich das vorher noch nicht?�… | |
sagt Meisner gutgelaunt und klappt sein Buch wieder auf. | |
Als er fertig ist, klopfen alle auf die Tische, wie nach einer Vorlesung. | |
„Habt ihr noch Kraft?“, sagt Hopp vor der Fragerunde, „hätte hier eine T… | |
Gummibärchen.“ „Gummibärchen für alle!“, brüllt meine Sitznachbarin u… | |
Tüte geht rum. Ich nehme eine ganze Handvoll und sage, dass ich bei der taz | |
bin und linken Journalismus machen will. „Macht nichts“, dreht sich einer | |
im Wollpulli zu mir um, „du darfst ruhig bleiben.“ | |
9 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://blogs.taz.de/kriterium/medienkritik-ist-links-warum-wir-eine-medien… | |
[2] /Gastgeber-ueber-neuen-Roten-Salon-Hamburg/!5986056 | |
[3] /Waffenlieferungen-an-die-Ukraine/!5857874 | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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