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# taz.de -- Kunstwerk über vergessene Künstlerinnen: Entrinnen aus der Gedäc…
> Cordula Ditz' Video-Installation im Kunsthaus Hamburg beansprucht Raum
> für Malerinnen, die von der Kunstgeschichte gezielt verdrängt wurden.
Bild: Auf den Schwingen ihrer Pinsel segeln die Künstlerinnen: Zeit, dass sie …
Es wirkt wie ein Fiebertraum: Geisterhafte Gestalten schweben über Büchern.
Ihre Gesichter sind vom Weinen verschmiert. Sie schreien stumm und
zerlaufen in sich selbst, verschwinden, als hätten sie sich in eine
Staubwolke aufgelöst. Diese Fantasiewelt aus Comicfiguren ist eine
Videoprojektion, die im Zentrum des dunklen Raumes im Kunsthaus Hamburg auf
einer großflächigen Leinwand läuft. Flackernde Lichterketten hängen von der
Decke, und aus den Ecken flüstern weibliche Stimmen Namen von Frauen.
„They Speak to Us in Dreams“ heißt die KI-generierte Videoinstallation, mit
der Cordula Ditz hier eine ganze Ausstellung bestreitet. In ihrer
Heimatstadt Hamburg wohlbekannt, waren Ditz’ Arbeiten auch schon in
Marseille und Brüssel zu sehen, auf der Rotterdam-Art-Fair und der
kunstbetriebskritischen „Wrong Biennale“ in Alicante. Mit dem
Animationsfilm widmet sich Ditz mit Nachdruck der Unsichtbarkeit von Frauen
in der Kunstgeschichte. Inspiriert von Künstlerinnen wie [1][Hilma af
Klint], der lange ignorierten wahren Erfinderin der abstrakten Kunst,
beteiligt sie sich an der Aufarbeitung des [2][Vergessenwerdens von
Künstlerinnen]. Seit 2019 arbeitete sie an diesem Projekt.
Besonders fasziniert es durch den Einsatz künstlicher Intelligenz: Der Film
besteht ausschließlich aus KI-generierten Inhalten. [3][Die Künstlerin]
arbeitete dazu mit verschiedenen KI-Systemen, die zunächst Stichworte in
Bilder und diese anschließend in Videos verwandelt haben. Tausende
KI-generierte Sekundenclips verschmelzen zu einer 45-minütigen Video- und
Soundinstallation. In der fließen die Figuren regelrecht von einem ins
nächste Bild. [4][Der Sound] – dramatisch, beklemmend, stets passend zur
Storyline – zieht in den Bann der Geschichte. Auch er ist von der KI
erzeugt.
Die Animationslandschaften, in die Ditz ihr Publikum lockt, bilden eine
verschwommene Welt der Erinnerung: Aus der einst heilen Welt malender
Frauen wird eine düstere Szenerie. Konzentriert sitzen Frauen über den
schweren Büchern der Kunstgeschichte. Doch sie finden nur die Namen und
Werke männlicher Künstler. Den Künstlerinnen bleibt nur übrig, sie als
Phantome heimzusuchen: Sie schreien stumm nach Aufmerksamkeit. Ihre Namen –
Clara Peeters etwa oder Giovanna Garzoni – erklingen nur leise im
Hintergrund. Zu ihren Lebzeiten im 17. Jahrhundert waren beide extrem
erfolgreich, Garzoni als Porträt-Malerin der Medici, Peeters als Erneuerin
des Stilllebens in Brabant.
## Spiel mit Geschlechterklischees
Heute zeigen Museen wie der Prado in Madrid oder das Getty Museum in Los
Angeles ihre Werke. Aber lange wurden sie regelrecht aus der
Kunstgeschichte gedrängt, in den Sumpf des Vergessens. Die Installation
macht spürbar, es waren männliche Autoren, die diese Frauen übergangen oder
gar aktiv aus den Geschichtsbüchern getilgt haben. Ihre Werke und
Signaturen wurden systematisch ersetzt, ihre Erfolge verdeckt – die
Künstlerinnen zur Unsichtbarkeit verdammt.
Es ist letztlich die Befreiungsgeschichte dieser Künstlerinnen, die die
Videoinstallation zeigt. Durch die Aufarbeitung von Kunsthistorikerinnen
werden die Künstlerinnen zurück ins kollektive Gedächtnis geholt und die
Geschichte verwandelt sich in eine Heldinnensaga und einen Akt des Female
Empowerments.
Ditz spielt hier auch mit Klischees, unseren Vorstellungen von
Künstler*innen-Identitäten und Geschlechterrollen: Männer erscheinen
in den Video-Sequenzen als Karikaturen des Erfolgs – auf einer Yacht,
umgeben von Champagner und Luxus. Inmitten eines Geldregens repräsentieren
sie das stereotype Bild des erfolgreichen Künstlers.
## Die KI kennt nur das nicht Verdrängte
Diese Darstellungen hat auch die KI unterstützt: Um Bilder von weiblichen
Künstlerinnen statt männlichen zu bekommen, musste Ditz explizit danach
fragen. Künstliche Intelligenz baut auf unserem kollektiven Gedächtnis –
und dessen Lücken. Auch die KI kennt nur das nicht Verdrängte.
Am Ende bleibt der Wunsch offen, tiefer in die Lebensgeschichten und vor
allem in die Werke dieser Künstlerinnen einzutauchen. Zwar schafft Cordula
Ditz eine eindrucksvolle Atmosphäre, die die Unsichtbarkeit spürbar macht,
doch die geisterhaften Figuren bleiben anonym.
Wer waren diese Frauen? Wofür standen ihre Werke und für welche Kunst
können wir sie in Erinnerung behalten? Um die Künstlerinnen aus dem
Verborgenen zu holen, hätte die Ausstellung diese Fragen gern näher
beantworten können. Deutlich macht sie hingegen: Die Frage, warum es
vermeintlich keine grandiosen Künstlerinnen gab, geht von einer falschen
Voraussetzung aus. Es gab sie und sie waren erfolgreich. Zu fragen bleibt,
wie sie so erfolgreich verdrängt werden konnten. Es ist Zeit, auf sie zu
schauen.
5 Nov 2024
## LINKS
[1] /Die-Malerin-Hilma-af-Klint/!5065222
[2] /Die-fehlenden-Frauen-der-Kunstgeschichte/!5966778
[3] http://www.corduladitz.de/
[4] /Kuenstliche-Intelligenz-in-der-Musik/!5941510
## AUTOREN
Franka Ferlemann
## TAGS
Kunsthaus Hamburg
Feministische Kunst
Kunstgeschichte
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
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