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# taz.de -- Ausstellung über Superhelden: Der Doktor unter dicken Muskeln
> Das NRW-Forum in Düsseldorf zeigt eine Schau über Superhelden. Sind die
> ambivalenten Figuren der Popkultur das aktuelle Antlitz uralter
> Sehnsüchte?
Bild: Lebensgroß und fürs Selfie freigegeben: Superheroes im NRW-Forum Düsse…
Dr. Bruce Banner hat sich wieder aufgeregt. Überlebensgroß steht er da, zum
grünen Koloss verwandelt, eine riesige Faust in wilder Rage geballt.
„Treten sie ruhig ein!“ – Das freundliche Personal versichert, unbehelligt
am zähnebleckenden Hulk vorbeizukommen, man könne aber auch mit ihm
posieren. Er hat ein Loch in die Wand geschlagen, wer von hinten
durchschaut, mag sich effektvoll ablichten lassen. Wo Düsseldorf unlängst
einen offiziellen Selfie-Spot im Stadtbild ablehnte, bietet die Ausstellung
in der Landeshauptstadt nun Motive zur Genüge. Bestätigt „Superheroes“ im
NRW-Forum also die Befürchtung reinen Amüsements? – Nun, die nächste
überlebensgroße Darstellung, zu welcher der Rundgang führt, ist die eines
immens vergrößerten Kupferstichs des Herkules.
Geschichte und Genese des Superhelden werden von ihm aus entlang eines
Zeitpfeils illustriert. Da sind [1][die gerüstete Minerva] auf
Friedensmission als barockes Gemälde Antonio Belluccis und eine kleine
Plastik von Gabriel Grupello, dann „Hugo Hercules“, der gutmütige
Kraftmeier im Zeitungsstrip von 1902. Mit dem geheimnisvollen „Phantom“
beginnt ab 1936 die Ära der maskierten Helden. Ob der cholerische Hulk oder
der in einer Vitrine in mannigfaltigen Posen zu bestaunende, souveräne
Supermann, sie alle eint der Kampf im Namen des Guten – Populärkultur oder
das aktuelle Antlitz uralter Sehnsüchte?
Dieser Exkurs [2][im Geist von Joseph Campbells] Buch „Der Heros in tausend
Gestalten“ bleibt aus. Dabei hinterfragen die verschiedenen Superhelden
nicht selten idealtypische Vorstellungen des Mythos und bestätigen ihn
zugleich: denn immer ist da ein Wandel, vom braven Doktor zum grünen Hulk,
vom schüchternen Bücherwurm zum Spider-Man, vom ungeliebten Teen zur
Telepathin Emma Frost. Die Stärke der Ausstellung ist aber eher das Zeigen:
Da gibt es eine ganze Ahnengalerie aus immens detailreichen Plastikfiguren,
Comicoriginalzeichnungen, Filmplakaten und Filmausschnitten, dazu die weite
Warenwelt von Lego-Figuren gar bis hin zum Dildo.
Die beeindruckend gestalteten Räume thematisieren „Maske und Identität“,
„Politik und Propaganda“ oder „Superschurken“. Im Raum zu „Batman und
Joker“ zeigt ein Plakat Conrad Veidts zu einem schauerlichen Grinsen
gemartertes Antlitz aus Paul Lenis Stummfilmklassiker „The Man Who Laughs“,
die optische Vorlage [3][des Jokers]. Waren manche Schurken selbst Opfer?
## Die Sehnsucht nach Verwandlung
Im Raum der sich Nic Klein, einem der wenigen deutschen Künstler des
legendären Marvel Verlags, widmet, visualisieren die Zeichnungen
antagonistische Komplexitäten, von denen einst vor „amerikanischen
Schundheften“ warnende Lehrer nichts wissen wollten. Mag sein, dass deren
Urteil dazu beitrug, dass die Superhelden bereits in den 1960ern Geborene
nie wieder losließen, was ein Blick in die Menge bestätigt. Derweil staunen
die Kinder im Publikum über die Helden der „Manga & Anime“-Sektion, selbst
„Akira“ und [4][„Sailor Moon“] sind nun doch lange her. Thurstan Reddin…
Fotografien von Superhelden-Cosplayern verweisen aber auf die stete
Sehnsucht nach Verwandlung.
Ihre und die Werke anderer Künstler, wie etwa Patricia Wallers gehäkelte
Superhelden, leiten über zum kritischen Diskurs. Da sind der ironische
Punk-Gestus in Jörg Buttgereits Kurzfilm-Frühwerk „Captain Berlin – Retter
der Welt“ oder subversive Adaptionen aus der Hippie-Ära wie Robert Crumbs
„Mr. Natural“ bis hin zum aktuellen „Nerd Girl“. Sie prägen das letzte
Drittel der Ausstellung.
Im abschließenden Raum treffen Merchandise-Produkte auf die Beiträge der
Studierenden des Fachbereichs Design der Hochschule Düsseldorf zur Frage
„Do we need another hero?“. Die auf eine Wand montieren Werke von Ariel
Finker, Klara Müller, Luis Garcia Schwabe und der anderen lassen einen um
die Zukunft des Comics nicht sorgen. Zugleich zeichnen sie einen Zweifel am
Superhelden nach, den die Ausstellung nicht auszuräumen vermag. Doch
Superhelden im Kampf gegen den Nationalsozialismus auf vergilbten
Blättern der frühen 1940er, Superhelden im Kampf gegen Rassismus in den
1970ern, männliche Superhelden, die ihren Freund heiraten – warum sollte
man die nicht brauchen wollen?
Am Ende zieht es einen zurück in den ersten Raum. Ein Werk im schwarzen
Rahmen mit weißem Passepartout: vier Panels gezeichnet von John Romita und
signiert vom Autor Stan Lee. Spider-Man landete wohl irgendwie auf einer
Kostümparty und flirtete, als sei er nur in Verkleidung, mit einer jungen
New-York-Touristin, sie begleitet ihn heim. Doch als sie einander
verabschieden, erscheint ihm das Antlitz jener, von der er sich verlassen
wähnt. „Ich komme drüber hinweg“ sagen seine Gedanken – seine Mimik ver…
das Gegenteil.
Das ist der Wandel, den die modernen Superhelden bei ihren Fans
begleiteten, vom Kind im Kostüm in eine Welt der Verletzbarkeit. Nicht ihre
Kraft machte diese Superhelden so populär, sondern ihre Nahbarkeit. Weniger
die Unbelasteten bedurften ihrer, was zahlreiche Besucher in Schwarz und
interessanten Looks unterstreichen. Just diese Nähe zu beleuchten, hätte
der gelungenen Ausstellung gutgetan.
25 Oct 2024
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## AUTOREN
Oliver Tepel
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