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# taz.de -- Suche nach Primzahlen: Die Nächste, bitte!
> Primzahlen sind sind essenziell für die Zahlentheorie und sind nützlich
> zur Verschlüsselung. Nun wurde eine neue größte Primzahl gefunden.
Bild: Die längste Primzahl, 41 Millionen Zahlen, passt leider nicht auf diesen…
Luke Durant aus Kalifornien ist zurzeit der Held unter den Primzahlnerds.
Denn der Hardware-Ingenieur und „Hobbymathematiker“ – wie er von den
meisten Medien bezeichnet wird – hat vor wenigen Wochen, am 12. Oktober,
nicht nur eine neue, sondern die bislang größte bekannte Primzahl entdeckt.
Sie lautet: 2136.279.841–1. Heißt, man multipliziert 136.279.841-mal die 2
mit sich selbst und zieht 1 ab. Das Ergebnis ist eine Zahl, die über 41
Millionen Ziffern lang ist. Wollte man die Zahl etwa in einer taz
abdrucken, wäre die Zeitung dick wie ein Buch und hätte über 2.000 Seiten.
Primzahlen spielen in der Mathematik, vor allem in der Zahlentheorie, schon
seit Jahrtausenden eine ganz besondere Rolle. Denn sie haben nur zwei
Teiler, sind also nur durch sich selbst und eins teilbar. Teilbar bedeutet,
dass beim Dividieren kein Rest übrigbleibt. Die bekanntesten Primzahlen,
die viele noch aus der Schulzeit kennen, lauten wohl 2, 3, 5, 7 oder 11.
Größenmäßig liegen zwischen ihnen und Durants Zahl Welten. „Seine“ Prim…
hat der 36-Jährige im Rahmen des Primzahlprojekts Gimps entdeckt, bei dem
er sich vergangenes Jahr anmeldete. Das Projekt glaubt, Primzahlen finden,
das ist Gemeinschaftssache. Vor allem, weil große Primzahlen zu berechnen
unglaublich viel Rechenleistung erfordert. Die Idee von Gimps ist es,
Privatpersonen und Organisationen zusammenzubringen, die ihre Rechenpower
zur Verfügung stellen.
Mit diesem Ansatz hat seit 1996 das Projekt insgesamt 18 neue Primzahlen
berechnet. Die letzte Primzahlentdeckung vor der Durants war schon sechs
Jahre her. Dass er eine weitere, so große Primzahl gefunden hat, hat vor
allem mit einem Durchbruch zu tun, der die Rechenleistung zur Berechnung
nochmals extrem erhöht hat. Dazu später mehr. Wer – wie Durant – fündig
wird bei der Primzahlsuche erhält vom Gimps 3.000 US-Dollar Belohnung.
Doch, neben der kleinen Prämie, was macht die Faszination Primzahl aus?
Warum geben Privatpersonen ihre Rechenleistung dafür her und was ist der
Reiz an der nerdigen Suche nach der nächsten großen Primzahl?
Besonders interessant sind Primzahlen für die Zahlentheorie. Jede ganze
Zahl lässt sich als ein Produkt von Primzahlen darstellen und damit auf
eine einzige Art und Weise in Primzahlen zerlegen. Das ist die sogenannte
Primfaktorzerlegung. Zum Beispiel ist 99 = 32 x 11. Primzahlen bilden also
die kleinsten Grundbausteine der ganzen Zahlen, fast wie Zellen einen
Körper aufbauen oder Atome Moleküle bilden.
## Primzahlen sind der Schlüssel
Noch interessanter wurden die Primzahlen in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts innerhalb der Kryptografie, also in der Wissenschaft der
Verschlüsselung, des „geheimen Schreibens“. Besonders gebräuchlich ist
heute etwa das RSA-Verschlüsselungsverfahren. Dieses nutzt zwei
unterschiedliche Schlüssel, einen öffentlichen zum Verschlüsseln von Daten
und einen privaten zum Entschlüsseln von Daten, wie Nachrichten oder
Signaturen. Verschlüsselt wird bei dem Verfahren mithilfe von Primzahlen
und einem Trick.
Die Rechnung funktioniert nämlich wie eine Falltür, heißt, in die eine
Richtung sehr leicht zu lösen, in die andere extrem schwer. Um die
jeweiligen Schlüssel zu berechnen, werden zwei eher große Primzahlen zu
einem Produkt multipliziert. Das ist einfach. Nur zum Entschlüsseln – ohne
Zugang zu dem privaten Schlüssel – müsste man wieder die einzelnen
Primfaktoren zurückrechnen. Um den Schlüssel zu knacken, müsste man dafür
alle Primzahlen durchgehen, die kleiner als die Hälfte des bekannten
Produkts sind. Der Rechenaufwand, um dies zu tun, ist heutzutage noch zu
hoch, was solche Verschlüsselungen auf herkömmlichen Computern meist
unknackbar macht.
Die Beschäftigung mit Primzahlen hat in der Mathematik eine lange
Tradition. Schon in der Antike, im dritten Jahrhundert vor Christus, bewies
der Mathematiker Euklid von Alexandria, dass es unendlich viele Primzahlen
gibt. Interessanterweise kannte man zu dieser Zeit das Konzept der
Unendlichkeit noch nicht. Euklid bewies vielmehr, dass man aus endlich
vielen Primzahlen immer eine weitere, größere Primzahl konstruieren kann.
Somit gibt es – in unseren heutigen Worten – unendlich viele. Formal gibt
es also kein Problem, immer weiterzusuchen nach der nächsten Primzahl. Doch
die Primzahlen wirklich zu berechnen ist ab einer gewissen Größe gar nicht
so einfach. Schnell kann es an der Rechenleistung des Computers scheitern.
Deshalb widmet sich Gimps einer besonderen Art der Primzahlen, den
sogenannten Mersenne-Primzahlen. Dafür steht auch ihre Abkürzung,
ausgeschrieben heißt das Projekt Great Internet Mersenne Prime Search.
Mersenne-Primzahlen haben eine besonders einfache Darstellungsform, als
Mp=2p–1. Dabei ist p eine Primzahl. Damit sind sie vergleichbar einfach zu
berechnen. Der Name geht auf den französischen Mathematiker und Mönch Marin
Mersenne zurück, der sich Anfang des 17. Jahrhunderts mit dieser
Darstellungsart von Primzahlen beschäftigte. Und eine Liste solcher Zahlen
erstellte.
Die einfachste so zu beschreibende Primzahl ist wohl die 3 als 22–1. Bis
heute sind 52 Mersenne-Primzahlen bekannt. Denn ganz so einfach ist es
nicht. Nicht alle Zahlen, die bei der Formel von Mp rauskommen, sind auch
Primzahlen. So ist zum Beispiel M11=2047 nicht prim, da sie unter anderem
durch 23 teilbar ist. Und andersherum sind auf keinen Fall alle Primzahlen
als 2p –1 darstellbar. Man versuche das zum Beispiel mal mit der 5.
Unmöglich.
Die Berechnung von möglichen Mersenne-Primzahlen ist somit eine mögliche
strukturierte Herangehensweise, um bei der Primzahlsuche nicht völlig im
Dunkeln zu stochern. Es muss aber immer überprüft werden, ob eine
berechnete Mersenne-Zahl auch wirklich prim ist.
Trotz des Nutzens von Primzahlen in der Verschlüsselung bleibt laut dem
Mathematiker Kevin Buzzard vom Imperial College London die Entdeckung der
bislang größten Primzahl durch Luke Durant vor allem eine Spielerei.
Praktische Anwendung habe sie im Moment keine. Um sie in der Kryptografie
zu nutzen, ist sie (noch) zu groß.
## Mehr Rechenpower
Luke Durants Fund hat aber vor allem gezeigt, dass auch in der Rechenpower
noch einiges geht. In seiner Entdeckung hat er einen riesigen Fortschritt
vollbracht. Ehemals hat Luke Durant beim Hardwareunternehmen Nvidia
gearbeitet, das unter anderem Grafikkarten herstellt. Die waren sein Kniff.
Sie verhalfen ihm zu noch mehr Leistungsfähigkeit bei der Berechnung und
Prüfung seiner möglichen Primzahlen.
Indem er mit Grafikprozessoren arbeitete und eine Infrastruktur
entwickelte, um die von Gimps zur Verfügung gestellte Software auf vielen
Servern auszuführen und zu warten. Damit baute er eine Art
„Cloud-Supercomputer“. Zum Zeitpunkt der Entdeckung bestand dieser aus
Tausenden von Server-Grafikprozessoren, verteilt über 24
Rechenzentrumsregionen in 17 Ländern.
Für Zahlentheoretiker und Hobbymathematiker bleiben aber weiterhin viele
Fragen offen. Gibt es zwischen der letzten und der neuen entdeckten
Mersenne-Primzahl noch weitere (Mersenne-)Primzahlen? Und gibt es überhaupt
unendlich viele solcher speziell darstellbaren Primzahlen? Und wie verhält
es sich mit ihrer Verteilung und Häufigkeit?
Letzteres ist die zentrale Frage hinter der weltbekannten „Riemannsche
Vermutung“. Bernhard Riemanns Aussage von 1859 über die zufällige
Verteilung und Häufigkeit von Primzahlen ist bis heute unbewiesen. Die
Annahme des deutschen Mathematikers gilt als bedeutendstes ungelöstes
Problem der reinen Mathematik. Wer einen schlüssigen Beweis liefert,
bekommt vom Mathematikinstitut der Universität Cambridge ein Preisgeld von
einer Million US-Dollar.
7 Nov 2024
## AUTOREN
Ruth Lang Fuentes
## TAGS
Wissenschaft
Mathematik
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Das Leben einer Frau
Zukunft
Rezension
Lesestück Recherche und Reportage
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