# taz.de -- DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik: Warten auf Lohn seit 34 Jahren | |
> Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zubke fordert Entschädigungen für | |
> DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik. Die DDR behielt damals einen Teil des | |
> Lohns ein. | |
Bild: Madgermanes: So nennen sich Mosambiks einstige DDR-Vertragsarbeiter, hier… | |
Berlin taz | Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke und das Deutsche | |
Institut für Menschenrechte fordern gemeinsam mit Betroffenen und | |
Kirchenvertretern [1][in einem Appell an den Bundestag] eine Entschädigung | |
für [2][DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik]. Ihnen waren von der DDR | |
Lohnteile nicht ausgezahlt worden. Die Entschädigung soll noch in dieser | |
Legislaturperiode erfolgen, so die Forderung. | |
Ab 1979 kamen insgesamt 17.000 Vertragsarbeiter aus dem afrikanischen Land | |
in die DDR. Ihnen war eine Ausbildung versprochen worden, doch viele | |
landeten auf Arbeitsplätzen, die sonst niemand haben wollte wie in der | |
Braunkohle- oder Fleischindustrie. Die Betriebe zahlten ihnen nur einen | |
Teil ihrer Löhne aus. Oberhalb eines Sockelbetrages von 350 Mark wurden | |
bestimmte Prozente, die von Jahr zu Jahr unterschiedlich hoch waren – zum | |
Schluss waren es 60 Prozent – von der DDR einbehalten. Den | |
Vertragsarbeitern wurde mündlich und schriftlich zugesagt, sie würden diese | |
Lohnteile nach ihrer Rückkehr nach Mosambik in der dortigen Landeswährung | |
ausgezahlt bekommen. Tatsächlich floss das Geld aber in den Staatshaushalt | |
der DDR und wurde mit den Staatsschulden Mosambiks bei der DDR verrechnet. | |
Die Frauen und Männer mussten also mit ihrer Arbeit Schulden ihres Staates | |
abbezahlen. | |
„Das ist Unrecht, das von deutschem Boden ausging“, so Zupke in der | |
Bundespressekonferenz in Berlin am Montag. Sie fordert vom Bundestag eine | |
Entschließung, die das Unrecht anerkennt und sich der historischen | |
Verantwortung stellt. Zudem soll der Bundestag einen Entschädigungsfonds | |
einrichten. Von den 17.000 ehemaligen Vertragsarbeitern leben heute rund | |
2.000 in Deutschland. Von den 15.000 nach Mosambik Zurückgekehrten sei nach | |
Schätzung der sehr gut organisierten Betroffenen inzwischen jeder Dritte | |
verstorben. Verantwortlich dafür seien die widrigen Lebensumstände, die | |
fehlende Krankenversicherung sowie die Ausgrenzung, die die DDR-Rückkehrer | |
in Mosambik erfahren, sagt David Macao, der im Tagebau Hoyerswerda | |
Vertragsarbeiter war. | |
Unklar ist allerdings, warum die Initiative nur ehemalige Vertragsarbeiter | |
aus Mosambik und nicht auch diejenigen aus Angola entschädigen möchte, | |
denen es ähnlich erging. Aus diesem Staat arbeiteten lediglich rund 1.500 | |
Vertragsarbeiter in der DDR. Auf dem taz lab im April stellte [3][Augusto | |
Jone Munjanga aus Eberswalde] dar, dass auch den Angolanern ein Teil ihres | |
Lohnes zur Begleichung von Staatsschulden ihres Landes abgezogen wurde. | |
Allerdings ist die kleine Zahl der Angolaner wesentlich schlechter | |
organisiert als die Mosambikaner, sie verschaffen sich kaum Gehör. | |
## „Von beiden Ländern betrogen“ | |
Auch vietnamesischen Vertragsarbeitern wurden Lohnteile von den | |
DDR-Betrieben abgezogen. 12 Prozent ihres Bruttolohnes flossen als „Hilfe | |
zum Wiederaufbau des Landes“ in die vietnamesische Staatskasse. Da das aber | |
von Anfang an korrekt kommuniziert wurde, gibt es bis heute keinerlei | |
Forderungen von Vietnamesen nach Rückzahlung dieser Gelder. Vietnam hat im | |
Vergleich zu Mosambik zudem einen Wirtschaftsaufschwung hingelegt, sodass | |
die sozialen Probleme der Betroffenen nicht vergleichbar sind. | |
Zur Wahrheit gehört aber, dass die Bundesregierung 1993 dem | |
mosambikanischen Staat rund 75 Millionen Mark an | |
Entwicklungszusammenarbeitsgeldern überwies, die für die ehemaligen | |
Vertragsarbeiter vorgesehen waren. Das Geld versackte allerdings | |
größtenteils in korrupten Strukturen und kam nur bei ganz wenigen | |
Betroffenen an. Wegen der gezahlten Leistungen sieht die Bundesregierung | |
heute keinen Handlungsbedarf mehr. | |
Entsprechend verwundert es nicht, dass der ehemalige mosambikanische | |
Vertragsarbeiter David Macao sagt: „Ich fühle mich bis heute von beiden | |
Ländern betrogen.“ | |
3 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundestag.de/resource/blob/1021794/eb52ea8163de21eff71db02b6340… | |
[2] /Ehemalige-DDR-VertragsarbeiterInnen/!6031344 | |
[3] /31-Todestag-von-Amadeu-Antonio/!5815946 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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