# taz.de -- Stellvertreter-Femizid in Rotenburg: Von Reue kaum eine Spur | |
> Vier Menschen soll Florian G. ermordet haben, um sich an seiner Frau zu | |
> rächen. Vor Gericht sagte nun der psychiatrische Sachverständige aus. | |
Bild: Kann besser schlafen: Der Angeklagte mit seinem Verteidiger im Gerichtssa… | |
Hannover taz | Es ist der fünfte Verhandlungstag im Prozess gegen den | |
Bundeswehrsoldaten Florian G., der Anfang März [1][in einer Art privatem | |
Feldzug vier Menschen getötet haben soll.] Den neuen Freund seiner damals | |
Noch-Ehefrau und dessen Mutter in Scheeßel, die beste Freundin und ihre | |
dreijährige Tochter im zehn Kilometer entfernten Brockel. Alles in einer | |
Nacht, innerhalb von zwanzig Minuten. | |
Zum ersten Mal gibt es nun zumindest einen kleinen Einblick in die | |
Gedankenwelt des Täters. Im Prozess hat er sich bisher nicht geäußert, nur | |
versucht, militärisch-unbewegte Haltung zu wahren. Aber gegenüber dem von | |
der Staatsanwaltschaft Verden beauftragten Psychiater Christian Riedemann, | |
der ihn insgesamt dreimal in der Untersuchungshaft befragte, hat er sich | |
eingelassen. | |
Ein Satz, sagt der erfahrene Sachverständige, sei ihm besonders in | |
Erinnerung geblieben: „Die Menschen, die ich verantwortlich mache, sind | |
nicht mehr da. Seitdem kann ich besser essen und schlafen.“ Da sei wenig | |
Reue oder Traurigkeit spürbar gewesen, eher die Befriedigung eines | |
Menschen, dessen Plan aufgegangen ist. | |
Lediglich der Tod des kleinen Mädchens habe ihm erkennbar leid getan. Sie | |
gehörte nicht zu den „primären und sekundären Zielen“, die er auf der Li… | |
hatte. Sie starb im Arm ihrer Mutter, einer Freundin seiner Ex-Frau. Dieser | |
schrieb der Angeklagte eine wesentliche Schuld am Scheitern seiner Ehe zu, | |
genauso wie dem Nebenbuhler und dessen Eltern. | |
## Ein Muster wird deutlich | |
Das scheint ein Muster zu sein, dass sich durch sein Leben zieht. Florian | |
G. fühlt sich oft zurückgesetzt und benachteiligt, das soll schon im | |
Kindergarten und in der Schule so gewesen sein und sich später in der | |
Bundeswehr fortgesetzt haben. In seiner Sprache: „Die Arschkriecher werden | |
immer bevorzugt.“ | |
Was aber auch deutlich wird: Wie lange er wohl noch gehofft hat, dass sich | |
alles wieder einrenkt, sich sein Idealbild von der netten, kleinen Familie | |
im eigenen Häuschen doch noch kitten lässt. | |
Das stand im Konflikt zu der Bundeswehrkarriere, die ihm ebenso wichtig | |
war. Ständig war er weg, auf Lehrgängen oder im Auslandseinsatz in Mali und | |
Jordanien. Die beschreibt er als aufreibend und psychisch belastend, auch | |
wenn er selbst nicht in Kampfhandlungen verwickelt war. Bei seinem | |
nächtlichen Rachefeldzug, so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft vor, sei | |
er vorgegangen, wie er es in der Häuserkampfausbildung gelernt hatte. | |
Der Psychiater sagt, er habe die Explorationsgespräche nach anderthalb | |
Stunden beenden müssen – nicht weil Florian G. nicht mehr konnte, sondern | |
er selbst. Er habe ein Problem mit der sehr kühlen Darstellung gehabt, | |
damit, dass alles klang wie ein Rapport bei der Bundeswehr. Dabei ist er | |
als Chefarzt des niedersächsischen Maßregelvollzugs in Bad Rehburg den | |
Umgang mit schwierigen Menschen gewohnt. | |
## Er fühlt sich bestärkt, bis heute | |
Der Anwalt der Nebenklage thematisiert auch noch einmal [2][die | |
Gefährderansprache durch die Polizei, die für] Kritik gesorgt hatte. Kurz | |
vor der Tat hatten die Frau und der neue Partner Florian G. wegen Bedrohung | |
angezeigt. Das Gespräch mit den Polizisten habe er aber wohl eher als | |
Bestätigung empfunden, sagt der Sachverständige. | |
Er hatte den Eindruck, er habe sie von seiner Version der Geschichte | |
überzeugt, immerhin hätten sie ihm ja auch seine Waffen nicht abgenommen. | |
Die Waffen, mit denen G. letzlich loszog, stammen aus seinem Privatbesitz, | |
nicht aus Beständen der Bundeswehr. | |
Auch von Familienmitgliedern seiner Ex-Frau fühlt sich der 32-Jährige | |
bestärkt, zum Teil bis heute. Viele seien fassungslos angesichts der | |
Trennungsabsichten gewesen, immerhin war sie mit dem zweiten Kind | |
schwanger. Mittlerweile sei er sich aber nicht mehr sicher, ob dieses Kind | |
wirklich von ihm ist. | |
Zwei Dinge seien Florian G. erkennbar wichtig gewesen, sagt der Psychiater. | |
Zum einen, dass man sein Vorgehen nachvollziehen könne. Zum anderen habe er | |
betont, wie suizidal er sei. Wenn ihm der Tod des kleinen Mädchens schon | |
bewusst gewesen wäre, hätte er sich umgebracht, statt sich zu stellen. | |
## Die Kamera des Babyfons filmte die Tat | |
Einlassungen zu diesem Punkt sollte er sich allerdings gut überlegen, mahnt | |
der Vorsitzende Richter in Richtung des Angeklagten. Offenbar hat sich | |
Florian G. die für ihn schonendere Version zurechtgelegt, die Kleine sei | |
schon gestorben, als er blind durch die Tür geschossen habe. Die | |
Aufzeichnungen der Babyfon-Kamera im Kinderzimmer legen etwas anderes nahe. | |
Wann und in welcher Form sich der mutmaßliche Täter selbst äußern will, | |
steht noch nicht fest. Der Prozess wird am 11. Oktober fortgesetzt. Es sind | |
insgesamt 30 Verhandlungstage anberaumt. | |
2 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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