| # taz.de -- Stellvertreter-Femizid in Scheeßel: Lebenslang für mordenden Ex-S… | |
| > Florian G. tötete drei Erwachsene und ein Kleinkind in einem brutalen | |
| > nächtlichen Feldzug. Jetzt wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. | |
| Bild: Einer der Tatorte: Zwei Kinder, die miterleben mussten, wie jeweils ein E… | |
| Verden taz | Es war ziemlich klar, worauf das hinausläuft: Der | |
| Bundeswehrsoldat Florian G. hatte gestanden, in einem nächtlichen privaten | |
| Feldzug drei Erwachsene und ein Kleinkind getötet zu haben. Dafür forderten | |
| nicht nur Staatsanwaltschaft und Nebenklage eine lebenslängliche | |
| Freiheitsstrafe, sondern auch seine eigenen Verteidiger. In ihrem Plädoyer | |
| sprach seine Anwältin sogar davon, auch Florian G. selbst sei eigentlich | |
| „innerlich tot“, nicht mehr in der Lage irgendetwas zu empfinden, neben ihr | |
| säße „eine leere Hülle“. | |
| Als das Landgericht Verden am Freitag sein Urteil verkündete, ging es also | |
| eigentlich nur noch um eine Frage: Erkennt das Gericht eine besondere | |
| Schwere der Schuld und schließt damit einen Antrag auf vorzeitige | |
| Entlassung nach 15 Jahren aus, oder nicht? Für die besondere Schwere der | |
| Schuld spreche schon die Anzahl der Taten, sagte der Richter. | |
| Anderthalb Stunden nahm sich der Vorsitzende Zeit, um diesen Prozess zu | |
| rekapitulieren, der in 25 Verhandlungstagen so ziemlich jeden Abgrund | |
| ausgelotet hat, in dem Bemühen, keine Fragen offenzulassen. Das lag auch im | |
| Interesse der Angehörigen, betonten die Anwälte der Nebenkläger. | |
| Denn neben den Todesopfern gab es ja noch weitere Opfer: Zwei Kinder, die | |
| miterleben mussten, wie jeweils ein Elternteil brutal zusammengeschossen | |
| wurde. Eltern, Großeltern, Ex-Partner, die mit den Folgen dieser Nacht | |
| leben müssen und teilweise mit Bildern vom Tatort, die sie nie wieder | |
| loslassen werden. | |
| In der Nacht zum 1. März 2024 war Florian G. zunächst in das Haus seines | |
| Nebenbuhlers eingedrungen. Er tötete erst die Mutter des neuen | |
| Lebensgefährten seiner Frau und stellte dann diesen selbst, brüllte ihn an: | |
| „Was hast du dir dabei gedacht, meine schwangere Frau zu ficken?“ Und | |
| durchsiebte den in Todesangst schreienden Mann schließlich mit so vielen | |
| Schüssen, dass – wie der Richter in seiner Urteilsbegründung noch einmal | |
| hervorhob – sein Körper so zerfetzt war, dass das innere Gewebe nicht | |
| einmal mehr den einzelnen Organen zugeordnet werden konnte. | |
| ## Wie in der Häuserkampfausbildung gelernt | |
| Ohrenzeuge der Tat: Der siebenjährige Sohn des Opfers aus erster Ehe. Der | |
| von seinem Großvater dann panisch an der Leiche des Vaters vorbei in den | |
| Keller getragen wurde, wo sie auf das Eintreffen der Polizei warteten. Da | |
| war Florian G. schon unterwegs zum Haus der besten Freundin seiner Frau im | |
| Nachbarort. | |
| Auch hier ging er vor, wie er es in der Häuserkampfausbildung gelernt | |
| hatte, zerschlug ein Fenster, ballerte blind hinein, stieg ein, drang in | |
| das Kinderzimmer vor, wohin die 33-Jährige instinktiv geflüchtet war, um | |
| ihre dreijährige Tochter zu schützen. | |
| Das Kind starb in ihren Armen, in eine Decke gewickelt. Das sei nicht seine | |
| Absicht gewesen, versicherte der Angeklagte. Und die Kammer glaubte ihm, | |
| nachdem sie die Videoaufzeichnung der Babykamera gesichtet und den | |
| Polizisten und den Richter angehört hatte, die mit seiner Verhaftung | |
| befasst waren. Auf dem Weg nach draußen schubste Florian G. die elfjährige | |
| ältere Tochter beiseite, die den Tod ihrer Mutter und der kleinen Schwester | |
| miterleben musste. | |
| ## Mordserie sollte in einem Suizid gipfeln | |
| Noch etwas nahm das Gericht dem Angeklagten ab: Dass diese Mordserie | |
| ursprünglich in einem Suizid gipfeln sollte. Dafür, sagte Richter Volker | |
| Stronczyk, sprächen eben nicht nur die Einlassungen des Angeklagten und die | |
| vom Sachverständigen diagnostizierte depressive Anpassungsstörung, sondern | |
| auch die Aussagen seines ehemals besten Freundes, mit dem er nach der Tat | |
| telefonierte. | |
| Das Gericht hatte sich große Mühe gegeben, die Gefühlslage und Wahrnehmung | |
| des Angeklagten auszuloten – auch wenn der in seiner auffällig | |
| emotionslosen Art kaum in der Lage war, Auskunft zu geben. Als | |
| „gefühlskalt“ wurde er von Prozessbeteiligten, Zeugen und Beobachtern immer | |
| wieder beschrieben. Er sagte so Dinge wie: Er könne jetzt endlich wieder | |
| essen und schlafen, weil die tot waren, die ihm das angetan haben. | |
| Das gehörte zu den schwierigsten Momenten im Prozess: Die Momente, in denen | |
| das Beziehungsgeflecht rund um seine Frau ausgeleuchtet wurde und es | |
| zeitweise so wirken konnte, als sollte den Opfern noch eine Mitschuld | |
| zugeschrieben werden, an dem, was passiert ist. | |
| Doch darum ginge es nicht, betonte der Richter, sondern lediglich darum, | |
| die Motivlage des Angeklagten zu erörtern. Und der hätte eben durchaus | |
| nicht ganz zu Unrecht das Gefühl gehabt, ihm werde ganz übel mitgespielt. | |
| Das bestätigten überraschenderweise sogar seine Ex-Schwiegermutter, | |
| Ex-Schwägerin und eine gemeinsame Freundin des Paares, die wenig | |
| Verständnis für das Hin und Her im Zuge der Trennung hatten und Florian G. | |
| als liebevollen Vater beschrieben. | |
| Er habe sich in die Ecke gedrängt gefühlt, befürchtet seinen Sohn und das | |
| noch gar nicht geborene zweite Kind nicht mehr sehen zu dürfen, aus dem | |
| gemeinsamen und von ihm finanzierten Haus gedrängt zu werden, berufliche | |
| Schwierigkeiten zu bekommen, weil seine Frau und ihr neuer Freund Anzeige | |
| gegen ihn erstattet hatten. | |
| ## Gefährderansprache kurz vor Tat | |
| Die Gefährderansprache, wenige Tage vor der Tat, hat in diesem Prozess auch | |
| noch einmal eine Rolle gespielt. Hätte die Tat verhindert werden können, | |
| wenn man die Anzeige ernster genommen und die privaten Waffen des | |
| Sportschützen einkassiert hätte? Nein, sagt das Gericht. Niemand konnte | |
| diese Eskalation voraussehen. Was er zu seiner Frau und ihrem Freund sagte, | |
| hätten die zwar subjektiv als Bedrohung empfunden – war aber so vage | |
| formuliert, dass es im engeren juristischen Sinne diesen Tatbestand nicht | |
| einmal erfüllt hätte. | |
| Auch die späteren Opfer hätten sich – nachzulesen in ihren Whatsapp-Chats �… | |
| wohl nicht in akuter Lebensgefahr gesehen. Und als Florian G.s Ehefrau den | |
| Polizisten für die Gefährderansprache die Tür öffnete, hat sie nicht auf | |
| den Waffenschrank hingewiesen. Und auch der Anwalt der Nebenklage, Stefan | |
| Hörning, sagt: Der war so entschlossen, das hätte den allenfalls für ein | |
| paar Tage aufgehalten – bis er sich anderswo Waffen beschafft hätte. | |
| ## Fehler im System bei der Bundeswehr | |
| Gibt es also überhaupt eine Lehre, die man aus diesem Prozess ziehen kann? | |
| Möglicherweise, sagt Florian G.s Anwältin, gibt es bei der Bundeswehr einen | |
| Fehler im System. Sie glaubt, er sei von seinem Auslandseinsatz in Mali mit | |
| einer schweren Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) zurückgekehrt. | |
| Jedenfalls habe danach die Entfremdung der Eheleute und die Klagen der Frau | |
| über seine emotionale Kälte begonnen. | |
| Eine Behandlung habe er aber vermieden, weil er dann seinen Dienst an der | |
| Waffe hätte aufgeben müssen. Und damit das, was er als „zweite Familie“ | |
| bezeichnete, die seinem Leben Halt und Struktur gegeben hat. | |
| 28 Feb 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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