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# taz.de -- Soldat wegen Vierfachmord vor Gericht: Bei Gefährderansprache „b…
> Seine Ex-Frau hatte den Soldaten angezeigt. Die Polizei suchte ihn auf
> und stufte ihn als nicht gefährlich ein. Entwaffnet haben die Beamten ihn
> nicht
Bild: Gedenken an die Opfer: Ein Bundeswehrsoldat soll vier Menschen in den Gem…
Er schweigt weiter. [1][Der Bundeswehrsoldat Florian G., der beschuldigt
wird,] vier Menschen in einem privaten Rachefeldzug getötet zu haben, weil
seine Frau ihn verlassen hat, lässt auch den zweiten Prozesstag vor dem
Landgericht Verden mit starrer Miene über sich ergehen.
Es ist ein kurzer Prozesstag, vorgetragen werden die ersten
rechtsmedizinischen Gutachten vom zweiten Tatort im niedersächsischen
Brockel, wo G. der Anklage zufolge die beste Freundin seiner Frau und deren
dreijährige Tochter erschossen haben soll. „Das sind belastende Bilder“,
warnt der Vorsitzende Richter Volker Stronczyk die Zuschauer noch, bevor
die Fotos der durch die Schüsse grausam zugerichteten Toten auf dem
Bildschirm erscheinen.
Den nebenan wohnenden Eltern und Großeltern, die damals aufgeschreckt durch
die Schüsse, herbeieilten, muss sich ein schrecklicher Anblick geboten
haben. Genauso wie dem Nachbar, der auf einen umgedrehten Bierkasten stieg,
um den unablässig schrillenden Rauchmelder im Kinderzimmer abzudrehen.
Florian G. verzieht beim Anblick der Bilder im Gerichtssaal keine Miene.
„Es ist Ihr gutes Recht zu schweigen. Aber wir als Strafkammer werden da
nicht hinterherrennen, ob Sie aussagen oder nicht aussagen“, wendet sich
der Vorsitzende Richter an den Angeklagten. Die weitere Beweisaufnahme
plant er erst einmal ohne Einlassung des Angeklagten. Am 10. September wird
es um die Untersuchungen am ersten Tatort gehen. Am 2. Oktober soll der
psychiatrische Sachverständige aussagen, dem gegenüber sich der Angeklagte
vor dem Prozess durchaus geäußert hatte.
[2][Im Kreis Rotenburg versucht derweil die Linke], die Debatte darüber
aufzugreifen, ob Polizei und Waffenbehörden in diesem Fall anders hätten
agieren müssen. „Es ist absolut unverständlich, wie die Polizei trotz
eindeutiger Warnsignale und einer gemeldeten Bedrohungslage durch die
Ehefrau des Täters keine unmittelbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die
Waffen des Soldaten zu beschlagnahmen und das Risiko zu minimieren,“
schreibt die Landesvorsitzende Franziska Junker in einer Pressemitteilung.
## Ex-Frau des mutmaßlichen Täters suchte Rat
Ihrem örtlichen Parteikollegen Stefan Klingbeil sind Chats aus einer
privaten Facebook-Gruppe von Soldatenfrauen zugespielt worden, in der die
Ex-Ehefrau des mutmaßlichen Täters Rat gesucht hatte. Sie habe sich
getrennt und einen neuen Lebensgefährten, schreibt sie wenige Tage vor der
Tat. Jetzt habe ihr Ex-Mann sie beide bedroht. In dem Chat entspinnt sich
daraufhin eine Diskussion darüber, ob es reicht, damit zur Polizei zu gehen
oder ob es klüger wäre, die Waffenbehörde gesondert zu informieren.
Letztlich, so viel weiß man mittlerweile, ist das Paar „nur“ zur Polizei
gegangen und hat dort Anzeige erstattet. Die Waffenbehörde wurde von
niemandem informiert. Die Polizei hat die Situation immerhin so ernst
genommen, dass sie noch am selben Tag eine Gefährderansprache vorgenommen
hat. Dabei blieb es dann aber auch.
Der Sprecher der zuständigen Polizeiinspektion Rotenburg, Heiner van der
Werp, hat seither seine liebe Not zu erklären, warum das so war. „Wir haben
das intern sofort und auch sehr gründlich überprüft – auch im Interesse der
Kollegen, für die das natürlich auch belastend ist. Aber nach der
bestehenden rechtlichen Grundlage war das alles in Ordnung.“
Was vorlag, war lediglich eine Anzeige wegen einer mutmaßlichen Bedrohung –
und im Gespräch habe sich der jetzt Angeklagte „ruhig, orientiert und
besonnen“ gegeben. Damit habe es keinen Anlass für weitere Maßnahmen
gegeben. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Waffenbehörde in
dieser Situation keine Handhabe gesehen hätte, die Waffen einzuziehen“,
sagt van der Werp.
Allerdings sei jetzt eine unabhängige Gruppe aus der Polizeiinspektion
Heidekreis damit beauftragt worden, die Abläufe noch einmal zu überprüfen
und möglicherweise einen neuen Handlungsleitfaden zu erstellen, wie mit
solchen Situationen künftig umgegangen werden soll. Aber die Frage, ob man
da grundsätzlich anders vorgehen müsste, könne die Polizei natürlich nicht
beantworten. „Das ist letztlich eine politische Frage“, sagt der erfahrene
Polizist.
Rein theoretisch wäre es natürlich denkbar, die Spielregeln beim privaten
Waffenbesitz noch einmal zu verschärfen – das ist auf Bundesebene ja
ohnehin geplant. Möglicherweise könnte man auch bei bestimmten
Konfliktlagen die Waffen vorübergehend sicherstellen. Zur Gefahrenabwehr
ist das prinzipiell auch jetzt schon möglich, das muss auch nicht erst mit
der Waffenbehörde abgestimmt werden. Und immerhin geschehen die meisten
Femizide – oder wie in diesem Fall Stellvertreter-Femizide – in den Wochen
und Monaten rund um die unmittelbare Trennungssituation.
## Innenministerium hält sich bedeckt
Im niedersächsischen Innenministerium hält man sich bei der Frage nach
Schlussfolgerungen und Konsequenzen aus dieser Tat jedenfalls erst einmal
bedeckt. Natürlich seien solche Ereignisse immer ein Anlass, bestehende
Regularien noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren,
schreibt eine Sprecherin auf taz-Anfrage. Aber für eine umfängliche
Aufarbeitung müsste man hier doch auch erst einmal die Ergebnisse des
Ermittlungsverfahrens abwarten.
Möglicherweise will man auch erst einmal abwarten, was da im Laufe des
Prozesses noch so ans Licht kommt. Die Nebenklage-Vertreter haben schon
angekündigt, sich der Frage, ob sich die Taten hätten verhindern lassen,
widmen zu wollen.
[3][Die Wochenzeitung Die Zeit berichtet], die Ermittler hätten rechte
Chats und verfassungsfeindliche Symbole auf dem Handy des Soldaten zutage
gefördert. Auch die Beurteilungen durch Vorgesetzte bei der Bundeswehr
fielen wohl nicht uneingeschränkt positiv aus. Haben also Bundeswehr und
Militärischer Abschirmdienst nicht genau genug hingeschaut?
„Wäre eine Person mit Migrationshintergrund involviert gewesen, hätte man
die Debatte jetzt schon wieder missbraucht, um weniger Asyl und mehr
Abschiebungen zu fordern. Da es aber um Bundeswehr und Fehlverhalten der
Polizei geht, wird die Sache totgeschwiegen“, sagt
Linken-Landesvorsitzender Thorben Peters. Die Linke will darum in diesem
Fall nicht locker lassen.
5 Sep 2024
## LINKS
[1] /Soldat-wegen-Vierfachmord-vor-Gericht/!6028470
[2] https://www.dielinke-nds.de/start/aktuell/detail/die-linke-niedersachsen-kr…
[3] https://www.zeit.de/2024/35/mordprozess-bundeswehrsoldat-familie-femizid/ko…
## AUTOREN
Nadine Conti
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