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# taz.de -- Nach Femizid in Buxtehude: „Die Gesellschaft darf nicht mehr wegs…
> Um Femizide zu verhindern, sollte die Beratung möglicher Täter verstärkt
> werden, sagt Carin Huber von der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit.
Bild: Protest gegen Gewalt an Frauen
taz: Frau Huber, nach einem Femizid im niedersächsischen Landkreis Stade
wird diskutiert, eine Beratungsstelle für gewalttätige Männer einzurichten.
Ein überfälliger Vorschlag?
Carina Huber: Ja, total, wenn man sich vor Augen führt, dass die
Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher
Gewalt schon 2018 in Kraft getreten ist. Es ist gar keine Frage mehr, dass
es den Bedarf gibt und die Politik in der Verantwortung ist, so etwas
anzubieten.
taz: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will bei der Novellierung des
Gewaltschutzgesetzes Täterarbeit zur Pflicht machen. Geht das in die
richtige Richtung?
Huber: Auf jeden Fall. Bis jetzt scheitert es oft noch daran, dass das ja
finanziert werden muss. Das stimmt, aber die Täterarbeit ist ein sehr
wichtiger Baustein im Hilfenetzwerk für gewaltbetroffene Personen.
taz: Pflicht hieße, dass Männer da hingeschickt werden, entweder
Gewalttäter oder potenzielle Gewalttäter. Wie soll das funktionieren?
Huber: Die Täterarbeitseinrichtungen, die nach Standards der
Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt (BAG) arbeiten, sind
gut vernetzt. Wir haben in Augsburg zum Beispiel mit der Polizei
vereinbart, dass, wenn es einen Vorfall häuslicher Gewalt gab und die
Person der Datenweitergabe zustimmt, wir von der Polizei die Information
bekommen. Um dann Kontakt aufzunehmen und die Person einzuladen. Das ist
aber nicht verpflichtend, man erreicht die Menschen nur gut. Manche
Menschen bekommen die Beratung aber auch als Bewährungsauflage oder als
Angebot der Staatsanwaltschaft zur vorläufigen Verfahrenseinstellung, wenn
sie da hingehen; oder die verpflichtende Teilnahme wird in einen Hilfeplan
des Amtes für Kinder, Jugend und Familie aufgenommen.
taz: Bei einer Therapie ist eine Voraussetzung für den Erfolg, dass man
sich dieser freiwillig unterzieht. Ergibt es Sinn, Menschen zwangsweise zu
beraten?
Huber: Den Erstkontakt so zu ermöglichen, ergibt durchaus Sinn. Inwieweit
das Erfolg versprechend ist, ergibt sich meistens schon in den ersten paar
Gesprächen. Und wir zwingen ja niemanden endgültig. Es gibt ja immer noch
die Wahl: Gehe ich zur Beratung oder in das Gefängnis.
taz: Wie erreichen Sie Leute präventiv, bevor es überhaupt zu einer
Gewalttat kommt?
Huber: Durch Öffentlichkeitsarbeit, dadurch, dass die Gewalt thematisiert
wird, dadurch, dass es flächendeckend diese Angebote gibt und jeder den
Zugang hat. Die Gesellschaft darf nicht mehr wegschauen und es sollte
gesellschaftlich akzeptiert sein, dass man Hilfe annimmt.
taz: Dafür müsste ich mir aber erst mal eingestehen, dass ich da ein
Problem habe. Die wenigsten werden sich das eingestehen.
Huber: Dem würde ich widersprechen. Wir haben in Augsburg ungefähr 50
Prozent Selbstmelder. Die waren vielleicht schon einmal gewalttätig oder
haben das Gefühl, sie könnten es in Zukunft werden, und wollen wissen, wie
sie das verhindern können.
taz: Wie müsste die Beratungsstelle eines Landkreises aussehen?
Huber: Es gibt die Standards der BAG [1][Täterarbeit]. Es gibt eine
Weiterbildung, in der man Fachkräfte schult, wie so ein Angebot gestaltet
werden kann. Wichtig ist die Vernetzung: dass alle Akteure davon wissen,
dass man in der Öffentlichkeit sichtbar ist. Das wäre schon mal ein Anfang.
taz: Finanzieren muss es der Landkreis?
Huber: Bei uns in Bayern finanziert es das Sozialministerium*. Es gibt da
aber ganz unterschiedliche Modelle.
taz: [2][Faesers Entwurf für ein Gewaltschutzgesetz] wird wohl Makulatur
bleiben. Was bedeutet das?
Huber: Das ist ein totaler Rückschlag. Es gibt einen unfassbar hohen
Bedarf. Die Ressourcen, die jetzt zur Verfügung stehen, reichen nicht
einmal annähernd aus.
taz: Was hätte das Gesetz konkret gebracht?
Huber: Der Gesetzentwurf sah verpflichtende Gespräche in [3][Fällen
häuslicher Gewalt] vor. Das hätte den Zugang zum Hilfesystem verbessert.
Denn wenn ich schon einmal bei einer Beratungsstelle war, dann weiß ich
schon: Das ist alles gar nicht so schlimm. Das würde die Menschen
erreichen, die nicht von selbst auf die Idee kommen, sich Hilfe zu suchen.
*In [4][Niedersachsen gibt es elf Täterarbeitseinrichtungen], die vom Land
gefördert werden.
14 Nov 2024
## LINKS
[1] /Gewalt-gegen-Frauen/!6041043
[2] /Hilfe-bei-haeuslicher-Gewalt/!6047350
[3] /Autorin-ueber-haeusliche-Gewalt/!6041522
[4] https://www.taeterarbeit-niedersachsen.de/landesarbeitsgemeinschaft/die-lag
## AUTOREN
Gernot Knödler
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