| # taz.de -- Pro und Contra E-Scooter: Kann das weg? | |
| > Die Interessenvertretung von Fußgänger*innen aus Berlin rechnet in | |
| > ihrer neuen Studie hart mit E-Scootern ab. Sollten sie aus der Stadt | |
| > verbannt werden? | |
| Bild: Teil der Mobilitätswende oder einfach im Weg? E-Scooter spalten die Gem�… | |
| ## Ja | |
| Es war ja eine gute Idee: Menschen sollten kürzere Wege nicht etwa mit dem | |
| Auto, sondern mit dem Fahrrad oder einem Roller erledigen. Um das auch für | |
| jene attraktiv zu machen, die es mit körperlicher Anstrengung nicht so | |
| haben, war es naheliegend, das mit den neu aufkommenden Möglichkeiten der | |
| E-Mobilität zu nutzen. Denn: Ja, auch E-Roller und E-Räder verbrauchen | |
| Strom, aber nach gängigen Rechnungen weniger umweltbelastend als dieselben | |
| Fahrten mit einem klassischen Auto. Weiterer Vorteil, zumindest in den | |
| Innenstadtbezirken: Die Roller und Räder brauchen beim Abstellen weniger | |
| Platz. | |
| So weit die Theorie. In der Praxis aber klappt das schlichtweg nicht. Das | |
| mit dem „weniger Platz“ gilt nämlich nur, wenn man oder frau die Roller und | |
| Räder so abstellt, dass sie nicht mitten auf dem Gehweg stehen oder liegen. | |
| Es wäre so einfach, wenn jede und jeder ein bisschen schaute, wo es am | |
| wenigsten stört – aber das passiert zu oft eben nicht. | |
| Die am Dienstag vorgestellten [1][Zahlen des Fuss e. V.] untermauern zudem | |
| tägliche Beobachtungen mit Fakten, dass auch die erhofften Ökoversprechen | |
| nicht eingelöst werden: Auf den Rollern stehen, auf den Räder sitzen im | |
| selteneren Fall Menschen, die qua Anzug oder Blaumann so aussehen wie auf | |
| dem Weg zur Arbeit. Stattdessen scheinen die Roller vorrangig der | |
| Unterhaltung von Touristen und Jugendlichen zu dienen. | |
| Gut, es gibt viele e[2][nergiefressende Angebote] in der Stadt, die zu | |
| hinterfragen wären und doch erlaubt sind. Dieses aber kam mit | |
| ausdrücklicher Billigung des Senats auf den Markt, als Teil der | |
| Verkehrswende, mit der der Energieverbrauch reduziert werden sollte. In den | |
| Außenbezirken sollten die Kombinationen E-Rad oder Roller plus S-Bahn | |
| Autofahrten ersetzen. | |
| Auch jenseits der Leihräder wirkt es so, als diene E-Mobilität vorrangig | |
| einem Ziel: mehr Bequemlichkeit. Es war ja eine schöne Idee, dass sich jene | |
| Senioren, die nicht mehr die Fittesten sind, mit einem E-Bike einen | |
| Ausflugsradius erhalten, der ihnen mit einem normalen Rad nicht mehr | |
| möglich wäre. Doch warum sind dann am Wochenende auch so viele Menschen | |
| weit unter 50 Jahren zu beobachten, die mit einem E-Bike auf Ausflugstour | |
| gehen? Statt den Energieverbrauch zu senken, ist auf diese Art eine | |
| zusätzliche Verbrauchsquelle entstanden. | |
| Kurzum: Die Hoffnung, via E-Roller und E-Rad einen Weg zum Energiesparen | |
| gefunden zu haben, wirkt gescheitert. Wäre das anders, ließe sich in einer | |
| Güterabwägung vielleicht der eine oder andere im Weg stehende Roller noch | |
| hinnehmen. Wenn diese Form der E-Mobilität aber vorwiegend der Bespaßung | |
| dient und damit in Sachen Umwelt nicht ent-, sondern belastend wirkt, lässt | |
| sich bloß sagen: Weg damit. Stefan Alberti | |
| ## Nein | |
| Klar, E-Scooter nerven. Sie stehen im Weg, kommen überraschend um die Ecke | |
| gebraust, verschmutzen die Spree. Und dennoch: E-Scooter aus dem | |
| öffentlichen Raum zu verbannen, [3][so wie Paris es getan hat], wäre | |
| falsch. Denn das Problem liegt ganz woanders: Nicht die kleinen Roller | |
| nehmen zu viel Platz ein, sondern die vielen Autos. Selbst wenn jede*r | |
| Berliner*in einen eigenen E-Scooter besitzen würde, würden sie nur einen | |
| Bruchteil des öffentlichen Raumes einnehmen, den derzeit die Blechkolonnen | |
| besetzen. | |
| Zumal E-Scooter eben nur in seltenen Fällen in Privatbesitz sind. Sie sind | |
| als Sharing-Angebot vielmehr Teil der Verkehrswende. Und selbst wenn sie | |
| nicht dafür genutzt werden, von der nächsten Bahn- oder Busstation nach | |
| Hause oder zur Arbeit zu fahren, sondern nur zum Spaß: Drei Jugendliche auf | |
| einem E-Scooter sind allemal besser als eine einzelne Person in einem SUV. | |
| Das zugrundeliegende Problem in der Hauptstadt ist nämlich die [4][fehlende | |
| Flächengerechtigkeit]. Nur jede*r dritte Berliner*in besitzt ein Auto | |
| und doch ist der Großteil des öffentlichen Raumes genau davon besetzt. Das | |
| emotionale Scooter-Bashing geht also von einer völlig falschen Prämisse | |
| aus: Der wenige Platz, den sich Nicht-Autofahrer*innen teilen müssen, ist | |
| umkämpft, und in diesem Kampf werden die E-Scooter als störend empfunden. | |
| Würde man jedoch Flächengerechtigkeit herstellen, gäbe es das Problem | |
| überhaupt nicht. Anders gesagt: [5][Wäre Berlin autofrei], gäbe es | |
| ausreichend Platz für Scooter, Fahrräder und Fußgänger*innen – und | |
| einen Ausbau des ÖPNV. | |
| Nun wäre ein E-Scooter-Verbot natürlich sehr viel leichter umzusetzen als | |
| ein Auto-Verbot. Allerdings ist der leichte Weg nicht immer der richtige. | |
| So auch in diesem Fall. Fakt ist, dass knapp ein Fünftel der CO2-Emissionen | |
| in Deutschland durch den Verkehr verursacht werden – und dass dies auch | |
| noch der einzige Bereich ist, in dem der Ausstoß von Klimagasen zu- statt | |
| abnimmt. Angesichts der fortschreitenden Zerstörungen durch den Klimawandel | |
| kommen wir um eine Mobilitätswende nicht herum. Dazu muss die Zahl der | |
| privat genutzten Pkw reduziert werden. | |
| Das ist keine beliebte Maßnahme und damit gewinnt man ganz sicher keine | |
| Wahlen – wer verzichtet schon gern auf Bequemlichkeit. Aber es ist ein | |
| notwendiger Schritt, um den nachfolgenden Generationen einen lebenswerten | |
| Planeten zu hinterlassen. E-Scooter können Teil der Verkehrswende sein – | |
| Autos sind es nicht. | |
| Schon jetzt ersetzt [6][jede elfte Fahrt mit dem Roller] eine Autofahrt. | |
| Wenn alle Berliner*innen gezwungen wären, auf Bus, Bahn und | |
| Sharing-Angebote umzusteigen, würde der Anteil weiter steigen. Und so ein | |
| Scooter-Trip kann auch ganz spaßig sein – jetzt müssen wir nur noch lernen, | |
| die Vehikel im Straßenverkehr auch respektvoll zu nutzen. Das trifft aber | |
| wahrlich auf alle Verkehrsmittel zu. Marie Frank | |
| 1 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Studie-zu-E-Scootern/!6036917 | |
| [2] /SUVs-in-der-Stadt/!6029441 | |
| [3] /Abstimmung-ueber-E-Roller-in-Paris/!5925639 | |
| [4] /Verkehrswende-in-Berlin/!6031168 | |
| [5] /Senat-lehnt-Klima-Volksbegehren-ab/!5855759 | |
| [6] https://difu.de/presse/pressemitteilungen/2022-11-02/konfliktthema-e-tretro… | |
| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
| Stefan Alberti | |
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