# taz.de -- Radinfrastruktur in Berlin: Radwege fürn paar Flaschen Bier | |
> Der bisherige Ausbau der Radinfrastruktur in diesem Jahr ist mehr als | |
> bescheiden, so der Verein Changing Cities. Der Senat sagt: Es ist noch | |
> weniger. | |
Bild: Würde heutigen Standards nicht mehr genügen, aber immerhin: Radweg an d… | |
Berlin taz | [1][Drei Kisten Jever verwettete Rad-Aktivist und CDUler | |
Heinrich Strößenreuther] im Sommer 2023 darauf, dass die Verkehrsverwaltung | |
unter der Ägide seiner Partei bis Ende der Legislaturperiode mehr | |
Radinfrastruktur auf die Straße bringe als die Grünen in der Zeit davor. So | |
wie es derzeit aussieht, dürfen sich seine Wettpartner auf eine Erfrischung | |
freuen: Der Bau von Radwegen, wie ihn das Berliner Mobilitätsgesetz und der | |
dazugehörige Radverkehrsplan vorsehen, kommt extrem schleppend voran. Das | |
belegen nicht nur die Zahlen von KritikerInnen, sondern auch die der | |
Senatsverwaltung selbst. | |
Kurioserweise liegt das Haus von Senatorin Ute Bonde bei seiner Bilanz für | |
das 1. Halbjahr 2024 sogar deutlich unter dem, was die notorischen Drängler | |
von Changing Cities e. V. berechnet haben: Sieben Radverkehrsanlagen von in | |
der Summe knapp 4,2 Kilometern Länge sind laut Senatsverwaltung seit Anfang | |
Januar umgesetzt worden. Davon entfällt ein Viertel auf sogenannte | |
geschützte Radfahrstreifen, der Rest sind vor allem „normale“ | |
Radfahrstreifen und Fahrradstraßen. | |
Laut Bondes Sprecherin Petra Nelken soll sich die Zahl bis Jahresende | |
immerhin fast vervierfachen: Für 23 Projekte mit insgesamt 16,7 Kilometern | |
Länge sei die Umsetzung „in 2024 geplant und wahrscheinlich“. Eine | |
flächendeckende Radinfrastruktur sei das Ziel, so Nelken, der Neubau und | |
die Sanierung hingen allerdings „von vielen Faktoren ab, die nicht immer | |
nur in unserer Hand liegen“. Darum könne man „schwerlich eine konkrete | |
Kilometer-Zahl als Ziel setzen“. | |
Tatsächlich hatte Changing Cities – einer allzu wohlwollenden Haltung | |
gegenüber der Verwaltung unverdächtig – erst vor wenigen Wochen gemeldet, | |
dass im 1. Halbjahr 10,6 Kilometer Radwege auf die Straße gebracht worden | |
sei. Gegenüber der taz bestätigte das die Sprecherin des Vereins, Ragnhild | |
Sørensen, am Montag noch einmal. Sie vermute, dass der Unterschied auf | |
unterschiedliche Zählweisen zurückgehe – erklären könne sie es sich aber | |
nicht. Seit 2022 verlasse sich Changing Cities auch nicht mehr allein auf | |
Daten, sondern messe die Infrastruktur selbst vor Ort aus. | |
## Nur 150 Kilometer sind vollbracht | |
Das Mobilitätsgesetz und der Radverkehrsplan sehen eigentlich bis 2030 die | |
Neuanlage oder Neugestaltung von 2.700 Kilometern Radinfrastruktur vor. Das | |
betrifft das prioritäre „Vorrangnetz“ mit besonders hohen Sicherheits- und | |
Komfortstandards und das „Ergänzungsnetz“ in Nebenstraßen, aber auch alle | |
Hauptverkehrstraßen, die nicht Teil des Vorrangsnetzes sind. Von 2018, als | |
das Mobilitätsgesetz in Kraft trat, bis heute hat Changing Cities | |
[2][insgesamt die Umsetzung von knapp 150 Kilometern dokumentiert] – wobei | |
nur ein kleinerer Teil davon tatsächlich allen vorgegebenen Standards | |
genügt, etwa bei der Breite. | |
[3][Der Berliner Radverkehrsplan enthält eine Tabelle], die den „fiktiven | |
Ausbaupfad“ der Netze beschreibt. Ihr zufolge wächst der projektierte | |
Ausbau im laufenden Jahr auf 100 Kilometer an, 2025 müssten schon 200 | |
Kilometer, in den folgenden drei Jahren jeweils 350 Kilometer und in 2029 | |
und 2030 je 450 Kilometer hinzukommen. Aktuell ist von dieser Kurve nichts | |
zu erkennen. Vielleicht hätte man Heinrich Strößreuthers Wette auch | |
andersherum interpretieren müssen: 60 Euro (= 3 Kästen Bier plus Trinkgeld) | |
sind schließlich alles andere als ein besonders gewagter Einsatz. | |
12 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://x.com/wegeheld/status/1670886886263386130 | |
[2] /Bilanz-der-Berliner-Radnetze/!5912045 | |
[3] /home4/redakt/claudius/Desktop/radverkehrsplan-1.pdf/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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