| # taz.de -- Jaywalking in New York nun legal: Grün heißt gehen, rot auch | |
| > Das Überqueren einer Straße an nicht dafür vorgesehenen Stellen oder an | |
| > einer roten Ampel wurde in New York legalisiert. Mehr dieser | |
| > fußgängerfreundlichen Gesetze! | |
| Bild: Bei grün darfst du gehen, bei rot musst du stehen … aber nicht unbedin… | |
| Nicht nur in Berlin, sondern auch in New York gilt das Mantra: „Bei Grün | |
| gehen nur die, die es bei Rot nicht mehr geschafft haben.“ Nun hat die | |
| US-Metropole Jaywalking, wie es dort heißt, entkriminalisiert. Sofern die | |
| Verkehrslage es zulässt, dürfen Fußgänger*innen Straßen überqueren, wo | |
| sie wollen, auch wenn dort weder Ampel noch Zebrastreifen den Verkehr | |
| regeln. Da die meisten New Yorker*innen sich schon vor der | |
| Entkriminalisierung wenig um offizielle Fußgängerüberwege geschert haben, | |
| wird die neue Gesetzgebung im Alltag der Menschen wenig ändern. | |
| Während die Republikaner im Stadtrat im Gesetz einen Hass auf | |
| Autofahrer*innen sehen, befürworten die Demokraten das Gesetz als | |
| Antidiskriminierungsmaßnahme. Zuletzt gingen nämlich 90 Prozent der für | |
| Jaywalking ausgestellten Strafzettel an Schwarze oder Latinos. | |
| Obwohl die Gesetzgebung ein wichtiger Schritt für Fußgänger*innenrechte | |
| im Straßenverkehr ist, wird der nach Abgasen stinkende Kern des Problems | |
| nicht angegangen. Denn nach wie vor haben Autos auf den Straßen Vorrang vor | |
| Fußgänger*innen. Deshalb wird es endlich Zeit, die Verkehrspolitik auf | |
| die Füße zu stellen. | |
| ## Fußgänger versus E-Scooter | |
| Wer die Rechte von Fußgänger*innen stärken möchte, muss viel früher | |
| beginnen, nämlich bei der Infrastruktur. Seit den 60er Jahren werden auch | |
| in Deutschland Städte und öffentliche Infrastrukturen vor allem nach den | |
| Bedürfnisse von Autofahrer*innen geplant und gebaut. Andere | |
| Verkehrsteilnehmer*innen müssen sich um den verbleibenden Raum | |
| streiten, was dazu führt, dass dere Interessen fieserweise gegeneinander | |
| ausgespielt werden: die zu Fuß gegen [1][E-Scooter] etwa. | |
| Die auf Autos zugeschnittene Verkehrsplanung, die es in fast allen | |
| westlichen Ländern gibt, wird in der Wissenschaft als Moto- oder | |
| Autonormativität bezeichnet. Die Menschen haben sich so sehr daran gewöhnt, | |
| dass Autos Vorrang haben, dass viele ihrer Zumutungen als | |
| selbstverständlich angesehen werden. | |
| Insbesondere in Großstädten ist öffentlicher Raum ein knappes Gut. Trotzdem | |
| nehmen Parkplätze einen enormen Teil der zur Verfügung stehenden Fläche | |
| ein. Diese Flächen können von Fußgänger*innen, Radfahrer*innen oder dem | |
| öffentlichen Nahverkehr viel effizienter genutzt werden. | |
| Auch dass [2][Kinder an vielen Orten nicht allein per pedes] in den | |
| Kindergarten oder zur Schule trauen, weil einige Kreuzungen zu gefährlich | |
| sind, wird vielerorts als normal angesehen und nicht weiter hinterfragt. | |
| ## Autoabgase und Lärm | |
| Auf zahlreichen Straßen sind [3][Radfahrer*innen] auf die Fahrbahn | |
| angewiesen und sehen sich dort oft von Autos bedrängt, die den | |
| vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern missachten, wenn sie | |
| überholen – im Übrigen nicht selten begleitet von einem dummen Spruch aus | |
| dem vorbeidüsenden Autofenster. | |
| Und wer zu Fuß eine große Kreuzung überqueren will, muss oft minutenlang | |
| warten, um dann, sobald die Ampel grün wird, zur Mittelinsel zu spurten, um | |
| dort von allen Seiten Autoabgase einzuatmen und von Lärm beschallt zu | |
| werden, bis man auf die andere Straßenseite flüchten kann. | |
| Nicht nur sollte Jaywalking weltweit legalisiert werden – braucht eine | |
| umfassende Fußgänger*innen-Revolution! Für kurze innerstädtische Wege sind | |
| die eigenen Füße oft nicht nur das schnellste und unkomplizierteste, | |
| sondern auch das demokratischste Verkehrsmittel. Auch wer sich kein Auto, | |
| keinen Fahrschein für den öffentlichen Nahverkehr und kein Fahrrad leisten | |
| kann, ist auf eigenen Sohlen mobil. | |
| ## Klima- und kinderfreundlich | |
| Es gibt bereits erste Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung wie Kiezblocks oder | |
| Tempo 30 auf Hauptstraßen, die in einigen Städten erprobt sind und die | |
| Lebensqualität der Anwohner*innen nachweislich deutlich steigern. | |
| Es ist jedoch wichtig, dass nicht nur Schilder aufgestellt, sondern auch | |
| bauliche Maßnahmen getroffen werden, die den verkehrspolitischen Zielen | |
| Ausdruck verleihen. Ampelschaltungen an vielbefahrenen Kreuzungen können so | |
| verändert werden, dass sich die Grünphasen für Fußgänger*innen | |
| verlängern und Mittelinseln obsolet werden. An weniger befahrenen Straßen | |
| sollten Kreuzungen so umgebaut werden, dass durchgehende Bürgersteige | |
| entstehen und der Fußverkehr Vorrang erhält. | |
| All diese Forderungen sind keineswegs neu; sie basieren auf Ideen, die in | |
| zahlreichen Städten bereits in ähnlicher Form umgesetzt werden. Um Städte | |
| lebenswert, sauber sowie klima- und kinderfreundlich zu gestalten, bedarf | |
| es vor allem einer verstärkten Umsetzung dieser Ideen. Wenn das passiert, | |
| kann Jaywalking als Konzept vielleicht bald der Vergangenheit angehören. | |
| 31 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Mühl | |
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