# taz.de -- Rechte Gefahr in der Justiz: Wenn Rechtsextreme Schöff*innen werden | |
> Aus dem rechtsextremen Milieu mehren sich die Aufrufe, sich als Schöffe | |
> zu engagieren. Hamburger Senat will Einspruchsrecht erweitern. | |
Bild: Gefahr einer extremistischen Unterwanderung auf dem Programm: Schöffenko… | |
Das Hanseatische Oberlandesgericht hat einen Ersatzschöffen in Hamburg | |
seines Amtes enthoben, weil der Mann in schriftlichen Äußerungen „tiefste | |
Abneigung gegen gläubige Muslime und bestimmte afrikanische Gruppen“ zum | |
Ausdruck gebracht hat, so das Gericht. Laut Hamburger Senat zeigte der | |
Schöffe durch sein Verhalten, dass er „auf unabsehbare Zeit nicht bereit“ | |
sei, „das Schöffenamt unparteiisch auszuüben“. | |
Dieser Vorfall zeigt ein wachsendes Problem: Aus dem rechtsextremen Milieu | |
mehren sich die Aufrufe, sich als Schöffe zu engagieren, um vermeintlich | |
für „Recht und Ordnung, für Volk und Vaterland“ zu sorgen. | |
Cansu Özdemir von der Fraktion Die Linke stellte eine Anfrage zur | |
„Überprüfung von Bewerber*innen für das Schöffenamt“, nachdem bereits | |
2018 rechtsextreme Gruppierungen zu einer Unterwanderung der Schöffenwahl | |
aufgerufen hatten. In seiner Antwort erklärte der Senat, dass eine | |
Überprüfung aller Bewerberinnen durch das Landesamt für Verfassungsschutz | |
aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei. | |
Auch eine Recherche in öffentlichen Quellen und sozialen Medien sei | |
angesichts der hohen Zahl an Schöff*innen kaum zu bewältigen. Diese Lücke | |
könnte Rechtsextremen die Möglichkeit eröffnen, von innen heraus im | |
Justizsystem zu agieren – eine besorgniserregende Aussicht, da | |
Schöff*innen eine bedeutende Rolle im Gerichtssaal spielen. | |
## Ehrenamtler auf Augenhöhe | |
Ehrenamtliche Richter*innen haben laut Gerichtsverfassungsgesetz das | |
gleiche Stimmrecht wie die an der Verhandlung teilnehmenden | |
Berufsrichter*innen und tragen dieselbe Verantwortung für das Urteil | |
wie diese. Er rede auf Augenhöhe mit dem Vorsitzenden, sagte ein Schöffe | |
der taz. | |
Laut Informationen des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg hat | |
die rechtsextreme Szene in der Hansestadt bisher kaum auf Aufrufe zur | |
Unterwanderung des Schöffenamts reagiert. Im Jahr 2023 wurde lediglich eine | |
Person aus dem „Reichsbürger- und Selbstverwalter“-Spektrum auffällig. Im | |
August dieses Jahres scheiterte jedoch der Versuch, einen designierten | |
Europawahlkandidaten von Bündnis Deutschland seines Schöffenamtes zu | |
entheben. | |
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass dem Schöffen „kein | |
konkretes Fehlverhalten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als | |
ehrenamtlicher Richter zur Last gelegt“ wurde. Der Antrag auf Amtsenthebung | |
habe sich nur auf dessen Aktivitäten außerhalb des Ehrenamtes bezogen, wie | |
aus der Senatsantwort hervorgeht. | |
Die Kleinstpartei Bündnis Deutschland versteht sich selbst als | |
„konservativ“ und „wirtschaftsliberal“. Nach der Bremer Bürgerschaftsw… | |
2023 schloss sich die Wählervereinigung [1][„Bürger in Wut“] (BiW) der | |
Partei an, wodurch Bündnis Deutschland nun eine Fraktion in der Bremischen | |
Bürgerschaft stellt. | |
## Wie viele Fälle es sind, ist unklar | |
Kurz vor der Wahl hatte die taz auf rechtsextreme Verbindungen der BiW | |
hingewiesen: Besonders ins Auge fiel dabei eine Äußerung des ehemaligen | |
AfD-Politikers und BiW-Spitzenkandidaten Piet Leitreiter, der Bremen | |
aufgrund von „Jugendlichen und Kindern aus Marokko, Tunesien und Algerien“ | |
als „Hochburg des Verbrechens“ bezeichnete – eine Behauptung, die durch | |
offizielle Daten des Senats nicht gestützt wird. | |
Der Hamburger Senat hat in seiner Antwort auf Özdemirs Anfrage eingeräumt, | |
dass Ablehnungen von Schöff*innen aufgrund politischer Betätigung | |
statistisch nicht erfasst werden. Somit bleibt unklar, ob die drei | |
bekannten Fälle die einzigen ihrer Art waren. Die Gefahr nimmt der Senat | |
aber wahr: Die zuständige Behörde setze sich aktiv für eine Änderung des | |
Deutschen Richtergesetzes ein, um [2][zu verhindern, dass „Extremisten“ als | |
Schöff*innen berufen] werden. | |
Darüber hinaus hat sich Hamburg im Bundesrat dafür ausgesprochen, das | |
Einspruchsrecht gegen die Aufnahme von Personen auf die Vorschlagsliste für | |
das Schöffenamt zu erweitern. Künftig soll es möglich sein, auch in Fällen | |
fehlender Verfassungstreue Einspruch zu erheben, um die [3][Integrität des | |
Schöffenamts] zu wahren. | |
20 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Umgang-mit-rechten-Parteien/!5972666 | |
[2] /Schoeffinnenwahl-2023/!5867992 | |
[3] https://www.mj.niedersachsen.de/startseite/themen/strafrecht_und_soziale_di… | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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