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# taz.de -- Ratsherr postet rechte Memes: Hier lacht der FDP-Mann
> Fabio Lietzke ist in Georgsmarienhütte Ratsherr für die FDP und in Bad
> Iburg Schöffe am Amtsgericht. In seiner Freizeit hat er Rechtslastiges
> gepostet.
Bild: Hier wirkt Fabio Lietzke als Schöffe: Amtsgericht Bad Iburg
Osnabrück taz | Auf [1][Elon Musks Mikroblogging-Dienst X] ist vieles
möglich. Das muss sich auch Fabio Lietzke gedacht haben. Fragwürdige
Inhalte wie das ausländer- und islamfeindliche Posting „Deutsche Kultur
früher – Deutsche Kultur heute“ zeugen davon.
Zwei Bilder stehen sich dort gegenüber: Das eine zeigt Gegenstände, von der
Gewürzketchup-Flasche bis zum Kachel-Couchtisch, vom Coca-Cola-Glas bis zur
Salatschale – das andere lange Reihen knieender Betender in einer großen
Moschee. Darunter, beklemmenderweise: Dutzende „Gefällt mir!“-Herzchen.
Seine rechtslastigen Social-Media-Äußerungen sind Lietzke jetzt auf die
Füße gefallen. [2][Nach kritischer Berichterstattung der Neuen Osnabrücker
Zeitung] war er selbst es, der letzten Montag die Reißleine zog. Er tat es
öffentlich, im Amtsgericht der niedersächsischen Stadt Bad Iburg.
Eigentlich hätte Lietzke dort [3][als Schöffe] auftreten sollen, in einem
Strafverfahren gegen einen rumänischen Staatsbürger. Vor Beginn des
Prozesses ging er zum Vorsitzenden Richter und zeigte seinen Sachverhalt
an. Der schloss Lietzke vom Prozess aus: kein ehrenamtliches Richteramt für
ihn. Personeller Ersatz musste her.
## Besorgnis der Befangenheit
Zur Anwendung kam Paragraf 24 der Strafprozessordnung: „Wegen Besorgnis der
Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der
geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu
rechtfertigen.“
Das sah der Vorsitzende offenbar als gegeben: Die in Lietzkes
Social-Media-Nachrichten gezeigte „innere Haltung“ lasse befürchten, „er
verhalte sich bei einem Angeklagten mit Migrationshintergrund und/oder mit
einer bestimmten Religionszugehörigkeit nicht objektiv, sondern
voreingenommen und verfolge möglicherweise das Ziel, losgelöst vom
konkreten Strafverfahren, solche Angeklagten zu den höchst möglichen
Strafen zu verurteilten“.
Ob tatsächlich Befangenheit besteht, ist dabei nicht entscheidend – die
Wahrscheinlichkeit und Stichhaltigkeit der Besorgnis eines Beschuldigten
oder der Staatsanwaltschaft, sie könne gegeben sein, dagegen schon.
Lietzke, dem das Gericht zudem attestiert, auf X „den deutschen Rechtsstaat
(‚Gespött der Nation‘) kritisiert“ zu haben, war aus dem Spiel.
„Die Entscheidung bezog sich allerdings nur auf dieses eine Strafverfahren,
nicht auf zukünftige Einsätze des Schöffen“, sagt Susanne Kirchhoff, die
Direktorin des Amtsgerichts. „Eine Amtsenthebung, eine Streichung von der
Schöffenliste, kennt zu Recht hohe Hürden.“ Die Voraussetzungen dafür
würden „derzeit geprüft“, sagt das Gericht in einer Mitteilung zum
Schöffenaustausch.
## Für die FDP ist das Thema abgehakt
Er werde sich „dem Gericht weiterhin zur Verfügung stellen“, sagt Fabio
Lietzke. Zur Sache sagen möchte er nichts. Stattdessen verweist er auf die
Neue Osnabrücker Zeitung. Dort hatte er, eher allgemein, von
Social-Media-Beiträgen gesprochen, die „überspitzt“ seien, aber die
Notwendigkeit zeigten, „diese gesellschaftlich relevanten Themen sachlich
zu diskutieren“. Stattdessen werde oft moralisch verurteilt. Sachlich waren
seine Postings nicht. Über sie sagt er: „Ich habe den Account deaktiviert.
Ich werde den auch nicht mehr bespielen.“
Das hat Lietzke auch seiner FDP gesagt. Für die sitzt er in der Bad Iburg
benachbarten Stadt Georgsmarienhütte im Rat; zugleich ist er
Vorstandsmitglied der Jungen Liberalen im Osnabrücker Land.
Für sein politisches Engagement haben Lietzkes rechte Postings keine
Konsequenzen. „Wir haben das Thema in einer Ortsvorstandssitzung
aufgearbeitet, mit ihm ein Gespräch geführt“, sagt Lutz Haunhorst,
Vorsitzender des FDP-Ortsverbands Georgsmarienhütte/Hagen/Hasbergen. „Er
hat den Account stillgelegt, und das haben wir begrüßt. Er hat aus alldem
seine Lehren gezogen.“ Lietzke habe versichert, das mit den Postings komme
nicht wieder vor. „Jeder macht mal Fehler, für uns ist das Thema damit erst
mal abgehakt“, sagt Haunhorst.
„Gerade in Zeiten weltweiter Krisenherde, Demokratieverdruss und Rechtsruck
ist es wichtiger denn je, dass sich mehr Menschen aktiv einbringen“, ruft
uns Haunhorsts Ortsverband auf seiner Website entgegen. „Die Freien
Demokraten bieten dazu zahlreiche Möglichkeiten.“ Ob Lietzkes Postings ein
Mittel zur Krisenbewältigung waren, die Demokratie gestärkt haben, dem
Rechtsruck entgegengetreten sind? Es sind Zweifel erlaubt.
18 Oct 2024
## LINKS
[1] /BVG-und-SPD-verlassen-X/!6021120
[2] https://www.noz.de/lokales/georgsmarienhuette/artikel/georgsmarienhuette-fa…
[3] /BVG-und-SPD-verlassen-X/!6021120
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Rechts
Gericht
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Rechtsextremismus
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Polizei Hamburg
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