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# taz.de -- Japans neuer Premier Ishiba: „Verteidigungs-Freak“ übernimmt
> Der ehemalige Verteidigungsminister Shigeru Ishiba wird Japans neuer
> Premier. Er drängt auf eine Reform der regierenden Liberaldemokratischen
> Partei.
Bild: Shigeru Ishiba ist neu gewählter Regierungschef Japans
Tokio taz | Die Liberaldemokratische Partei (LDP), die Japan seit rund 70
Jahren fast ununterbrochen regiert, hat den früheren Verteidigungsminister
Shigeru Ishiba am Freitag zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Am Dienstag
folgt seine Wahl zum Premierminister durch das Unterhaus, in dem die LDP
die Mehrheit besitzt. Der 67-jährige Parteiveteran, der sich selbst als
„konservativen Liberalen“ bezeichnet, setzte sich bei der Abstimmung unter
Abgeordneten und Mitgliedern der LDP überraschend gegen die 63-jährige
national-konservative Ministerin für Wirtschaftssicherheit Sanae Takaichi
durch.
Die Stichwahl zwischen Ishiba und Takaichi wurde als Kampf um die „Seele“
der LDP wahrgenommen: Auf der einen Seite der Außenseiter Ishiba – der
schärfste parteiinterne Kritiker der national-konservativen Politik des
langjährigen Regierungschefs Shinzo Abe. Auf der anderen Seite Takaichi –
die Galionsfigur des rechten LDP-Flügels, die als intellektuelle
Nachfolgerin von Abe, [1][der vor zwei Jahren durch ein Attentat starb,]
die erste Premierministerin von Japan werden wollte.
Ishiba lag mit 215 Stimmen vorn, die favorisierte Takaichi erhielt 194
Stimmen. „Wir müssen an die Menschen glauben, ihnen die Wahrheit mit Mut
und Aufrichtigkeit sagen und zusammenarbeiten, um Japan zu einem sicheren
Land zu machen, in dem jeder wieder mit einem Lächeln leben kann“, sagte
Ishiba nach seiner Wahl.
In seiner Autobiografie „Konservativer Politiker: Meine Politik, mein
Schicksal“ beschreibt er sich als „Idealisten“, der nicht nach Macht und
Reichtum für die Nation strebt, sondern mit seinen Lösungen Japan
verbessern will. Er lehnt die verstärkte Rückkehr zur Atomkraft ab und will
verheirateten Paaren erlauben, getrennte Nachnamen zu verwenden. Diese
Positionen brachten ihm die Feindschaft des Abe-Flügels ein. Aber wegen
seiner Prinzipientreue betrachten viele Wähler Ishiba als einen „ehrlichen“
und volksnahen Politiker. Dieses positive Image könnte seine Partei in
ihrer schweren Krise nun dazu bewogen haben, den Außenseiter in ihre Mitte
zu holen und auf den Chefposten zu hieven.
## Bangen in der LDP-Parlamentsfraktion
Viele Abgeordnete bangen um ihre Zukunft, da das Unterhaus bis spätestens
Herbst 2025 neu gewählt werden muss. Der Wechsel an der Regierungsspitze
ist die direkte Folge eines Spendenskandals in der LDP-Parlamentsfraktion,
durch den die Regierungspartei stark an Ansehen eingebüßt hat. Viele
Abgeordnete hatten mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems Spendengelder an
der Steuer vorbei in schwarze Kassen umgeleitet. [2][Daraufhin verzichtete
Premier Fumio Kishida] auf seine Wiederwahl als Parteichef und beendete
seine Amtszeit vorzeitig nach drei Jahren.
Zwar ist Ishiba keineswegs das „frische Gesicht“, das sich Kishida für
seine Nachfolge gewünscht hat. Er sitzt schon seit 38 Jahren im Parlament,
war auch Agrarminister und LDP-Generalsekretär, sein Vater war
Innenminister. Aber Ishiba drängt auf eine grundlegende Parteireform.
Außerdem steht er für „eine Absage an ein Vierteljahrhundert der Dominanz
von Abe und seiner nationalkonservativen Bewegung“, bewertet Analyst Tobias
Harris die Lage.
In der Außen – und Sicherheitspolitik will der studierte Jurist Ishiba eine
moderate Linie verfolgen. Er gilt als „Verteidigungs-Freak“. In seinem Büro
stehen selbstgebaute Plastikmodelle von Kampfjets und Kriegsschiffen. Der
Eisenbahn- und Nudelsuppenfan unterstützt [3][die laufende Erhöhung des
Wehretats] und fordert die Schaffung einer asiatischen Militärallianz nach
dem Vorbild der Nato.
Zugleich befürwortet Ishiba konstruktive Beziehungen zu China und drängt
auf mehr Gleichberechtigung von Japan in der Sicherheitspartnerschaft mit
den USA. „Wir werden wahrscheinlich Japans radikalste Regierung seit
Jahrzehnten sehen“, analysiert der Politologe Rob Fahey vom Waseda
Institute for Advanced Study in Tokio. „Aber seine Politik könnte auch die
LDP selbst tief spalten.“
27 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Martin Fritz
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