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# taz.de -- Wahlen in Japan: Rückfall in instabile Zeiten
> Nach der Wahlschlappe können Japans Premier Shigeru Ishiba und seine
> liberaldemokratische Partei nur mit Teilen der Opposition weiterregieren.
Bild: Fuhr das schlechteste Ergebnis seit 2009 ein: Japans Ministerpräsident S…
Tokio taz | Trotz des Verlustes seiner Regierungsmehrheit bei der
Parlamentswahl am Sonntag will Japans Premierminister Shigeru Ishiba erst
einmal weitermachen und eine Minderheitsregierung bilden.
Er wolle mit kleineren Parteien eine Einigung über einzelne Politikbereiche
erzielen, statt seine bisherige Koalition aus Liberaldemokratischer Partei
(LDP) und Komei-Partei zu erweitern. Naheliegende Partner wie die
konservative Japan-Innovationspartei und die zentristische Demokratische
Partei für das Volk wollen der Koalition nämlich nicht beitreten.
„Wir können uns eine politische Pattsituation nicht leisten“, erklärte der
Regierungschef unter Verweis auf drängende Wirtschafts- und
Sicherheitsfragen. Die LDP blieb zwar mit einem Vorsprung von 51 Sitzen die
stärkste Partei vor der oppositionellen Konstitutionell-Demokratischen
Partei (CDP) unter der neuen Führung von Ex-Premier Yoshihiko Noda.
Aber die Partei, die Japan seit 69 Jahren fast ununterbrochen regierte,
schaffte es erstmals seit ihrem Machtverlust von 2009 nicht, aus eigener
Kraft eine einfache Mehrheit zu erreichen. Eine große Koalition mit der LDP
schloss auch CDP-Chef Noda aus. Zugleich ist die Opposition zu heterogen
für ein eigenes Regierungsbündnis.
## Schwarze Kassen und Inflation
Die Niederlage ist in erster Linie die Folge eines Spendenskandals:
Zahlreiche LDP-Abgeordnete hatten schwarze Kassen angelegt. Der Rücktritt
von Premier Fumio Kishida und die Strafen für die involvierten Abgeordneten
konnten den Ärger der Bürger über den Finanzskandal nicht dämpfen. Zugleich
erzeugte die Rückkehr der Inflation nach zwei Jahrzehnten stabiler Preise
große Unzufriedenheit mit der Regierungspartei.
In seiner ersten Reaktion am Montag räumte Ishiba ein, dass der
Spendenskandal und die schwache Lohnentwicklung ursächlich für seine
Wahlschlappe gewesen seien. Jedoch fallen beide Entwicklungen nicht in
seine Verantwortung, da er sich vor acht Jahren an die Seitenlinie seiner
Partei begeben hatte.
Der 67-jährige Politiker hat nun 30 Tage Zeit, um genug Unterstützer für
seine Wiederwahl als Premier im Parlament zu sammeln. Selbst wenn er dies
schafft, droht ihm jedoch ein späteres Aus: Er muss sich nicht nur mit der
erstarkten Opposition auseinandersetzen, sondern auch mit Widersachern aus
dem konservativen Teil der LDP.
Bei der Neuwahl des Parteichefs Ende September setzte sich Ishiba nur knapp
gegen Sanae Takaichi durch, die Kandidatin des rechten Flügels. „Ishiba und
der LDP stehen harte Zeiten bevor“, kommentierte der Analyst Rintaro
Nishimura vom Berater Asia Group. „Je mehr Parteien an den Verhandlungen
beteiligt sind, desto mehr Kompromisse müssen eingegangen werden.“
## Neue Ära mit instabilen Verhältnissen
Nach über einem Jahrzehnt relativer politischer Ruhe in Japan, geprägt
durch die lange Regierungszeit des später ermordeten Premiers Shinzo Abe,
beginnt damit eine neue Ära mit instabilen Verhältnissen. „Das Wahlergebnis
wird die internen Machtkämpfe und Rivalitäten innerhalb der LDP verschärfen
und Fortschritte bei ökonomischen Reformen nahezu unmöglich machen“, meinte
der deutsche Japan-Beobachter Jesper Koll.
Die Koalition aus LDP und Komeito verlor ihre Mehrheit zuletzt vor 15
Jahren, als die Demokratische Partei Japans (DPJ), ein Vorgänger der
heutigen CDP, die Kontrolle über das Parlament übernahm.
Eigentlich hätte Ishiba als neuer Regierungs- und Parteichef die Wende für
die LDP bringen sollen. Mit Hilfe seiner großen Beliebtheit als Politiker
würde er die LDP aus dem Sumpf von historisch schlechten Umfragewerten
ziehen, so das Kalkül.
Doch Ishiba löste entgegen seinem vorigen Versprechen das Parlament auf und
setzte vorzeitige Neuwahlen an – und dies, obwohl die Umfragewerte für ihn
wenig ermutigend waren.
## Progressive Vorhaben zog Ishiba zurück
Zugleich zog er eigene progressive Vorhaben zurück, etwa die freie
Namenswahl für Ehepaare, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare und die
Gründung einer asiatischen Nato. Damit enttäuschte er die Erwartungen auf
eine neue, weniger konservative LDP.
Viele ältere LDP-Wähler blieben bei dieser Wahl zu Hause. Die
Wahlbeteiligung lag laut vorläufigen Schätzungen bei nur 53 Prozent – ein
Indiz dafür, dass die Wähler eher die LDP abstrafen wollten, als die
Opposition an die Regierung zu bringen.
28 Oct 2024
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
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