# taz.de -- Japanisches Kabinettfoto bearbeitet: Finde die Unterschiede | |
> Wegen Schlamperei hat die japanische Regierung ein Foto des Kabinetts | |
> retuschiert. Finden Sie die Fehler? | |
Bild: Aufstellung fürs Gruppenfoto | |
Große Aufregung in Japan: Der dortigen Regierung erschienen die Mitglieder | |
des Kabinetts auf einem offiziellen Foto nicht ordentlich genug gekleidet. | |
Das Bild wurde, wie Regierungssprecher Yoshimasa Hayashi einräumt, deshalb | |
entsprechend nachbearbeitet, doch ältere Versionen waren aus dem Netz zum | |
Teil nicht mehr zu tilgen. Ein User schrieb auf X: „Das ist schlimmer als | |
ein Gruppenfoto von einem Rentnerklub auf einem Ausflug.“ | |
Das ist jedoch stark übertrieben. Otoya Normaljapaner würde sicher gerne | |
mal so rumlaufen. Zur Liste der bereinigten „Verfehlungen“ gehören unter | |
den Jacketts hervorblitzende weiße Hemden oder stark geknitterte | |
Anzughosen. Ein schütterer Kollege in der letzten Reihe erhält doch | |
tatsächlich ein paar Haare mehr, und den beiden einzigen weiblichen | |
Kabinettsmitgliedern werden in der 2.0-Version die Gesichtsfalten straff | |
gezogen wie bei den Männern die der Buchsen. [1][Altern gilt bei Frauen | |
offenbar nach wie vor als Garderobenfehler]. | |
Der Unordentlichste auf einem älteren Bild ist sogar [2][Regierungschef | |
Shigeru Ishiba]; der König der Zausel kann sich das natürlich am ehesten | |
leisten. Wäre er noch einen kleinen Tacken cooler und selbstbewusster | |
vorgegangen, hätte er Shorts, Flip-Flops und Hawaii-Hemd angezogen. Aber, | |
so unvorstellbar das uns Mitteleuropäer:innen auch erscheint: In der | |
traditionell strengen japanischen Gesellschaft ist diese Form von | |
Casual-Summer-Look vermutlich nicht allzu gern gesehen. | |
Was da in seiner megausgebeulten Hose alles drin sein mag: Handy, | |
Schlüsselbund, Feuerzeug, Flaschenöffner, Geldbeutel und ein paar | |
[3][blankgeputzte Kastanien] frisch von den Straßen Tokios für die | |
Enkelkinder? | |
## Altern bei Frauen offenbar ein Garderobenfehler | |
Besonders auffällig ist auch Verteidigungsminister Gen Nakatani, der aus | |
Sicht der Betrachtenden prominent links neben Ishiba steht. Auch hier liegt | |
die Hauptproblematik einerseits in keck hervorlugenden Hemdzipfeln und | |
andererseits in unordentlichen Fältelungen und Ausbeulungen des oberen | |
Hosenbereichs um den Schritt herum: noch mehr Enkelkinder, noch mehr | |
Kastanien – eigentlich ganz sympathisch. | |
Vielleicht ist das auch der Grund, dass gerade dieser Bereich der beiden | |
Lotterbuben weniger bearbeitet erscheint, als er hätte sein können. Wenn | |
man nun schon mal rangeht und sich die Mühe bereitet, könnte man auch | |
gleich Tabula rasa machen, bis da am Ende nur noch so [4][ein Haufen | |
makelloser Avatare] steht. Sollte man denken. | |
Doch die Korrekturen erfolgten mit Augenmaß: Dass der Hemdzipfel reinmuss, | |
versteht sich beim obersten Dienstherrn des Militärs von selbst. Wer einmal | |
das zweifelhafte Vergnügen der Wehrdienstzeit genossen hat, weiß, dass das | |
Wichtigste dort nicht der Umgang mit Waffen und sämtlichen Elementen des | |
Selbstschutzes ist, sondern starr choreografiertes Männchenmachen, | |
Bettdecken auf Stoß und faltenfreie Hemdchen unterm Koppelschloss. | |
Die Verwerfungen der besagten Hosenpartie wurden hingegen nur relativ | |
leicht modifiziert, um womöglich eine Botschaft an das Volk zu | |
transportieren: Bestimmt ist da auch noch ein Schweizer | |
[5][Offizierstaschenmesser in der Hosentasche], und man möchte den Eindruck | |
der Wehrhaftigkeit, des praktischen Vermögens und einer gewissen kühnen | |
Hemdsärmeligkeit des Ministers um jeden Preis aufrechterhalten, und sei es | |
um den des Verdachtes minimaler Nachlässigkeit. Man muss schon sagen: Bei | |
der Aktion war richtig viel Grips im Spiel. | |
## Die digitale Spucke auf dem Taschentuch | |
Und ist die Regierung nicht unser aller Mutti: die Mutter des Kabinetts, | |
die Mutter der Bürger:innnen und die Mutter der Porzellankiste? Sie ist | |
schließlich für unser Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit | |
verantwortlich. Die Retusche ist bloß die digitale Variante der guten alten | |
Spucke auf dem Taschentuch, mit der die Kleinen nachbearbeitet werden, | |
bevor sie der Großmutter (Staatsempfang, UN) übergeben werden. | |
Zahnpastaspuren werden von den Jacketts und aus den Mundwinkeln gewischt, | |
aufgeschlagene Knie verpflastert. Die Korianderblättchen zwischen den | |
Schneidezähnen werden wiederum schlau vermieden, indem das gesamte Kabinett | |
den Mund geschlossen hält. | |
Doch zur Wahrheit, so unoriginell diese wie meistens leider ist, gehört | |
auch, dass [6][die Manipulationen] insgesamt recht dezent sind. Der Autor | |
dieser Zeilen, der allerdings auch die Empörung über den | |
[7][New-Gonzo-Journalisten Claas Relotius] nie verstanden hat („Was haben | |
die denn alle – der Typ schreibt doch ganz witzig“), hält die Aufregung | |
über die „Fälschung“ für unangebracht. | |
Und wer kennt nicht diese Kindersuchbilder „Finde die sieben Unterschiede“? | |
Hier sind es zwar deutlich mehr, doch die Suche hat großen Spaß gemacht. Es | |
ist der vollkommen richtige Ansatz, die japanische Bevölkerung auf diese | |
Weise spielerisch mit ihrem Kabinett vertraut zu machen. | |
9 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Kampagne-gegen-Altersdiskriminierung/!5993173 | |
[2] /Japans-neuer-Premier-Ishiba/!6039303 | |
[3] /Miniermotten-Schaeden-in-Berlin/!6039389 | |
[4] /Autorin-ueber-digitale-Bildkultur/!5926874 | |
[5] /Waffenrecht-soll-verschaerft-werden/!6027042 | |
[6] /Prinzessin-Kate-und-das-Foto/!5995991 | |
[7] /Ein-Jahr-Faelscher-Skandal-beim-Spiegel/!5647490 | |
## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
## TAGS | |
Japan | |
Photoshop | |
Shigeru Ishiba | |
Beauty | |
GNS | |
Japan | |
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz | |
Kolumne Nachsitzen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Japans neuer Premier Ishiba: „Verteidigungs-Freak“ übernimmt | |
Der ehemalige Verteidigungsminister Shigeru Ishiba wird Japans neuer | |
Premier. Er drängt auf eine Reform der regierenden Liberaldemokratischen | |
Partei. | |
Prinzessin Kate und das Foto: Als ginge es um ein Verbrechen | |
Die Aufregung um den „Photoshop-Fail“ der britischen Königsfamilie ist | |
gewaltig. Das verrät weniger über die Royals und mehr über den Pöbel. | |
Schönheitsideale in Sozialen Medien: Die neue Norm | |
Schönheitsideale gibt es schon lange. Doch die Coronakrise und Instagram | |
verschärfen das Problem – vor allem für junge Frauen. |