# taz.de -- Schönheitsideale in Sozialen Medien: Die neue Norm | |
> Schönheitsideale gibt es schon lange. Doch die Coronakrise und Instagram | |
> verschärfen das Problem – vor allem für junge Frauen. | |
Bild: Kim Kardashian ist für viele junge Frauen der Inbegriff von Schönheit | |
In meinem Umfeld bin ich die Einzige, ausgenommen meiner Familien, die noch | |
nie eine Diät gemacht hat. Wenn mir Schülerinnen oder meine erwachsenen | |
Freundinnen erzählen, wie sie über ihre Körper denken und was sie ihnen | |
schon alles angetan haben, frage ich mich fast schon, ob mit mir etwas | |
nicht stimmt. An dieser Stelle muss ich erwähnen, dass mein Körper der Norm | |
entspricht. Der meiner Freundinnen aber auch, und sie quälen sich trotzdem. | |
Meine Eltern haben mein Aussehen nie thematisiert. Weder in Form von | |
Komplimenten noch Kritik. Und auch über ihr Aussehen haben sie nie groß | |
gesprochen. Das Einzige, was meine Mutter mir gesagt hat, ist: „Es ist gut, | |
wenn du drei bis fünf Kilo über dem Normalgewicht liegst, damit dein | |
Körper, falls du krank wirst und abnimmst, noch immer genug Kraft hat.“ Und | |
so sehe ich meinen Körper bis heute, jemand der mir Kraft zum Leben gibt. | |
Schönheitsideale gab es immer schon, doch mit den sozialen Medien hat sich | |
die Angelegenheit noch einmal gewandelt – vor allem seit dem es | |
Instagram-Filter gibt. Chirurg_innen berichten, dass immer mehr jüngere | |
Mädchen zu ihnen kommen und [1][sich wünschen, wie auf ihren Fotos mit | |
Filtern auszusehen]. Momentan sind das vor allem dicke Lippen und | |
Kardashian-Körper. | |
Während das früher mehrheitlich kritisch gesehen wurde, wird es nun | |
teilweise auch mit feministischen Argumenten supportet. Nach dem Motto: | |
Jede Frau hat das Recht, mit ihrem Körper zu machen, was sie will. Der | |
„healthy Lifestyle“, der in sozialen Medien propagiert wird, gibt aber auch | |
Essstörungen unter dem Vorwand gesunder Ernährung Rückendeckung. Und weiße | |
Frauen mit normschönen Gesicht, die ihre minimalen Speckröllchen in die | |
Kamera halten und „Steh zu deinem Körper“ posten, machen es auch nicht | |
besser, sondern erzeugen eher den Gedanken: „Wenn die schon glaubt, sie | |
wäre nicht perfekt, was bin dann ich, die kein symmetrisches Gesicht hat | |
und Kleidergröße 36 trägt?“ | |
Die Kombination soziale Medien plus Pandemie verschärft die Situation: Die | |
Einsamkeit im Lockdown, das Gefühl, dass in der Krise nichts mehr unter | |
Kontrolle zu sein scheint und man deshalb zumindest sein Gewicht | |
kontrollieren will, gepaart mit noch mehr Zeit, die man auf Instagram und | |
Co verbringt, wo man ununterbrochen scheinbar perfekte Menschen sieht. | |
Tatsächlich melden Kinder- und Jugendpsychiatrien [2][seit Corona mehr | |
Patientinnen mit Magersucht]. | |
Die niederländische Influencerin Negin Mirsalehi mit 6,3 Millionen | |
Follower:innen auf Instagram, postete vor einer Woche ein „Pre-Covid | |
vs. Now“ – Video ihres Körpers: Beide Versionen ihres Körpers sind | |
normschön und makellos. [3][Trotzdem habe sie jetzt wieder mit Workouts | |
begonne]n, schreibt sie. Auch andere Influencer:innen sprechen von | |
„Lockdown-Kilos“, die sie weghaben wollen. Die Message: Im ersten Lockdown | |
haben alle noch Bananenbrot gebacken – jetzt wird abgenommen. | |
1 Mar 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.zeit.de/campus/2020-12/instagram-beauty-filter-schoenheitsideal… | |
[2] https://www.aerztezeitung.de/Podcasts/Warum-die-Corona-Krise-auf-den-Appeti… | |
[3] /Historiker-ueber-Fitnesskultur/!5748092 | |
## AUTOREN | |
Melisa Erkurt | |
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