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# taz.de -- Als Muslima in Österreich: Ich bin keine Person of Color
> Als Muslima bin ich in Österreich in der Hierarchie eher unten. Doch es
> fühlt sich trotzdem falsch an, mich als nicht weiß zu bezeichnen.
Bild: Sie kann sich in der Öffentlichkeit bewegen, ohne dass sich Leute fragte…
„Du bist doch nicht weiß!“, sagt meine ägyptischstämmige Hijab-tragende
Freundin empört. „Was sonst, schau mich an?“ Ich habe weiße Haut und blaue
Augen, als Baby war ich blond. Nur weil ich nicht bei den ersten
Sonnenstrahlen einen Sonnenbrand bekomme, macht mich das nicht zu einer
Person of Color. Meine Freundin versteht nicht: „Aber du bist muslimisch,
deshalb vor dem Bosnienkrieg nach Österreich geflohen. In Österreich
erlebst du Diskriminierung.“ Ja, aber dafür muss ich keine Person of Color
sein.
[1][Ich weiß, dass Weißsein nicht nur auf die Hautfarbe abzielt], sondern
auf Machtverhältnisse, und ich weiß, dass ich als Muslima in Österreich in
der Hierarchie eher unten bin. Ich weiß aber auch, dass ich einen Raum
betreten kann, ohne dass sich Leute fragen, woher ich komme. Ich kann um
die Welt reisen und gehe als Italienerin, Kanadierin, Bosnierin – als
Weiße, egal aus welchem Land, durch und werde so behandelt.
Vergangene Woche hat mir jemand die Instagram-Story von Sinthujan
Varatharajah geschickt. Varatarajah hat Politische Geografie studiert, die
Familie ist tamilisch, in den 80ern aus Sri Lanka nach Deutschland
geflohen. Sinthujan schreibt, dass Menschen wie ich, Südosteuropäer:innen,
aber auch Menschen aus Westasien, nicht dieselben
Diskriminierungserfahrungen machen wie Sinthujan. Auch in einem türkischen
Supermarkt, einem vietnamesischen Restaurant sei Sinthujan Schwarz, selbst
wenn die Haare blond gefärbt wären. Sinthujan spricht niemandem seine
Diskriminierungserfahrungen ab und trotzdem ist der erste Reflex vieler
blasser Menschen mit Migrationsgeschichte: „Na ja, Moment …“
Ich hab einen Tag vor Varatarajahs Instagram-Story den Oscar-nominierten
Film „Quo Vadis, Aida“ gesehen, über [2][das Massaker von Srebrenica]. Im
Juli 1995 wurden in Srebrenica über 8.000 Männer bestialisch ermordet,
Frauen und Mädchen vergewaltigt – weil sie Muslim*innen waren. Das
gehört zur Geschichte meines Herkunftslandes, einer, vor der meine Mutter
und ich 1992 nach Österreich geflohen sind, während mein Vater bleiben
musste.
In Österreich wurden wir wie minderwertige Menschen behandelt. In uns
Migrant:innen stecken Erfahrungen, die plötzlich in Begriffen wie People
of Color kollektiviert zu werden scheinen. Endlich wird unser Schmerz
gesehen. Deshalb quetschen sich wohl so viele in diesen Begriff, weil sie
sonst nirgends reinpassen. Aber so unterschiedliche Lebensrealitäten können
nicht in einem Begriff vermengt werden, sie müssen es auch nicht.
Wenn ich weiß, dass Schwarze Menschen in Bosnien aufgrund ihrer Hautfarbe
diskriminiert werden würden und dass beispielsweise eine Schwarze Muslima
in der Diaspora andere Diskriminierungserfahrungen macht als ich, fühlt es
sich falsch an, mich als nicht weiß zu bezeichnen.
12 Apr 2021
## LINKS
[1] /Antirassistische-Sprache/!5702930
[2] /Medien-ueber-Genozid-in-Srebrenica/!5695255
## AUTOREN
Melisa Erkurt
## TAGS
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Antirassismus
Muslima
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