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# taz.de -- Prinzessin Kate und das Foto: Als ginge es um ein Verbrechen
> Die Aufregung um den „Photoshop-Fail“ der britischen Königsfamilie ist
> gewaltig. Das verrät weniger über die Royals und mehr über den Pöbel.
Bild: Wenn der Boulevard vom Investigativen profitiert
Als am vergangenen Sonntag [1][das erste offizielle Foto von Prinzessin
Catherine nach deren OP veröffentlicht wurde], atmete die Welt auf: Endlich
ein Lebenszeichen von Kate! Die 42-Jährige hatte sich im Januar einer
Unterleibsoperation in einer Londoner Privatklinik unterzogen und war
mehrere Tage in stationärer Behandlung. Doch weil in der perfekt
durchchoreografierten royalen Show jede Ungereimtheit Misstrauen weckt,
schossen im Netz wilde Gerüchte und Verschwörungstheorien ins Kraut:
Scheidung, missglückte Schönheits-OP, Krebs. Die Timeline von X las sich
zeitweise so, als hätte jemand das Konfetti von Klatschzeitschriften
verstreut.
Doch der Versuch des Kensington-Palasts, die Spekulationen mit einem
kreuzbraven Familienfoto pünktlich zum britischen Muttertag zu beenden,
ging nach hinten los. Nachdem Rechercheure der Nachrichtenagentur AP das
Foto genauer inspizierten, stellten sie Unregelmäßigkeiten fest: So franst
etwa bei Prinzessin Charlotte der linke Ärmel ihres Strickpullovers seltsam
aus. Das Urteil der Faktenchecker: „Bei näherer Betrachtung scheint es,
dass die Quelle das Bild manipuliert hat.“
Mehrere renommierte Nachrichtenagenturen zogen daraufhin das Foto zurück.
Die Gerüchteküche brodelte weiter: Wurde ein altes Foto aus dem Archiv
hervorgeholt und nachkoloriert, um die Öffentlichkeit hinters Licht zu
führen? Hat die Prinzessin etwas zu verbergen? Warum veröffentlicht der
Palast nicht das Originalfoto als Beweis? Ist Kate vielleicht doch
todkrank?
## Ein Fake-Skandal am Hals
Zwar räumte die Princess of Wales die Bildmanipulation ein und bat um
Entschuldigung. Sie habe mit einer Bildbearbeitung experimentiert, teilte
sie reuig in einem Statement mit. Doch der Fauxpas war nicht mehr zu
korrigieren. Das ganze Netz spottet über Kates „Photoshop-Fail“, und der
Palast hat einen Fake-Skandal am Hals. „Krimi um Kate! Was will der Palast
vertuschen?“, titelte die Bild. Ausgerechnet die Boulevard-Presse, die
sonst keine Hemmungen hat, den Royals irgendwelche Storys anzudichten,
profiliert sich nun im Investigativ-Journalismus. Schon beim letzten
offiziellen Weihnachtsfoto der Royals im vergangenen Jahr hatte es
Irritationen gegeben, weil Prinz Louis ein mittlerer Finger fehlte –
vermutlich eine Photoshop-Panne, denn das freche Nesthäkchen weiß den
Mittelfinger noch nicht standesgemäß einzusetzen.
Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Bilder von Stars mit Photoshop
bearbeitet werden. So hat das Klatschmagazin Grazia bereits 2011 ein Foto
von Kate manipuliert, mit dem Effekt, dass diese auf dem Cover dünner
wirkte. Was erstaunt, ist die öffentliche Empörung über eine Bildretusche,
die gegenüber den KI-generierten Manipulationen von Midjourney und Co.
geradezu läppisch wirkt. Da wurden ja nicht, wie bei Deepfakes, Köpfe auf
andere Personen montiert, sondern lediglich ein paar Details aufgehübscht
(wenn auch stümperhaft).
Bei einem Klatschmagazin, das die Falten eines Royals glättet, würde
niemand den Vorwurf der Täuschung erheben. Umso mehr verwundert die
Unnachgiebigkeit eines Publikums, das einerseits von den Windsors absolute
Authentizität und Transparenz einfordert, sich aber andererseits an der
klebrigen Inszenierung einer schrecklich netten Königsfamilie labt. Diese
Doppelmoral verweist auf die Ambiguität der Netzgesellschaft, die noch den
Traditionen und Symbolen feudaler Öffentlichkeiten verhaftet ist
(Like-Button!), sich aber andererseits in eine moralisch überschießende,
radikalaufklärerische Gegenöffentlichkeit entwickelt hat.
## Erstaunliche Fälscherkarriere
Das Fake-Foto hat mittlerweile eine erstaunliche Fälscherkarriere
hingelegt. [2][Eine computerforensische Analyse der BBC], die den Fall mit
kriminalistischem Eifer minutiös rekonstruierte, ergab, dass das Foto
ausweislich seiner Metadaten mit einer Canon-Kamera geschossen und zwei Mal
an einem Mac-Computer mit Adobe Photoshop bearbeitet wurde: Die erste
Version wurde am 8. März 2024 um 21:54 Uhr Londoner Zeit gespeichert, die
zweite am 9. März 2024 um 9:39 Uhr.
Als ginge es um ein Verbrechen! Offenbar merkten die Journalisten gar
nicht, dass sie mit ihrer akribischen Recherche eine Storytelling-Maschine
demontierten, von deren Bildproduktion sie selbst profitieren.
Vielleicht erzählt das Bild weniger über das traurige Dasein der Royals als
vielmehr den Illusionismus unserer Zeit, in der, wie der Soziologe Jean
Baudrillard schon vor Jahrzehnten anmerkte, die Zeichen ihren Referenten
verloren haben. In der Hyperrealität gibt es kein Negativ mehr. Das
shakespearehafte Drama, das die Windsors seit Jahrzehnten öffentlich
aufführen, ist im Original fast schon unterhaltsamer [3][als die
Netflix-Kopie von „The Crown“], weshalb daran auch andere
Wahrheitsansprüche zu stellen sind. Nirgendwo sonst als im
selbstreferenziellen System der Prominenz gilt der Grundsatz: Fake it, till
you make it.
Dass die Royals das Familienfoto mutmaßlich mit Photoshop aufpolierten, mag
im Zeitalter der KI antiquiert wirken, beweist aber auch die Bildmacht des
Königshauses, das im Gegensatz zum Hollywood-Kino die Realität in der
Postproduction gar nicht mehr groß aufmöbeln muss. Kate und Co. brauchen
keine KI. Nur der Pöbel promptet.
15 Mar 2024
## LINKS
[1] /Fotobearbeitung-von-Prinzessin-Kate/!5998157
[2] https://www.bbc.com/news/uk-68534289
[3] /Neue-Staffel-von-The-Crown/!5894675
## AUTOREN
Adrian Lobe
## TAGS
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