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# taz.de -- Krebserkrankung von King Charles III.: Staatsoberhaupt statt Promi
> King Charles III. macht seine Krebserkrankung publik und zieht sich
> vorerst aus der Öffentlichkeit zurück. Er steht für einen Wandel bei den
> Royals.
Bild: König Charles und Königin Camilla auf dem Weg zum Gottesdienst in Sandr…
Dass [1][King Charles III für eine Zeitenwende in der britischen Monarchie
steht], war spätestens am 10. September 2022 klar. Als er bei der
Unterzeichnung seiner Proklamation zum König mit seinem renitenten
Füllfederhalter schimpfte, gab er in wenigen Sekunden mehr von sich preis
als die zwei Tage zuvor verstorbene Queen Elizabeth II in 72 Jahren auf dem
Thron. Am Montag dieser Woche hat Charles nun erneut Geschichte
geschrieben, indem das Königshaus seine Krebserkrankung öffentlich machte –
ein Schritt, der in dieser Form mit jahrhundertealten Konventionen bricht.
„Never complain, never explain“ – sich nie beklagen, sich nie erklären �…
das galt immer als Motto [2][der Royals], mit dem sie wie mit so vielem
anderen nicht etwa einen Spleen pflegten, sondern als Spiegel eines
moralischen Idealzustands des britischen Charakters dienen sollten.
Der 75-jährige Charles wuchs noch in einer Ära auf, in der es als Gipfel
der Unhöflichkeit galt, über die eigene Befindlichkeit zu sprechen. Die
Frage „How do you do?“ erforderte keine Antwort mit Substanz, sie war ein
Benimmtest. Als kleiner Engländer lernte man: Die anstrengendsten Menschen
sind die, die auf die Frage „Wie geht es Ihnen?“ anfangen, es einem zu
erzählen.
## Die Sitten haben sich geändert
Inzwischen weiß man, dass es noch anstrengendere Menschen gibt: die, die es
erzählen, ohne gefragt worden zu sein. [3][Prinz Harry etwa hat dies zu
seinem Lebensinhalt erkoren] und ist dafür in die USA gezogen, das Land der
Unkultiviertheit. Aber auch im Vereinigten Königreich haben sich die Sitten
geändert. Man verbirgt das Private nicht mehr, man inszeniert es.
Subjektive Gefühle sind objektiven Umständen mindestens gleichrangig. Das
ist eine Grundlage von so unterschiedlichen Entwicklungen wie der „woken“
Identitätspolitik und dem Brexit.
Die komplette Enthüllung des Privaten leistet King Charles III. natürlich
nicht, es werden keine Einzelheiten seiner Erkrankung und Behandlung
preisgegeben und es wird sicher auch kein tägliches Gesundheitsbulletin
folgen. Auch die Bauchoperation von Kate, Ehefrau des Thronfolgers William,
im Januar wurde der Öffentlichkeit nicht im Detail vorgeführt. Aber als der
König im Januar wegen einer vergrößerten Prostata ins Krankenhaus kam,
wurde dies offen angesprochen und zum Vorbild für andere Männer seiner
Generation erklärt. Der Mentalitätswandel der britischen Gesellschaft im
21. Jahrhundert ist ganz oben angekommen. Was selbst der König macht, kann
nicht falsch sein.
Diese Entwicklung deutete sich bereits an, als Charles neben seiner Ehe mit
Diana seine Affäre mit Camilla pflegte, als er sich scheiden ließ und als
er, anders als seine Vorfahren, seinen Söhnen keine Beschränkung bei der
Partnerwahl setzte. Im 20. Jahrhundert musste ein König noch abdanken, um
eine geschiedene Frau zu ehelichen. Heute ist die Queen, also Camilla,
nicht einmal mehr die Mutter des Thronfolgers, die Royal Family ist genauso
unübersichtlich und damit auch normal wie andere Familien auch – der
Spiegel einer britischen Gesellschaft eben, in der es gar keinen
moralischen Idealzustand mehr gibt.
## Unerwarteter Nebeneffekt
Die öffentliche Erkrankung des Königs hat noch einen unerwarteten
Nebeneffekt. King Charles III. nimmt bis auf Weiteres keine öffentlichen
Termine mehr wahr. Er regiert einfach, setzt also weiter Gesetze in Kraft,
empfängt jede Woche den Premierminister. Aber er ist vorläufig keine
öffentliche Figur mehr. Seine Mutter konnte sich das nicht leisten. Indem
sie nie etwas von sich preisgab, musste Queen Elizabeth II. öffentlich
immer da sein. Indem er etwas von sich preisgibt, kann King Charles III.
sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen.
Der Monarch reduziert sich auf seine Kernfunktion: Staatsoberhaupt statt
Promi. Glamour war gestern. Auch William und Kate bestehen längst auf mehr
Privatsphäre, vor allem für ihre Kinder, und das wird anders als früher
respektiert.
Die relativ junge Ära, in der die Royal Family unablässig im
Scheinwerferlicht einer gnadenlosen Öffentlichkeit stand und immer wieder
einzelne ihrer Mitglieder, vor allem die Angeheirateten, daran zugrunde
gingen, geht zu Ende. Wenn das so bleibt, wäre es für King Charles III. ein
würdiges Vermächtnis.
6 Feb 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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