# taz.de -- Literaturnobelpreis an Han Kang: Überraschend, aber verdient | |
> Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an die südkoreanische | |
> Schriftstellerin Han Kang. Sie überzeugt mit poetischer Prosa. | |
Bild: Han Kang, aufgenommen in Stockholm 2017 | |
Eine Frau hört auf, Fleisch zu essen. Klingt banal, ist bei der | |
Schriftstellerin Han Kang aber Ausgangspunkt einer Sozialkritik an der | |
südkoreanischen Gesellschaft. In ihrem Roman „Die Vegetarierin“ schreibt | |
sie über eine Frau, die so wenig eigenen Charakter hat, dass sie eigentlich | |
nicht viel mehr ist als eine Zimmerpflanze: schmückend, am Leben. | |
In der Konsequenz verwandelt sie sich im Laufe des Romans in genau das: | |
eine Zimmerpflanze. Ihre Umgebung reagiert darauf mit Unverständnis und | |
Gewalt. Die Geschichte wird aus Sicht ihres Ehemanns, ihres Schwagers und | |
ihrer Schwester erzählt. Sie selbst hat nicht einmal eine eigene Stimme. | |
[1][Han Kang hat den diesjährigen Literaturnobelpreis bekommen] – für ihre | |
„intensive poetische Prosa“, die historische Traumata konfrontiert und die | |
„Fragilität menschlichen Lebens“ herausstellt, [2][wie es in der Begründu… | |
des Nobelkomitees heißt]. Die Auszeichnung überrascht, ist aber verdient. | |
Wer gelangweilt ist von den vielen Lebensgeschichten von Autor*innen, | |
die ihre Quarter- oder Midlifecrisis in Romanform gießen, findet bei Han | |
Kang Neues, Anderes, Frisches. | |
Es sind Geschichten, die auf historischen Ereignissen beruhen oder | |
gesellschaftliche Verhältnisse in den Blick nehmen. Han Kang bildet aber | |
nicht einfach ab, sondern dreht die Geschichten immer ein Stück weiter. Die | |
Frau, die zur Pflanze wird. Die Seele eines beim Massaker Getöteten, die | |
einen Monolog hält, so [3][in ihrem Roman „Menschenwerk“]. | |
## Romane bereits übersetzt | |
In „Deine kalten Hände“ formt der Protagonist, ein Künstler, Skulpturen v… | |
Frauen, die der Schönheitsnorm nicht entsprechen, während eines seiner | |
Modelle sich mit Fastfood vollstopft und sich anschließend den Finger in | |
den Hals steckt. Aus einer der Skulpturen will sich der Künstler später | |
seinen eigenen Sarg bauen. | |
Wer Han Kang noch nicht kennt, hat Glück: So muss man nicht zwei, drei, | |
vier Jahre auf den nächsten ins Deutsche übersetzten Roman warten, sondern | |
kann jetzt gleich fünf hintereinander lesen. | |
Und sich darüber eine neue literarische Welt erschließen, darunter | |
vielleicht [4][Sayaka Murata], die ebenso über das Ausbrechen von Frauen | |
aus der gesellschaftlichen Norm schreibt, allerdings in Japan. Auch sie | |
nutzt dafür surreale und zuweilen Ekel erzeugende Elemente. Die Japanerin | |
Asako Yuzuki verhandelt ähnliche Themen, verzichtet dabei aber auf das | |
Surreale, thematisiert auf ihre Weise den Ekel. | |
Auch Han Kang kann anders: In „Weiß“ setzt sie sich mit dem frühen Tod | |
ihrer Schwester auseinander. Zuletzt erschien auf Deutsch | |
„Griechischstunden“: ein Roman über eine Frau, die nach dem Tod ihrer | |
Mutter – kurz gesagt – ihre Stimme verliert. Anhand der griechischen | |
Sprache und mittels ihres Griechischlehrers holt sie sich diese zurück. | |
10 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Literaturnobelpreisgewinnerin-Han-Kang/!6038602 | |
[2] https://www.nobelprize.org/prizes/literature/2024/press-release/ | |
[3] /Roman-von-Nobelpreistraegerin-Han-Kang/!5450978 | |
[4] /Archiv-Suche/!5496904&s=Sayaka+Murata&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
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