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# taz.de -- Ausstellung im NS-Dokumentationszentrum: Eine mörderische Karriere
> Reinhard Heydrichs NS-Laufbahn war geprägt von immer mehr Gewalt. Das
> zeigt eine neue Schau in der Topographie des Terrors.
Bild: Reinhard Heydrich (links) und Eduard Strauch vor dem Quartier der Einsatz…
Thomas Mann nannte ihn einen Henker. „Wohin dieser Mordknecht kam, floss
das Blut in Strömen“, sagte der Nobelpreisträger im Juni 1942 in einer
seiner Rundfunkansprachen für die britische BBC über Reinhard Heydrich. Der
SS-Obergruppenführer und Diktator über die Tschechen war kurz zuvor in Prag
einem Attentat zum Opfer gefallen. Thomas Mann nannte das „den
natürlichsten Tod, den ein Bluthund wie er sterben kann“.
Reinhard Heydrich, der als NS-Multifunktionär auch als Chef der
Terrorzentrale Reichssicherheitshauptamt fungierte, wird bis heute als ein
eiskalter und effizienter Manager des Massenmords beschrieben, und das war
er wohl auch. [1][Das Berliner Dokumentationszentrum Topographie des
Terrors steht dort, wo sich einstmals die Zentrale der Gestapo befand],
einer Institution, die untrennbar mit Heydrich verbunden war. Es war
deshalb naheliegend, dass sie eine Schau über diesen Mörder konzipierte –
und es lag doch fern. Denn Ausstellungen über NS-Täter haben in Deutschland
bis heute Seltenheitswert.
„Karriere und Gewalt“, so lautet der Untertitel der Schau, die sich vor
allem anhand von faksimilierten Dokumenten und Fotos der Person Heydrich
annähert. NS-Devotionalien oder andere originale Hinterlassenschaften
bleiben so ausgespart, was allerdings zur Folge hat, dass das Thema
ausschließlich auf großen Tafeln präsentiert wird und nicht unbedingt zum
Schauen einlädt.
Wer sich davon nicht abschrecken lässt, erfährt viel über Reinhard
Heydrich, aber auch über die Mechanismen der NS-Machtausübung. Wobei sich
diese beiden Punkte trafen. Da war einerseits Heydrichs Karrierestreben,
andererseits die Suche der NSDAP nach Männern, die eine neue Elite im Staat
bilden sollten. Heydrich, bei seinem Tod gerade einmal 38 Jahre alt, zählte
zu dieser neuen Elite, die sich nur zu gerne und skrupellos der Umsetzung
der verbrecherischen Vorstellungen des Nationalsozialismus widmete.
Die Ausstellung folgt Heydrichs Leben chronologisch. Wobei der
Ausgangspunkt seines Strebens eine Niederlage war: Heydrich hatte sich
einer Karriere als Marineoffizier verschrieben, geriet aber in Konflikt mit
Moralvorstellungen dieser elitären Kriegskaste. Weil er angeblich zwei
Frauen die Ehe versprochen hatte, musste er 1931 seinen Abschied nehmen.
Zugleich aber sorgte der Anschluss an die NS-affine Familie seiner Braut
Lina von Osten dafür, dass für Heydrich eine ganz andere Karriere beginnen
konnte, nämlich die bei Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS.
## Männer in weißen Hemden
Es sah anfangs vergleichsweise harmlos aus, ja geradezu lächerlich: Bei
Heydrichs Hochzeit im Dezember 1931 traten als Stimmungskanonen SA-Männer
auf. „S.A. wünscht ‚Heil‘ dazu!“, lautet die handschriftliche
Bildunterschrift in einem Fotoalbum. Nur sind da Männer in weißen Hemden zu
sehen, weil damals in Preußen ein Verbot politischer Uniformen bestand.
Himmler ernannte Heydrich zum Chef des Sicherheitsdienstes (SD) der SS. Es
ging dabei um die Abwehr von Polizeispitzeln und Nazigegnern in den eigenen
Reihen. Das war der Beginn einer Blitzkarriere, die sich, als die Nazis in
Deutschland die Macht erobert hatten, nicht länger auf die Partei
beschränkte, wie überhaupt NSDAP und Staat miteinander verschmolzen.
Praktisch sah das so aus, dass Himmler Heydrich 1933 zum Leiter der
Politischen Polizei in Bayern machte. Das zeitgleich errichtete KZ Dachau
unterstand zugleich Himmler. Die Folge: Heydrichs Behörde schickte mehr als
16.000 „Schutzhäftlinge“ nach Dachau, wo Himmlers Männer sie quälen und
töten konnten. Der in der Ausstellung präsentierte Schutzhaftbefehl für
Thomas Mann blieb allerdings wirkungslos, denn der war im Ausland.
## Auf der Suche nach einer „Lösung“ der „Judenfrage“
Der nächste Karriereschritt folgte 1934. Da wurde Heydrich Chef der
Preußischen Gestapo und durfte als solcher wie als Leiter des SD dafür
sorgen, dass der bei Hitler in Ungnade gefallene SA-Führer Ernst Röhm
mitsamt seinen Unterstützern erschossen wurde.
1936 erklomm Himmler den Posten des Chefs der Deutschen Polizei, im
Gleichschritt durfte Heydrich nun auch noch die Kripo führen. Derweil
untersuchte der SD „die Judenfrage“ auf der Suche nach einer „Lösung“.…
das bedeutete, lässt sich in der Ausstellung einem Fernschreiben vom 10.
November 1938 entnehmen, das dem Sicherheitsdienst wie der Staatspolizei
genaue Anweisungen zum Pogrom erteilte.
Schließlich avancierte Heydrich zum Chef des 1939 gebildeten
Reichssicherheitshauptamtes, der alle Sorten Folterknechte, Polizeispitzel
und Judenmörder in einem bürokratischen Apparat vereinte.
## Treibende Kraft hinter der Wannseekonferenz
Mit jedem Karriereschritt aber nahm die Gewalt zu, gipfelnd im Holocaust.
Heydrich trug Verantwortung für die Bildung der Einsatzgruppen, die hinter
der Front planmäßig Jüdinnen und Juden in Osteuropa ermordeten. Was das
bedeutete, lässt der in der Schau präsentierte sogenannte Jäger-Bericht
über die Tätigkeit der Einsatzgruppe A in Litauen erahnen: Diese
„Gesamtaufstellung der durchgeführten Exekutionen“ listet fein säuberlich
Mordaktionen mit genauer Opferzahl auf.
So war es nur konsequent, dass Heydrich die treibende Kraft hinter der
[2][Besprechung am Wannsee am 20. Januar 1942] war, bei der Vertreter von
Partei und Staat gemeinsam die praktische Umsetzung des Massenmords in
Europa erörterten.
Heydrichs letzter Job ab September 1941 in Prag als „Stellvertretender
Reichsprotektor“ war es, der das Ende seiner Karriere zur Folge hatte –
tödlich verletzt auf dem Weg zu seinem Amtssitz von zwei Tschechen. Nur ist
es bedauerlich, dass die Ausstellung diesem Kapitel so wenig Platz
einräumt. Auch wenn Heydrichs Tod nur neue Massaker zur Folge hatte, auch
wenn sein Ableben Holocaust und Krieg kaum tangierte: Es war doch ein
Zeichen des Widerstands, ein Zeichen dafür, dass die Welt nicht
Massenmördern gehörte.
9 Oct 2024
## LINKS
[1] /Das-Gefaengnis-der-Gestapo-Zentrale/!5927551
[2] /80-Jahre-Wannsee-Konferenz/!5827977
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Topographie des Terrors
Holocaust
NS-Dokumentationszentrum
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NS-Verbrechen
Schwerpunkt Nationalsozialismus
NS-Verbrechen
Literatur
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Antisemitismus
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